Recht 21.04.2014

Juristische Fallsammlung zur digitalen Kieferorthopädie



Juristische Fallsammlung zur digitalen Kieferorthopädie

Foto: © Shutterstock.com

Ein Beitrag von RA Michael Zach.

Die fortschreitende Einbindung digitalisierter Daten in zahnärztliche Behandlungsabläufe wirft eine Fülle von Rechtsfragen auf, die nicht nur eine graduelle Veränderung des bestehenden Systems bewirken, sondern sowohl in medizinischer wie auch in juristischer Hinsicht eine Neubestimmung des Standortes erfordern. Dabei sind die technischen Neuerungen und ihre Implementierung in der täglichen zahnärztlichen Praxis bislang weder vom Gesetzgeber noch von der Rechtsprechung wirklich erfasst und bewältigt worden.

Nachfolgend soll durch die Diskussion zehn konkreter Sachverhalte die heute schon erkennbaren Konfliktpunkte dargestellt werden. Die juristische Diskussion hierzu befindet sich noch im Fluss und es kann daher allenfalls ein Ausblick auf die juristische Bewältigung geworfen werden.

Patientenschutz durch Anonymisierung – Fall 1

Dr. KFO erwägt während laufender Behandlung eine Zahnextraktion und mailt das OPG an Dr. MKG als Grundlage für eine dann telefonisch stattfindende fachliche Erörterung. Dabei hatte er Namen, Geburtsdatum und den Kostenträger des Patienten sorgfältig unkenntlich gemacht. Die Digitalisierung papiergetragener und bildgebender Dokumentationen erleichtert nicht nur die Archivierbarkeit und Verfügbarkeit der Daten innerhalb der Zahnarztpraxis, sondern ermöglicht die Bereitstellung per Mausklick auch an externe Bearbeiter. Diese Erleichterung des Datentransfers kann zum Datenmissbrauch verleiten. Denn in aller Regel wird sich zu Beginn einer zahnärztlich-kieferorthopädischen Behandlung nicht absehen lassen, ob im Verlaufe der Behandlung möglicherweise die Konsultation eines oder mehrerer zahnärztlicher oder allgemeinmedizinischer Fachkollegen erforderlich werden wird. Möglicherweise wird der behandelnde Kieferorthopäde auch im Laufe einer Behandlung einmal den Austausch mit einem KFO-Fachkollegen zu einem Behandlungsfall suchen. Zumindest nach heute geübter Praxis wird zu Beginn einer Behandlung im Hinblick auf einen solchen Datenaustausch eine separate Schweigepflichtentbindungserklärung von dem Patienten nicht eingeholt. Sofern der zugezogene Mediziner demselben Fachgebiet angehört, wird von einem Telekonsil gesprochen werden.

Sofern es sich um einen Experten einer anderen Fachrichtung als der Primärbehandler handelt, wird von einer Teleexpertise gesprochen.1 Sofern sich Zahnärzte der unterschiedlichen Fachzahnarztgruppen (Oralchirurgie, Kieferorthopädie, Parodontologie) austauschen, werden Fachgebietsgrenzen bekanntlich nicht überschritten, sodass von einem Telekonsil auszugehen ist. Der um ein Telekonsil ersuchte Konsiliarius wird dabei regelmäßig nicht selbst zum mitbehandelnden Arzt. Zuständig für Aufklärung, Behandlung, Überwachung und Abrechnung bleibt somit der vor Ort tätige Arzt (sog. Primärarzt).2 Soweit noch ein Konsens darüber besteht, dass ohne wirksame Einwilligung in das Telekonsil ein solches nicht rechtmäßigerweise durchgeführt werden darf, ist streitig, ob eine Vertragswidrigkeit und Strafbarkeit dadurch ausgeschlossen werden wird, dass die an den Telemediziner übermittelten Informationen derart ausgewählt oder anonymisiert werden, dass der Telemediziner keine Rückschlüsse auf die Identität des Patienten ziehen kann. Mangels Personenbezugs der Befunde entfalle dann der Geheimnischarakter, sodass eine Geheimnisverletzung nach §203 Abs. 1 StGB ausgeschlossen sei.3

