Recht 29.06.2017
Das Partnerfactoring vor Gericht – Eine erste (Fehl-)Einschätzung
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Vor zwei Wochen hat sich erstmals ein Gericht – nämlich das Landgericht (LG) Hamburg – mit der Zulässigkeit des Partnerfactorings auseinandergesetzt (Aktenzeichen 406 HKO 214/16).
Beim Partnerfactoring geht es bekanntlich um eine Sonderform des Factorings. Ohne auf die Vertragsgestaltung im Detail eingehen zu wollen, wird beim Partnerfactoring wirtschaftlich gesehen die Rechnung des Zahnarztes an den Patienten gesplittet, und zwar einerseits in den auf sein eigenes Honorar entfallenden Teil und andererseits in den Teil, der auf die Kosten des zahntechnischen Labors entfällt.
Laborkosten hat der Zahnarzt seinem Patienten nach Maßgabe des § 9 Abs. 1 der GOZ in der Höhe in Rechnung zu stellen, in der sie ihm tatsächlich entstanden sind. Etwaige Rabattierungen sind grundsätzlich an den Patienten weiterzugeben. Eine Ausnahme hat die Rechtsprechung grundsätzlich etwa für Skonti in Höhe von 3 % des Rechnungsbetrages anerkannt: Diese Vergünstigungen müssen nicht an den Patienten weitergegeben werden. An dieser Stelle setzt das Partnerfactoring an: Die dahinterstehende Idee ist, dass der Zahnarzt die Factoringkosten nicht auf Grundlage des Gesamtrechnungsbetrags stemmen soll, sondern dass das Dentallabor die eigenen Factoringkosten (also bezogen auf seine Laborleistungen), hergeleitet über den Laborkostenanteil der Gesamtrechnung, selbst trägt.
Zur Veranschaulichung: Es seien beispielsweise eine hypothetische Gebühr von 3 % für das Factoring und eine unterstellte Gesamtrechnung des Zahnarztes von 1.000,00 Euro angenommen. Die Factoringgebühr beliefe sich insgesamt auf 30,00 Euro. Geht man nun außerdem davon aus, dass von den 1.000,00 Euro ein Betrag von 600,00 Euro auf das Honorar, die übrigen 400,00 Euro auf die Dentallaborkosten entfallen, würde der Zahntechniker beim Partnerfactoring 3 % von 400,00 Euro, also mithin 12,00 Euro tragen, der Zahnarzt 18,00 Euro.
Hintergrund ist der, dass das Labor auf diese Weise direkt Liquidität seitens des Factoringdienstleisters erhält und darüber hinaus ein mögliches Forderungsausfallrisiko ausschließt. Für den Zahnarzt stellt sich das Partnerfactoring deshalb als reizvoll dar, weil er ansonsten nicht umhin käme, im Hinblick auf die Dentallaborkosten ein Verlustgeschäft hinzunehmen: Weil er die ihm entstehenden Kosten gerade nicht anheben darf, sondern sie wie entstanden weitergeben muss, würde ihm beim Factoring der Gesamtforderung ein Verlust in Höhe der Factoringkosten für die Laborleistungen drohen; wiederum für das Labor besteht der Vorteil darin, dass der Liquiditätsfluss für die Laborleistungen gesichert ist.
Das LG Hamburg hat nunmehr als erstes Gericht die Möglichkeit erhalten, sich zum Partnerfactoring zu äußern. Wie kam es dazu? Im Zuge der Einführung von Straftatbeständen zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen (§§ 299a, 299b StGB) ist die Gesundheitsbranche kollektiv in helle Aufregung versetzt worden. Sämtliche Kooperationen, Vereinbarungen und Abreden wurden und werden auf den Prüfstand gestellt und in vielen Fällen ist nicht sicher prognostizierbar, ob ein bestimmtes Verhalten in den Anwendungsbereich der neuen Vorschriften fällt oder nicht. Ein Musterbeispiel hierfür ist das beschriebene Partnerfactoring. Vor diesem Hintergrund haben sich manche Factoringgesellschaften dazu entschlossen, einen defensiven Weg einzuschlagen und das Partnerfactoring aus ihrem Angebotsportfolio verschwinden zu lassen.
