Recht 08.08.2011
Die Aufklärungspflicht bei ausländischen Patienten
Immer wieder ist es Aufgabe der Gerichte, in Arzthaftungsfällen zu entscheiden, ob ein Arzt seiner Aufklärungspflicht nachgekommen ist; denn nur, wenn das der Fall ist, liegt eine wirksame Einwilligung des Patienten zum Eingriff vor. Ohne eine solche Einwilligung liegt – auch wenn der Arzt lege artis handelte – eine Körperverletzung im Sinne des Strafgesetzbuches vor. Aufgrund dieser Tatsache stellen sich Ärzte häufig Fragen rund um das Thema Patientenaufklärung. Im Rahmen dieses Artikels soll die Aufklärung der deutschen Sprache nicht bzw. nicht hinreichend mächtiger Patienten thematisiert werden.
Unabhängig vom sprachlichen Hintergrund eines Patienten muss die Aufklärung grundsätzlich individuell auf ihn abgestimmt sein. Nur so kann der Arzt sichergehen, dass sein Gegenüber auch verstanden hat, worüber er aufgeklärt wurde. Der Arzt muss deshalb im Aufklärungsgespräch die passenden Worte und Erklärungen finden, die sowohl objektiv als auch subjektiv auf die persönliche Situation des Patienten ausgerichtet sind. Handelt es sich bei dem Patienten beispielsweise um einen Kollegen, so darf die Aufklärung schon einmal mit dem obligatorischen Fachjargon gespickt sein, ansonsten natürlich nicht. Immer muss der Arzt sicherstellen, dass sein Gegenüber ihn verstanden hat und vollumfänglich über den Sachverhalt informiert ist. Sollten hierüber bei dem Arzt Zweifel bestehen, dann ist es seine Aufgabe, durch gezieltes Nachfragen die bestehenden Informationslücken wirkungsvoll zu schließen.
Besonderes Augenmerk ist in diesem Zusammenhang auf die Aufklärung betreuter Patienten zu richten: auch hier ist das persönliche Aufklärungsgespräch sowohl mit der betreuten Person als auch mit dem Betreuer er forderlich. Eine fernmündliche Aufklärung des Betreuers auf der Basis eines versandten Informationsbogens mit anschließender faxgebundener Zustimmung des Betreuers ist nicht lege artis. Nichts anderes gilt bei fremdsprachigen Patienten. Alle Patienten sind mit der gleichen Sorgfalt aufzuklären. Gelangt der Arzt zu dem Eindruck, dass seine Ausführungen aufgrund der sprachlichen Defizite nicht verstanden werden, dann darf er die Behandlung nicht durchführen.
Fallbeispiel
Mit Urteil vom 12.10.1989 entschied das OLG Düsseldorf über einen Fall, in dem eine Frau aus dem damaligen Jugoslawien von einem Frauenarzt steri - lisiert worden war, nachdem sie eine „Einwilligungserklärung zur Sterilisation“ unterschrieben hatte. Im Nachgang zu dem Eingriff hatte sie behauptet, dass sie nicht sterilisiert werden wollte. Vielmehr sei sie nicht in der Lage gewesen, das Formblatt zu lesen, welches ihr vor der Sterilisation zu lesen gegeben worden war. In dem sich anschließenden Schadensersatzprozess war die klagende Patientin weitgehend erfolgreich. Das Oberlandesgericht entschied, dass bei der Behandlung ausländischer Patienten der Arzt eine sprachkundige Person hinzuziehen muss, sollte zu befürchten sein, dass der Patient die ärztliche Aufklärung nicht richtig versteht. Die Gefahr von Missverständnissen muss sicher ausgeschlossen sein (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 12.10.1989 – 8 U 60/88 in NJW 1990, 771). Die Aufklärung muss, wie auch bei deutschsprachigen Patienten, in einem Gespräch und darf nicht durch Formulare über die bevorstehende Behandlung erfolgen. Formulare bzw. Merkblätter können Aufklärungsgespräche lediglich vorbereiten und den Patienten in die Lage versetzen, Fragen zur Behandlung zu stellen bzw. als Dokumentation des Aufklärungsgesprächs dienen, niemals jedoch das persönliche Aufklärungsgespräch ersetzen (vgl. BGH, Urteil vom 15.02.2000 in MedR 2001, 42).
Aufklärungsmöglichkeiten bei fremdsprachigen Patienten
Wie aber soll der Zahnarzt einen fremdsprachigen Patienten nun tatsächlich so aufklären, dass dessen Einwilligung in die Behandlung auch wirksam ist? Am einfachsten wäre sicher, dass Zahnarzt und Patient fließend eine gemeinsame Sprache beherrschen, wie beispielsweise Englisch. Oft genug wird jedoch das nicht der Fall sein, sodass es erforderlich ist, sich anderweitig zu helfen: z.B. können sprachkundige Angehörige des Patienten oder Praxismitarbeiterinnen für den Zahnarzt übersetzen. Notfalls ist auch an die Hinzuziehung eines anerkannten Dolmetschers zu denken. Die hierdurch anfallenden Kosten müssen nicht vom Zahnarzt übernommen werden. Weigert sich der ausländische Patient jedoch, den Übersetzer zu bezahlen, so wird der behandelnde Arzt deswegen nicht frei von seiner Informationspflicht. Vielmehr muss die Aufklärung dann auf andere Art und Weise in verständlicher Form geschehen.
