Recht 21.02.2011

Rückschau 2010 und Vorausschau 2011



Rückschau 2010  und Vorausschau 2011

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Auch in dem Jahr 2010 wurden viele wichtige Entscheidungen, die zahnärztliche Tätigkeit betreffend, getroffen. Diese neuen Vorgaben müssen nun im Jahr 2011 beachtet und konzeptionell umgesetzt werden. Dementsprechend haben wir die für jede Zahnarztpraxis wichtigsten Entscheidungen in folgendem Artikel zusammengefasst. Sie tangieren die Bereiche der Außendarstellung der Praxis, die der Haftungsfragen und der Finanzen.

Im Hinblick auf die Außendarstellung hat der BGH schon Anfang des Jahres mit seinem Urteil vom 18.03.2010 (Az. I ZR 172/08) festgestellt, dass auch im Ausland erworbene Titel auf dem Praxisschild geführt werden dürfen, sofern sie nicht irreführend sind. Die in vorliegendem Fall beklagte Zahnärztin bot in ihrer Praxis kieferorthopädische Leistungen an. Nachdem sie in Österreich durch einen Studiengang den Titel „Master of Science Kieferorthopädie“ erlangte, führte sie diesen im Rahmen ihrer Internetpräsenz. Die Richter am BGH erachten das Führen dieses Titels als zulässig und berufsrechtlich nicht zu beanstanden, da es hierdurch zu keiner Irreführung des angesprochenen Adressatenkreises kommen könne. Sofern aufgrund der Vielfalt der Spezialisierungen im Gesundheitswesen Unklarheiten, Verunsicherungen und Missverständnisse entstehen, könne von den Patienten erwartet werden, dass sie sich über die Bedeutung dieser Bezeichnungen informieren.

Ein paar Monate später hingegen entschied das OVG Berlin-Brandenburg mit seinem Urteil vom 14.07.2010 (Az. OVG 91 HB 1/08) zu Ungunsten der Zahnärzte, in dem es feststellte, dass die Bezeichnung „Zahnklinik“ für eine Praxisgemeinschaft berufswidrig sei, da es hier zu einer Irreführung des an­gesprochenen Adressatenkreises kommen könne. In diesem Urteil setzten sich die Richter mit der Frage ausein­ander, wann eine Zahnarztpraxis den Namen „Zahnarztklinik“ führen darf. Vorliegend bezeichnete sich eine Praxisgemeinschaft, bestehend aus einer Gemeinschaftspraxis und mehreren Einzelpraxen, auf einem sehr großen Praxisschild und dem Branchenfernsprechbuch ‚Gelbe Seiten‘ als „Zahnarztklinik B.“, weswegen sie von der Ärztekammer berufsrechtlich gerügt wurde.

Die Richter sahen darin ebenso wie die Ärztekammer einen berufsrechtswid­rigen Verstoß, da die Bezeichnung als „Klinik“ bei den Patienten einen falschen Eindruck erwecke und sie dadurch in die Irre führe. Denn unter Klinik assoziieren die meisten Verbraucher ein Krankenhaus bzw. eine Einrichtung, in der auch eine stationäre Behandlung stattfindet. Es werde ein „mehr“ an Leistungen suggeriert, was die Entscheidung der Patienten be­einflusse. Entsprechend empfehlen wir, beim Führen dieser Bezeichnung auf die Risiken einer Abmahnung zu achten. Ende des Jahres entschieden die Richter des BGH erneut in einem für den Zahnarztberuf bedeutenden Fall. Der BGH erklärte die Internetplattform „2te-Zahnarztmeinung.de“ in seinem Urteil vom 01.12.2010 (Az. I ZR 55/08) für zulässig.

Dabei handelt es sich um eine Website, auf der Patienten Heil- und Kostenpläne ihres Zahnarztes einstellen können, damit andere Zahnärzte in angemessener Zeit eigene Kostenpläne abgeben können. Dem Patienten werden dann die fünf günstigsten Pläne auf­gezeigt, ohne Namen und Adressen der Zahnärzte. Sofern sich der Patient dann für einen Plan entscheidet, werden ihm die Kontaktdaten des Zahnarztes übermittelt. Kommt anschließend ein Behandlungsvertrag zustande, erhalten die Betreiber (selbst Zahnärzte) der Plattform 20 Prozent der mit dem Patienten vereinbarten Vergütung.

Der BGH begründete seine Auffassung damit, dass diese Internetplattform mit der alltäglichen Situation, dass ein Patient einen zweiten Zahnarzt aufsuche und diesen um einen Heil- und Kostenplan bitte, dieser einen günstigeren erstelle und ein Zahnarztwechsel stattfinde, vergleichbar sei. So etwas sei nicht zu beanstanden und die Inter­netplattform vereinfache dies nur und stelle dem Patienten zusätzlich weitere Informationen bereit. Auch die Entgegennahme von Entgelt sei nicht berufsrechtswidrig, da es hierbei nicht um die verbotene Zuweisung von Patienten gegen Entgelt gehe, sondern das Betreiben der Internetplattform. Damit wird deutlich, dass sich auch das zahnärzt­liche Berufsrecht immer mehr an den neuen Möglichkeiten der Medien orientiert und liberalisiert wird.