Andere Anbieter hingegen sind – regelmäßig auf der Grundlage fundierter Rechtsgutachten – von der Zulässigkeit des Partnerfactorings überzeugt und haben sich deshalb dazu entschlossen, ihren Kunden diese Form des Factorings weiterhin zu ermöglichen. Das wiederum ist denjenigen Konkurrenten, die das Partnerfactoring eingestellt haben, ein Dorn im Auge – denn wenn sie sich selbst dazu entschlossen haben, das Partnerfactoring nicht mehr anzubieten, soll natürlich auch kein Konkurrent mit dem dynamischen Modell auf dem Markt punkten können. Genau deswegen ist das Thema auf die To-do-Liste des LG Hamburg gelangt. Eine Factoringgesellschaft hat von einer anderen verlangt, es zu unterlassen, das Partnerfactoring weiterhin anzubieten.
Das Gericht hat der klagenden Factoringgesellschaft Recht gegeben und die Beklagte zur Unterlassung verurteilt.
Es sei jedoch mit aller Deutlichkeit darauf hingewiesen, dass es sich bei der benannten Entscheidung um ein zivilrechtliches Urteil handelt und dass das Gericht in seinem Urteil in keinster Weise Stellung hinsichtlich einer strafrechtlichen Bewertung des Partnerfactorings im Lichte der §§ 299a, 299b StGB bezogen hat. Ganz im Gegenteil: Dieser mögliche Aspekt wurde in der Urteilsbegründung erst gar nicht aufgegriffen. Umso verwunderlicher, dass ein solcher Zusammenhang in der Pressemitteilung eines Factoringdienstleisters anscheinend bewusst hergestellt wurde.
Die bloße wettbewerbsrechtliche Unzulässigkeit eines Geschäftsmodells führt jedenfalls nicht automatisch dazu, dass ein das Partnerfactoring betreibender Zahnarzt sich nach § 299a StGB strafbar macht. Hier wird ergänzend insbesondere zu prüfen sein, ob dem Partnerfactoring die Qualität einer Unrechtsvereinbarung mit Korruptionsgehalt beigemessen werden kann.
Des Weiteren ist es trotz des Urteils äußerst fraglich, ob sich die Auffassung des LG Hamburg flächendeckend durchsetzen wird. Es handelt es sich um eine erstinstanzliche Entscheidung, die noch nicht rechtskräftig ist. Das heißt, dass das Urteil des LG Hamburg im Instanzenzug durchaus noch gekippt werden kann, sofern die unterlegene Factoringgesellschaft in Berufung oder Revision geht. Selbst wenn das Urteil rechtskräftig werden sollte, weil kein Rechtsmittel eingelegt wird, entfaltet ein solches erstinstanzliches Urteil bei Weitem nicht eine solche Signalwirkung, wie sie etwa eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) mit sich bringen würde.
Abgesehen davon ist die Begründung des Urteils aber auch im Übrigen außerordentlich oberflächlich und nach Auffassung des Autors alles andere als zwingend. Dies fängt schon damit an, dass sich das LG Hamburg damit begnügt, seine Rechtsauffassung zu dem hochkomplexen Thema des Partnerfactorings auf wenig mehr als zwei (!) Seiten zu begründen.
Inhaltlich stützt sich das LG Hamburg nur auf eine einzige Rechtsvorschrift, nämlich auf den eingangs bereits benannten § 9 Abs. 1 GOZ, nach dem der Zahnarzt verpflichtet ist, etwaige Rabatte und Preisvergünstigungen, die er auf die Laborrechnung erhält, an den Patienten weiterzugeben. Hintergründig hierfür ist, dass der Zahnarzt sich nicht an den Laborkosten bereichern soll, sondern diese den Patienten so treffen sollen, wie sie vom Zahntechniker kalkuliert worden sind. Der Zahnarzt nimmt hier in gewisser Weise nur die Funktion eines Mittelsmanns ein.