Dies begegnet jedoch schon in tatsächlicher Hinsicht Bedenken: Zum einen können anhand eines Röntgenbildes eines Patientenschädels die Gesichtszüge des Patienten mithilfe entsprechender Simulationssoftware darstellbar sein, sodass wie bei der Analyse eines dentalen Befundes letztlich die Identifizierung des Patienten möglich bleibt und eine wirklich effiziente Anonymisierung real ausgeschlossen ist. Dass diese Spur zur Identifizierung des Patienten aufgrund der Zahnbefunde trotz Löschung u.a. des Namens durchaus praktisch relevant bleiben kann, wird da ran erkennbar, dass entsprechende Telekonsile durchaus auch zwischen nahegelegenen Praxen desselben Stadtteiles oder sogar Praxen innerhalb desselben Gebäudes stattfinden. Im Falle eines Behandlerwechsels kann die unrechtmäßige Datenweitergabe evident werden, wenn der zuvor konsiliarisch beigezogene Arzt die Patientendokumentation des ihn neu aufsuchenden Patienten bereits aus dem telemedizinischen Konsil kennt. Ob dieses Legitimationsdefizit gewissermaßen antizipiert dadurch überwunden werden kann, dass im Rahmen der Patientenaufnahme bereits eine generalisierte Einwilligung in zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestimmbare Konsile eingeholt wird, erscheint ebenfalls zweifelhaft.4

Zur Eingrenzung dürfte zumindest erforderlich sein, dass die Facharztrichtung angegeben wird, wenn überhaupt die Benennung des konkreten Arztes entbehrlich sein sollte. Nicht unproblematisch ist auch die Rechtsstellung des um ein Konsil ersuchten Arztes, da ihm in der Regel bekannt ist, dass entsprechende Einwilligungserklärungen nicht vorliegen. Dementsprechend entlastet auch nicht der Hinweis darauf, dass innerhalb einer stationären Einrichtung derartige ärztliche Konsile an der Tagesordnung sind und regelmäßig auch ohne explizite Schweigepflichtentbindungserklärung durchgeführt werden. Der Unterschied beruht allein darauf, dass im Falle einer stationären Versorgung mit dem Krankenhaus ein fachgebietsübergreifender, einheitlich Vertragspartner dem Patienten gegenübersteht, der eine gesamthafte medizinische Versorgung schuldet, nach Maßgabe des Facharztstandards, der in den diversen Abteilungen und Kliniken dieses Krankenhauses zu beachten ist. Im Ergebnis ist die Weitergabe selbst der anonymisierten bildgetragenen Behandlungsdaten für Zwecke des Telekonsils un zulässig.

Auswirkungen der Digitalisierung auf den Behandlungsstandard – Fall 2

Dr. KFO liegt ein von Dr. Implant gefertigtes digitales DVT vor, das er für seine Behandlungsplanung auswerten möchte, obwohl er nicht über einen Fachkundenachweis zur Auswertung von 3-D-Röntgenbildern verfügt. Tatsächlich verkennt er die via falsa bei 17 und die fehlende Erhaltungswürdigkeit. Sofern ein Telekonsil oder eine Teleexpertise datenschutzrechtlich gewährleistet ist, stellt sich die Frage, ob die Beiziehung einer letztlich unbestimmten Anzahl von potenziellen Experten unterschiedlichster Fachrichtungen den zahnärztlich-kieferorthopädisch geschuldeten Behandlungsstandard verändert und insbesondere erhöht. Auch der auf Überweisungen der Hauszahnärzte angewiesene Fachzahnarzt für Kieferorthopädie ist regelmäßig mit allgemeinzahnärztlichen und auch mit allgemeinmedizinischen Fragestellungen befasst. So ist geklärt, dass es kieferorthopädischem Facharztstandard entspricht, dass der Kieferorthopäde i.d.R. vor Einleitung seiner Behandlungsmaßnahmen parodontale Erkrankungen erfasst und therapiert, ähnliches gilt für die endodontologische Versorgung von Zähnen und die konservierende Behandlung. Im Rahmen der Behandlung schwerer Kieferanomalien, die etwa eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordern, kommt die Einbeziehung kieferchirurgischen Sachverstandes in Betracht.