Auch in Sachen Haftung sind im Jahr 2010 für die Zukunft wichtige Entscheidungen gefallen. Das OLG Frankfurt am Main erklärte in seinem Urteil vom 22.04.2010 (Az. 22 U 153/08), dass im Falle eines Behandlungsfehlers kein Rückzahlungsanspruch hinsichtlich des Zahnarzthonorars bestehe. Die Richter erläuterten, dass es sich bei dem Behandlungsvertrag um einen Dienstvertrag handele, bei welchem nicht der Erfolg, sondern lediglich das „Tätigwerden“ geschuldet sei. Damit sei der Honoraranspruch nicht abhängig von einer fehlerhaften Behandlung, sodass er auch nicht aufgrund eines Behandlungsfehlers wegfallen könne.

Auch bei der Aufklärung eines Patienten am Telefon ist 2010 eine höchstrichter­liche Entscheidung gefallen. Die BGH-Richter führten in ihrem Urteil vom 15.06.2010 (Az. VI ZR 204/09) aus, dass in einfach gelagerten Fällen der Arzt den Patienten grundsätzlich auch in einem telefonischen Gespräch über die Risiken eines bevorstehenden Eingriffs aufklären könne, wenn der Patient damit einverstanden sei. Im vorliegenden Fall ging es um typische Risiken einer Anästhesie im Zusammenhang mit einem einfachen chirurgischen Eingriff. Um später allerdings nicht in eine Konfliktsituation zu geraten, empfehlen wir dem Zahnarzt, sofern er sich nicht sicher ist, den Patienten immer zu fragen, ob er nicht doch ein persönliches Gespräch bevorzugt, insbesondere wenn er nicht alle Informationen aufnehmen konnte oder diese nicht verstanden hat. Die Antwort auf diese Frage ist dann in der Patientendokumentation zu vermerken.

Im Hinblick auf das Thema Finanzen hat das Bundessozialgericht 2010 ebenfalls grundlegende Entscheidungen getroffen. Von großer Bedeutung für viele Gemeinschaftspraxen ist in 2011 ins­besondere die Entscheidung über Honorarrückforderungen bei Schein­gesellschaften. Mit ihrem Urteil vom 23.06.2010 (Az. B 6 KA/09 R) erklärten die Richter die Aufhebung der Honorarbescheide der KV für rechtmäßig. In dem Urteil wurde eine Praxis beim Zulassungsausschuss als Gemeinschaftspraxis angemeldet und dementsprechend genehmigt. Allerdings handelte es sich bei dieser Praxis um keine „echte“ Gemeinschaftspraxis, da der zweite Arzt lediglich als Angestellter tätig wurde und nicht in „freier Praxis“. Als die KV von dieser „Scheingesellschaft“ erfuhr, hob sie die Honorarbescheide der letzten Jahre auf.

Die BSG-Richter bestätigten in ihrem Urteil die Rechtmäßigkeit dieser Auf­hebung und machten klar, dass die gesetzwidrige Gestaltung der beruflichen Kooperation Honorarrückforderungen rechtfertige. Insbesondere kam es hierbei darauf an, dass der zweite Arzt weder an dem wirtschaftlichen Risiko noch an dem Wert der Praxis beteiligt war, die durch seine Tätigkeit mit geschaffen wurde. Dadurch fehle es ihm auch an der beruflichen und persönlichen Selbstständigkeit. Wichtig bei dieser Entscheidung ist auch, dass die Honorarrückforderung kein Verschulden des Vertragsarztes voraussetzt und entsprechend auf Zahnärzte anzuwenden ist. Diese Entscheidung wird zur Folge haben, dass eine Großzahl von Ge­meinschaftspraxisverträgen abgeändert werden muss, da sie in der Ver­gangenheit häufig ähnlich gestaltet wurden. Insbesondere hat diese Entscheidung auch Auswirkungen auf Probezeitregelungen, die besagen, dass die Beteiligung am wirtschaftlichen Risiko und am Wert der Praxis eben für diese Zeit „suspendiert“ werden. Dies kann nun nicht mehr vereinbart werden.

Darüber hinaus wird auch eine weitere Entscheidung der BSG-Richter eine größere Zahl an Zahnärzten betreffen. Am 13.10.2010 (Az. B 6 KA 40/09 R) urteilten sie, dass die Teilzulassung gemäß § 19a Abs. 2 Ärzte-ZV nicht mit einer Vollzeitbeschäftigung vereinbar sei. Die Richter begründeten ihre Auffassung damit, dass ein regelmäßiges und verlässliches Sprechstundenangebot zu den üblichen Zeiten bei einer Vollzeitbeschäftigung nicht möglich sei. Kläger war vorliegend ein psychologischer Psychotherapeut. Die Entscheidung ist jedoch auf Zahnärzte zu übertragen. Nur einige Wochen später wurden erstmals niedergelassene Ärzte vom AG Ulm am 26.10.2010 (Az. Cs 37 Js 9933/ 07) von einem Gericht wegen Bestechlichkeit verurteilt. Ihnen wurde vorgeworfen, für die bevorzugte Verordnung von Präparaten eines Pharmaherstellers Geld angenommen zu haben. Problematisch war und ist diese Frage seit jeher, da der § 299 StGB nur von An­gestellten oder Beauftragten eines geschäftlichen Betriebes spricht. Das AG Ulm ging davon aus, dass Ärzte Be­auftragte der Krankenkassen seien, da diese in einem dauerhaften Vertragsverhältnis zu den Krankenkassen stünden. Um nun Rechtssicherheit zu schaffen, bedarf es einer höchstrichterlichen Entscheidung, die es nun abzuwarten gilt.

Autoren: Katri Helena Lyck, Angelika Habermehl


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