Das LG Hamburg sieht einen Verstoß gegen diesen Grundsatz als erwiesen an. Nach seiner Argumentation erhalte der Zahnarzt vom Zahntechniker bloß einen verdeckten Rabatt, dem keine äquivalente Gegenleistung gegenüberstehe. Aus diesem Grunde könne man die Kostenbeteiligung des Fremdlabors an den Factoringkosten des Zahnarztes nicht mit den auch im Lichte des § 9 Abs. 1 GOZ als zulässig eingestuften Barzahlungsskonti vergleichen. Diese würden als rechtskonform bewertet, weil damit eine schnelle Bezahlung der Laborrechnung durch den Zahnarzt honoriert werden solle.
In der Tat ist es so, dass die benannten Barzahlungsrabatte bislang deswegen als zulässig angesehen worden sind, weil der Zahnarzt dem Dentallabor gegenüber in diesen Konstellationen seine vertraglichen Pflichten schnell und sicher erfüllt hat. Er hat dem Zahntechniker unmittelbare Liquidität verschafft. Gleichzeitig entstehe dem Zahnarzt ein eigener Zinsverlust, der durch die Skontierung ausgeglichen werde. Deshalb sei eine Weiterreichung dieses Skontos an den Patienten ausnahmsweise nicht nach § 9 Abs. 1 GOZ erforderlich (so das OLG Koblenz, Beschluss vom 23.09.2004, Aktenzeichen 10 U 90/04).
Bei nüchterner Analyse unterscheidet sich diese Systematik aber nicht vom Partnerfactoring. Denn die Interessenlage ist nahezu identisch. Auch beim Partnerfactoring ist es so, dass die Rechnungen des Zahntechnikers schnell und sicher durch den Factoringdienstleister beglichen werden. Das Partnerfactoring kann deshalb aus praxiswirtschaftlicher Perspektive weitaus attraktiver sein als eine Einzelskontierung. Denn der Zahntechniker erhält ein Maximum an Planungssicherheit, da er auch nicht das – durchaus existente – Insolvenzrisiko des Zahnarztes tragen muss. Sein Geld erhält er ja von der Factoringgesellschaft. Das LG Hamburg hat hierzu ausgeführt:
„Entscheidend für die fehlende Vergleichbarkeit ist die fehlende Anbindung der im Rahmen des Partnerfactorings vom Labor zu übernehmenden Gebühr an die für Skonti übliche kurze Zahlungsfrist ab Rechnungserteilung durch das Dentallabor.“
Erstens ist dies damit zu kommentieren, dass die Factoringunternehmen sich nach den Erfahrungen in der Praxis regelmäßig dazu verpflichten, das Geld abzüglich der Factoringgebühr – in unserem obigen Beispiel also 400,00 Euro abzüglich 12,00 Euro, mithin 388,00 Euro – unverzüglich an das Labor auszukehren. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, warum das LG Hamburg hier zu dem Trugschluss gekommen ist, das Labor erhalte seine Vergütung nicht schnell genug. Insbesondere, da auch der Zahnarzt nach Eingliederung zahntechnischer Leistungen und der damit verbundenen Abnahme der Werkleistung des Zahntechnikers bestrebt ist, seine Honoraransprüche abzurechnen bzw. diese dem Factoringdienstleister anzudienen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die klassische Abrechnung des Labors ggü. dem Zahnarzt in der Regel in Form einer Monatsaufstellung – also mit einem zeitlichen Versatz von bis zu 4 Wochen - erfolgt. Das Labor profitiert also an dieser Stelle von der Systematik des Partnerfactorings.