Dabei mag im Einzelnen problematisch sein, in welcher Reihenfolge die einzelnen Fachrichtungen abklärend oder behandelnd tätig werden müssen. Bekanntlich soll die Parodontaltherapie beispielsweise auch parallel zur kieferorthopädischen Behandlung unter Verwendung herausnehmbarer Geräte, etwa von Alignerschienen, möglich sein. Hier kann eine Abstimmung geboten sein zwischen dem überweisenden Hauszahnarzt, dem kieferorthopädisch tätigen Zahnarzt und dem Fachzahnarzt für Parodontologie. Eine Anhebung des geschuldeten Behandlungsstandards liegt beispielsweise dann nahe, wenn es um die Auswertung von 3-DRöntgenbildern geht, bei deren Auswertung es zur Qualitätssicherung in besonderer Weise darauf ankommt, dass der Betrachter den Befähigungsnachweis zur Bewertung von 3-D-Röntgenbildern besitzt. Wenn ein Behandler die Erstellung eines 3-D-Röntgenbefundes veranlasst, wird eine standardgerechte Auswertung nur durch den Inhaber eines entsprechenden Sachkundenachweises erfolgen können, mithin die Online-Übermittlung dorthin erforderlich sein. Die leichte Datenverfügbarkeit spricht dafür, dass die Auswertung eines einmal erstellten DVT dann durch einen entsprechend geschulten Spezialisten im Sinne des Behandlungsstandards geschuldet ist. Es besteht zwar keine Verpflichtung, sogleich auf neue Kommunikationstechnologien und Medizintechnik umzustellen, sofern sie aber vorhanden sind, besteht eine Verpflichtung, sie auch einzusetzen.5 So wurde die standarderhöhende Verpflichtung angenommen – bei entsprechendem Anlass – online verfügbarbare Befundergebnisse vor- oder co-behandelnder Kollegen einzusehen und auszuwerten.6

Ebenso geboten ist u.U. ein rechtzeitiges parodontologisches Telekonsil, wenn durch den Kieferorthopäden eine Beurteilung des Knochenangebotes und der Knochendichte im Hinblick auf den Lockerungsgrad eines Zahnes und die angestrebte Zahnbewegung erfolgt. So geboten die Abklärung von Befund und Therapieoption mit den anderen zahnmedizinischen Disziplinen und Facharztrichtungen in dem Einzelfall auch sein mag, so kommt eine Ausuferung der Abklärungslasten auch im Hinblick auf HNO-Erkrankungen, auf Tumor- oder Hauterkrankungen nicht in Betracht. Auch wenn sich derartige Befunde für das geübte fachärztliche Auge auf einem DVT erkennen lassen, kann die Veranlassung entsprechender diagnostischer oder therapeutischer Maßnahmen von dem Kieferorthopäden nur gefordert werden, wenn sie aus dem eigenen Facharztstandard für ihn zumindest im Sinne eines Verdachtes erkennbar waren.

Grenzüberschreitende Telemedizin – Fall 3

Dr. KFO-BRD bittet seinen in den Niederlanden niedergelassenen Studienkollegen Dr. KFONL bei der Erstellung einer Behandlungsplanung um Hilfe, weil er weiß, dass dieser das vorgesehene Behandlungsgerät schon seit elf Jahren verwendet, er selbst aber erst kürzlich nach einer Fortbildung sich hierzu entschlossen hatte, nachdem er zunächst die Bestätigung dieses Behandlungsansatzes durch die Publikation randomisierter, kontrollierter 10-jährige Doppelblindstudien abgewartet hatte. Das in der Bundesrepublik Deutschland geltende Gesundheitsrecht ist nach wie vor stark durch nationale Besonderheiten geprägt. Dies liegt zum einen daran, dass weite Teile des Gesundheitsrechtes in die Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer fallen und dem Selbstverwaltungsrecht der regionalen Zahnärztekammern unterliegen. Ein ähnliches Bild zeigt sich in den unmittelbar angrenzenden Nachbarstaaten, sodass eine fehlende Koordinierung im Bereich der Normierung und auch beim Verwaltungsvollzug dieser Bestimmungen beklagt wird, insbesondere wenn Sachverhalte mit internationaler Verflechtung zu beurteilen sind.

Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass das internationale Telekonsil zweier Kieferorthopäden sich rechtlich als sehr komplex darstellt: Ein Konsens besteht noch insofern, dass auch der telematisch vorgenommene Meinungsaustausch zweier Ärzte zu einem konkreten Behandlungsfall als Ausübung der „Heilkunde“ im Sinne des §2 Abs. 5 BÄO bzw. im Sinne des §1 Abs. 2 Zahnheilkundegesetzes anzusehen ist, sofern ein für das Konsil typisches Kenntnis- bzw. Spezialisierungsgefälle besteht. Auch die Berufsordnungen der angrenzenden europäischen Staaten kennen insofern ver gleichbare Regelungen, die die Ausübung der Zahnheilkunde unter den Arzt-/Zahnarztvorbehalt stellen. Jedenfalls dann, wenn der Telemediziner diagnostische Unterlagen am Bildschirm auswertet und spezielle Therapieoptionen befürwortet, die nur aufgrund zahnmedizinischen Fachwissens erfolgen können, liegt eine Ausübung der Zahnheilkunde vor. Anders verhält es sich, wenn der Zahnarzt eine bloß zahntechnische und/oder produktbezogene Beratung gewerblicher Zahnlabore in seine kieferorthopädische Planung einbezieht. Die nationale Approbation des Telemediziners ist jedoch dann unzureichend, wenn der Primärarzt in der Bundesrepublik Deutschland niedergelassen ist und auch die Patientenbehandlung hier erfolgt. Zwar ist der im EU-Nachbarland approbierte Zahnarzt zur Berufsausübung auch in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund der EUDienstleistungsfreiheit berechtigt, dies jedoch nur dann, wenn die hierfür im Zahnheilkundegesetz vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind.7 Dazu gehört insbesondere das Vorhalten einer entsprechenden Berufshaftpflichtversicherung und vor allem die vorherige Anzeige der beabsichtigten Ausübung der Zahnheilkunde mit Bezug auf Patienten in der Bundesrepublik Deutschland bei der zuständigen deutschen Verwaltungsbehörde.

Sofern diese Voraussetzungen seitens des Telemediziners nicht erfüllt sind, kann er sich bei der Ausübung der Zahnheilkunde in der Bundesrepublik Deutschland weder auf seine EU-Dienstleistungsfreiheit berufen, noch auf seine im europäischen Nachbarland bestehende zahnärztliche Approbation. In diesem Fall ist er trotz seines zahnmedizinischen Fachwissens und seiner offenbar sogar international gefragten Kompetenz ein „Nicht-Arzt“, sodass seine telemedizinische Tätigkeit als Ausübung der Zahnheilkunde ohne die erforderliche Legitimationsgrundlage zu bewerten ist, was nach nationalem Recht strafbar sein kann. Der Primärarzt auf der anderen Seite, der im Wege der Telemedizin einen „Nicht-Arzt“ in die Behandlung einbezieht, kann dem berufsrechtlichen Vorwurfes ausgesetzt sein, mit „NichtÄrzten“ bei der Behandlung zusammenzuwirken, was ihm gem. §30 Abs. 2 MBO-Ä untersagt ist. Selbst wenn der Patient im Vorfeld eine an sich ausreichende Schweigepflichtentbindungserklärung abgegeben haben sollte, sich dann aber herausstellt, dass der darin genannte Konsiliararzt zur Ausübung der Zahnheilkunde in der Bundesrepublik Deutschland gar nicht berechtigt ist, so wird sich auch diese Schweigepflichtentbindungserklärung als unwirksam erweisen. Sowohl der Primärarzt wie auch der Telemediziner tun also gut daran, vor Behandlungsbeginn sicherzustellen, dass die Überwindung der nationalen Grenzen im Wege des online-Daten- und Meinungsaustausches in rechtlicher Hinsicht auch wirklich abgesichert ist. Hier zeigt sich in besonderem Maße, dass die technische Erleichterung der ärztlichen Kooperation mit kaum erkennbaren juristischen Fallstricken verbunden sein kann.

Die papierlose Karteikarte und die digitalisierte Patientenerklärung – Fall 4

Der Patient bestätigt, seinerzeit vor Behandlungsbeginn auf einem Pad die elektronische Unterschrift geleistet zu haben, ihm sei aber nicht klar gewesen, wofür er diese Unterschrift geleistet habe und sei heute überrascht darüber, dass sich der Namenszug unter einem Textausdruck befinde, der die Überschrift Risikoaufklärung trägt. Weder dieser Text sei auf dem Pad lesbar gewesen, noch habe durch Dr. KFO überhaupt eine Aufklärung stattgefunden. Die Anforderungen an die Dokumentation in der Zahnarztpraxis sind gestiegen. Nicht wirksam dokumentierte Patienteneinwilligungen oder Behandlungsabläufe gelten als nicht erfolgt – quod non est in actis, non est in mundo. Die ärztliche Karteikarte wächst in ihrem Umfang immer weiter an, vielfach wird parallel zu der herkömmlichen körperlichen DIN A5-Karteikarte auch noch eine EDV-gestützte Karteikarte geführt oder ganz auf digitale Dokumentation umgestellt, was zweifellos zulässig ist. Die beweisrechtlichen Angriffe gegen die EDV-gestützte Behandlungsdokumentation und die digitalisierten Röntgenbilder wegen denkbarer Manipulation haben sich in der forensischen Praxis nicht durchgesetzt.