Bedient sich der Zahnarzt einer anderen Person, unabhängig davon, ob es sich um eine Praxismitarbeiterin, Angehörige oder einen anerkannten Dolmetscher handelt, muss der Patient immer der Hinzuziehung dieses Übersetzers zustimmen. Verweigert der Patient das Hinzuziehen einer sprachkundigen Person, ist von der geplanten Behandlung abzusehen. Auch wenn der Zahnarzt sich Dritter bei der Aufklärung bedienen darf, ist eine Delegation an nichtärztliches Personal, wie zahnmedizinische Fachangestellte, zahnmedizinische Fachassistentinnen, zahnmedizinische Verwaltungsassistentinnen oder Dentalhygienikerinnen oder auch Angehörige des Patienten grundsätzlich nicht zulässig.
Eine Ausnahme vom Erfordernis der Aufklärung gilt für alle Patienten unabhängig von Herkunft oder Muttersprache: bei bewusstlosen Patienten hat der Zahnarzt bzw. die Zahnärztin diejenigen Maßnahmen durchzuführen, die im mutmaßlichen Interesse des Patienten zur Herstellung seiner oralen Gesundheit erforderlich sind. Zur Erforschung des mutmaßlichen oder wirklichen Willens des Patienten empfiehlt sich ein Gespräch mit den ihm besonders nahestehenden Personen. Liegen keine gegenteiligen Anhaltspunkte vor, kann der Zahnarzt bzw. die Zahnärztin davon ausgehen, dass der mutmaßliche Wille des Patienten dem entspricht, was als normal und vernünftig angesehen wird. Sobald der Patient wieder in der Lage ist, seine Einwilligung zu geben, so ist diese vor der Fortsetzung der Behandlung einzuholen.
Ausführliche
Dokumentation
Hinzuweisen bleibt auf die Tatsache, dass dem Zahnarzt dringend zu raten ist, zu dokumentieren, dass der Patient die Aufklärung hinreichend verstanden hat. In obiger Entscheidung des OLG Düsseldorf führte das Gericht in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes aus: „Von einer wirksamen Einwilligung des Patienten kann nur dann ausgegangen werden, wenn der Patient weiß, worin er einwilligt. Dass dem ärztlichem Eingriff eine solche Einwilligung zugrunde gelegen hat, muss grundsätzlich der Arzt beweisen.“
Somit ist es im Falle eines Haftungsprozesses Aufgabe des Arztes zu beweisen, dass der Patient die Aufklärung verstanden und dem Eingriff zugestimmt hat. Dieser Beweis ist im Grund nur durch eine ausführliche Dokumentation des Aufklärungsgesprächs zu führen, da eine sorgfältige Dokumentation der Aufklärungsrüge des Patienten die Grundlage entzieht. Sollte der Patient expressis verbis auf eine ausführliche Aufklärung verzichten, so ist auch das zu dokumentieren. Fehlt die Dokumentation, kann das Gericht nicht grundsätzlich schließen, dass keine Aufklärung stattgefunden hat. Wenn der Zahnarzt dem Gericht mit wesentlichen Details erklären kann, wie sich die Aufklärungssituation dargestellt hat, wird das Gericht zumindest zu der Frage des Stattfindens des Gespräches keine zu hohen Anforderungen stellen. Zur Frage des Aufklärungsinhaltes sind die Maßstäbe höher und der Beweis dürfte daher dem Zahnarzt nur schwer bzw. gar nicht gelingen.
In manchen Situationen kann eine fehlende Einwilligung als erteilt unterstellt werden. Diese Ausnahmesituation liegt immer dann vor, wenn der Zahnarzt beweisen kann, dass der Patient dem Eingriff auch dann zugestimmt hätte, wenn er vollständig aufgeklärt worden wäre, sodass der Aufklärungsmangel folgenlos geblieben wäre. Bei dieser hypothetischen Einwilligung sind die Gesamtumstände der Behandlung, wie Schwere des Eingriffs und die hieraus resultierenden Risiken, abzuwägen. Es ist Aufgabe des Patienten nachzuweisen, dass er bei einer ordnungsgemäßen Aufklärung seine Einwilligung verweigert hätte oder jedenfalls in einen ernsten Entscheidungskonflikt geraten wäre.
Rechtliche Konsequenzen für den Arzt
Bereits eingangs wurde darauf hingewiesen, dass bei einer fehlenden oder unvollständigen Aufklärung die Einwilligung unwirksam ist und die Behandlung eine Körperverletzung darstellt. Dies kann sowohl strafrechtliche als auch zivilrechtliche Folgen haben. Im Bereich des Strafrechts droht dem Zahnarzt die Verurteilung zu einer Geld- oder gar Freiheitsstrafe. Wobei für den Zahnarzt besonders gravierend ist, dass die strafrechtliche Verurteilung zum Verlust der Approbation führen kann, was einem Berufsverbot gleichkommt. Zivilrechtlich muss sich der Zahnarzt mit Schmerzensgeld- oder Schadensersatzforderung auseinandersetzen. Die fehlende Einwilligung führt im Zahnarzthaftungsrecht zum Vorliegen einer unerlaubten Handlung im Sinne des § 823 BGB. Daneben stellt die fehlende Aufklärung eine Pflichtverletzung des Behandlungsvertrages dar, sodass eine vertragliche Haftungsgrundlage gegeben ist, §§ 280 ff. BGB.
Fazit
Abschließend bleibt daher festzustellen, dass der Aufklärung generell und bei fremdsprachigen Patienten besonders eine sehr große Bedeutung beizumessen ist. Nur durch eine sorgfältige Aufklärung der Patienten mit einer entsprechenden Dokumentation ist es dem Zahnarzt möglich, das Risiko einer unwirksamen Einwilligung mit allen sich daraus möglicherweise ergebenden Konsequenzen zu vermeiden.