Die Begründung des Urteils ist an dieser elementar wichtigen Weichenstellung hingegen in sich widersprüchlich. Auch finanziell ist der Aufwand für das Dentallabor vergleichbar mit den ansonsten üblichen Skonti, da die Factoringgebühren sich zumeist in einem ähnlichen, oftmals gar niedrigeren Preisbereich einpendeln.
Zweitens könnte man dieser Stelle der Urteilsbegründung gar entnehmen, dass das Partnerfactoring unter der Bedingung einer zeitnahen Abrechnung des Zahnarztes nicht zu beanstanden ist. Zwar kann es auf eine solche Förmelei nach Ansicht des Verfassers nicht ernsthaft ankommen; ebenso lässt es sich aber dem zitierten Urteil entnehmen.
Es sei noch eine weitere Stelle des Urteils angeführt. Dort heißt es:
„Der Vertrag dient vielmehr allein der Einkleidung einer Kostenbeteiligung des Labors an den Factoringkosten des Zahnarztes, die wirtschaftlich gesehen zu einer Preisreduzierung führt. Diese einem Skonto nicht vergleichbare Preisreduzierung muss nach § 9 Abs. 1 GOZ an den Patienten weitergegeben werden […].“
Diese Bewertung trifft schon aus dem einfachen Grunde nicht zu, dass das Labor selbst – wie beleuchtet – vom Partnerfactoring unmittelbar profitiert. Aber auch dessen ungeachtet wird man die Vergleichbarkeit von Skonti und Preisreduzierungen nicht so lapidar vom Tisch wischen können. Das LG Hamburg übersieht offenbar, dass eben diese Frage ein Kernthema eines aktuell beim BGH anhängigen Verfahrens darstellt (Aktenzeichen I ZR 172/16). Das OLG Bamberg hatte hierzu in der Vorinstanz noch festgestellt, dass die Gewährung nichts anderes ist als eine besondere Art des Preisnachlasses (Urteil vom 29.06.2016, Aktenzeichen 3 U 216/15). In Anbetracht dessen verwundern die insofern recht rudimentären Einlassungen des LG Hamburg doch enorm.
Daher bleibt festzuhalten, dass das jetzt verkündete Urteil des LG Hamburg das Partnerfactoring noch lange nicht endgültig begraben hat. Vielmehr bleibt zunächst abzuwarten, ob ein eventuell noch tätig werdendes OLG oder gar der BGH der Auffassung des LG Hamburg folgen werden. Sollte dem tatsächlich so sein, wäre es jedenfalls wünschenswert, wenn eine ausführlichere Begründung für diese Einschätzung abgegeben würde.
Die vom Autor vertretene Anschauung ist demgegenüber konträr. Das Partnerfactoring ist ein Kooperationsmodell, das auf eine engere Verzahnung der Zusammenarbeit zwischen Zahnärzten und Dentallaboren ausgerichtet ist, ohne unzulässige Vorteile in dieser Beziehung zu implizieren. Vielmehr stellt sich das Partnerfactoring für beide Parteien als sinnvoll dar. Es ist nicht nachvollziehbar, warum Skonti in vergleichbarer Höhe zulässig sein sollten, während das in seinen Prozessen und seiner Kostenverteilung transparente Modell des Partnerfactorings – insbesondere für den Zahntechniker oftmals gar noch ansprechender – als rechtswidrig gebrandmarkt wird.
Außerdem sei in Erinnerung gerufen, dass eine strafrechtliche Bewertung dieser zivilrechtlichen Beurteilung einer einzelnen Handelskammer nicht folgen muss und auch nicht folgen sollte. Denn dass man sogar eine strafrechtlich relevante Unrechtsvereinbarung im Modell des Partnerfactorings erblicken könnte, erscheint doch sehr zweifelhaft. Rechtsklarheit können hier aber erst weitere – höchstrichterliche – Gerichtsentscheidungen verschaffen.