Als Perspektive wird die Patientensignatur auf einem elektronischen Pad diskutiert, wodurch die Unterschrift des Patienten dem dort abgelegten jeweiligen Vordruck zugeordnet und darunter abgespeichert wird. Herstellerfirmen halten das Verfahren für grundsätzlich fälschungssicher und unter allen rechtlichen Gesichtspunkten für geeignet, die papiergetragene und dokumentenechte Patientenunterschrift zu ersetzen.8 Dabei dürfte zwischen den Erklärungen zu differenzieren sein, die in der Zahnarztpraxis und im Klinikalltag verwendet werden: Soweit vertragsrelevante Willenserklärungen des Patienten betroffen sind (Heil- und Kostenplan, Vereinbarung des Ausfallhonorars, Anmeldebogen in der Praxis, Quittungen z.B. für ausgehändigte Behandlungsunterlagen, Ratenzahlungsvereinbarungen) dürfte eine elektronische Signatur in der Praxis risikolos einsetzbar sein. Der Verbraucher kennt das Verfahren aus anderen vertragsrechtlichen Zusammenhängen. Es hat in einer Fülle von gesetzlichen Bestimmungen eine Regelung erfahren, ohne Ausschlusstatbestände für den medizinischen Bereich zu enthalten. Die elektronische Form der Unterschriftsleistung ist der papiergetragenen Unterschrift kraft Gesetzes gleichgestellt, §126 Abs. 3 BGB. Durch das Gesetz über die Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen wurde die EU-Richtlinie 1999/93/EG mit Wirkung zum 22.5.2001 in deutsches Recht umgesetzt. Für die o.g. Gestaltungen besteht nicht einmal ein gesetzliches Schriftformerfordernis. Die hinreichende Identifizierbarkeit des Unterzeichners sei nach Herstellerangaben gewährleistet, insbesondere wenn der Patient eine Schreibunterlage erhält und zu seiner „normalen“ Unterschrift angehalten wird. Auch für den Abschluss der Honorarvereinbarung nach §1 Abs. 2 GOZ oder der Mehrkostenvereinbarung nach §28 Abs. 2 S. 2 SGB V erfüllt die elektronische Signatur das in diesem Zusammenhang vorgesehene Schriftformerfordernis, sodass insoweit Gleichwertigkeit gegeben ist. Hinzuweisen ist freilich auf die Verpflichtung des Behandlers gemäß §1 Abs. 2 Satz 3 GOZ dem Patienten einen Abdruck der Vereinbarung auszuhändigen. Soweit der Patient mit seiner Unterschrift über seine Persönlichkeitsrechte verfügt (Einwilligung in die Datenweitergabe, Schweigepflichtentbindung, Eingriffseinwilligung) kommt von Rechtswegen kein strengerer Maßstab zur Anwendung, insbesondere ist auch insofern nicht einmal Schriftform gesetzlich vorgeschrieben.

Allerdings sollte zur Sicherung der eigenen Beweislage umso eher auf die papiergetragene Unterschrift des Patienten zurückgegriffen werden, je intensiver der zahnärztliche oder kieferchirurgische Eingriff ist, da für den Patienten durch seine bloße Unterschrift auf dem Pad sonst die Bedeutung und Tragweite seiner Erklärung bagatellisiert werden könnte. Andererseits ist zu bedenken, dass die Patientenaufklärung nicht alleine in einer Unterschrift unter einem Aufklärungsbogen bestehen darf, sodass der Behandler unabhängig von der Art der erteilten Unterschrift den Beweis anzutreten hat dafür, dass dem Patienten die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs zuvor durch den Arzt mitgeteilt wurde. Die erteilte Unterschrift ist ohnehin lediglich ein Indiz für eine vollwertige Aufklärung und dies dann unabhängig davon, ob sie auf einem Pad oder auf Papier erfolgte.

Telematische Kontrollbefunde in der passiven Phase – Fall 5

Dr. KFO aus München verzichtet auf die Einbestellung des erwachsenen Patienten und meint, die Verlaufsentwicklung in der Retentionsphase anhand der jeweils patientenseitig übersendeten digitalen Lichtbilder und von Skype-Übertragungen sogar besser beurteilen zu können. Ohnehin halte sich sein Patient zurzeit überwiegend in Asien auf und wünsche schon aus Gründen seines PKV-Tarifes den Abschluss der Behandlung in Deutschland. Die Erhebung von KFOKontrollbefunden stellt auch dann eine Ausübung von Zahnheilkunde dar, wenn keine reaktionspflichtigen Befunde vorliegen. Hier könnte ein Verstoß gegen das Fernbehandlungsverbot in Betracht kommen. Eine Fernbehandlung liegt vor, wenn der Kranke dem Arzt, der die Krankheit erkennen oder behandeln soll, Angaben über die Krankheit insbesondere Symptome oder Befunde übermittelt und dieser, ohne den Kranken gesehen oder die Möglichkeit der Untersuchung gehabt zu haben, entweder die Diagnose stellt und/oder einen Behandlungsvorschlag unterbreitet.9 Spiegelbildlich wird ein Verstoß gegen die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung angenommen, wenn das Fernbehandlungsverbot verletzt ist.10 Ausschlaggebend ist aber, dass nur die „ausschließliche“ Fernbehandlung durch §7 Abs. 3 MBO-Ä verboten ist, die Norm also nicht eingreift, wenn die aktive ärztliche Behandlung abgeschlossen ist und lediglich Teile der Nachkontrolle unter Einsatz moderner Kommunikationstechnologie auf die Distanz erfolgt.

So liegt es hier: Die aktive Behandlungsphase war im unmittelbaren Patientenkontakt ausgeführt worden und bildet den Schwerpunkt der Behandlung. Die Retentionsbehandlung ist demgegenüber bloß befundwahrend und es begegnet berufsrechtlich wohl keinen durchgreifenden Bedenken, wenn ein Qualitätsverlust im Vergleich zur un mittelbaren Behandlung durch einen asiatischen Kieferorthopäden am jeweiligen Aufenthaltsort des Patienten nicht eintritt. Die kieferorthopädische Behandlung ist hier als einheitlicher Behandlungskomplex zu verstehen, der über mehrere Jahre verlaufen kann, in den auch mehrere Behandler unterschiedlicher Fachrichtungen eingebunden sein können. Deshalb spricht nichts dagegen, einzelne untergeordnete Elemente dieser Behandlung unter Einbeziehung moderner Technologien ohne un mittelbaren Arzt-Patienten-Kontakt auszuführen, sofern der Facharztstandard als solcher gewahrt bleibt.

Digitale Planung und analoge Abrechnung – Fall 6

Nachdem sich der Patient P nach Rücksprache mit seiner privaten Krankenversicherung DBK auf der Grundlage des schriftlichen Heil- und Kostenplanes für die Durchführung einer Invisalign®-Behandlung entschieden hat, nimmt der Behandler die Detailplanung mithilfe des ClinCheck®-Programmes vor. P wundert sich darüber, dass die DBK ausgerechnet diese 3-D-Planungen am simulierten Computermodell nicht für erstattungsfähig hält. Die ClinCheck®-Freigabe ist Ausübung der Zahnheilkunde. Sie unterliegt dem Arztvorbehalt und ist dem labortechnischen Herstellungsprozess sowohl fachlich wie auch zeitlich vorgelagert. Erst durch die Freigabe bzw. Genehmigung der animierten Behandlungsplanung am 3-D-Modell kann und darf das Labor umsetzend tätig werden. Die ärztliche ClinCheck®-Bearbeitung ist in der GOZ nicht abgebildet.

Die direkte Abrechnung mit GOZ 6010 (Anwendung von Methoden zur Analyse von Kiefermodellen – dreidimensionale, grafische oder metrische Analysen, Diagramme: 2,3-fach: 23,28€) ist zweifelhaft, da dort von Modellen die Rede ist, die nur als herkömmliche körperliche Modelle verstanden werden können. Ferner handelt es sich bei der Bearbeitung des ClinChecks®kaum um eine analytisch-diagnostische Tätigkeit, sondern vielmehr um Maßnahmen der Therapieplanung. Die analoge Abrechnung über GOÄ 5377 (Zuschlag für eine computergesteuerte Analyse – einschließlich speziell nachfolgender 3-D-Rekonstruktion: 1-fach: 46,63€), war durch Stellungnahmen einzelner Zahnärztekammern abgelehnt worden11, da auch hier vorrangig diagnostische Maßnahmen honoriert werden, wozu der ClinCheck® eben nicht gehört. Dem Gesetzgeber war dieses Verfahren vor der GOZ-Novelle zum 1.1.2012 auch bekannt gewesen, sodass er es hätte regeln können, wenn er eine Honorarpflicht und Abrechenbarkeit diesbezüglich hätte begründen wollen.

Hier geht's zur Literaturliste.

Mehr News aus Recht

ePaper