Recht 22.10.2024
Teil 2 der Serie: Der MVZ GmbH- Geschäftsführer
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Dieser Beitrag ist unter dem Originaltitel „Der MVZ GmbH-Geschäftsführer“ im BDIZ EDI konkret erschienen.
Übernahme der Geschäftsführung
Eine GmbH muss nach § 6 Abs. 1 GmbHG mindestens einen Geschäftsführer haben. Bei iMVZ sind es i. d. R mindestens zwei, ein oder mehrere Geschäftsführer aus dem Kreis der bisherigen Gesellschafter, ein Geschäftsführer, den der Investor stellt.
Typisch für iMVZ ist, dass der vom Investor vorgegebene Geschäftsführer für eine Vielzahl, wenn nicht alle iMVZ des Investors als Geschäftsführer bestellt ist.
Typisch für iMVZ ist auch, dass versucht wird, im Kaufvertrag bisherige Gesellschafter zur Geschäftsführertätigkeit zu verpflichten.
Typisch für iMVZ ist schließlich auch, dass in den Vertragsverhandlungen die Frage, ob es für die Verkäuferseite wirklich klug ist, nicht nur den Ärztlichen Leiter, sondern auch Geschäftsführer zu stellen, nicht angemessen thematisiert wird.
Es herrscht der Glaube vor, wer eine Praxis führen kann, kann auch Geschäftsführer einer GmbH. In einer solchen Überzeugung schwingt schon viel Hoffnung mit, wenn nur die eigene Praxis in eine MVZ-GmbH umgewandelt wird. Immerhin ist man dann noch trotzdem als Gesellschafter der GmbH „Herr/Frau im Haus“.
Bei einem iMVZ handelt es sich weder um die eigene Praxis, noch um die eigene Gesellschaft. Dieses steht vielmehr in Mehrheits- oder Alleinbesitz des Investors. Die Verkäuferseite leitet nach dem Verkauf als Geschäftsführer nicht mehr ihr eigenes Unternehmen, sondern wird Fremdgeschäftsführer. Als Fremdgeschäftsführer ist man der Gesellschafterversammlung verantwortlich. Das ist man als Gesellschafter-Geschäftsführer in der eigenen MVZ-GmbH zwar auch, aber dort kennt man die Spielregeln, beim iMVZ gelten andere.
Eine MVZ-GmbH sollte eine professionelle Geschäftsführung haben. Eine GmbH ist kraft Rechtsform Kaufmann (§ 13 Abs. 3 GmbHG i. V. m. § 6 HGB). Damit gilt für sie sowohl das GmbH-Gesetz als auch das Handelsgesetzbuch (HGB). Deshalb spielt eine GmbH in einer anderen Liga als eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder eine Partnerschaftsgesellschaft. Dessen muss man sich unbedingt bewusst sein. Für den Fremdgeschäftsführer einer GmbH hängt an seiner Performance sehr viel Risiko, wozu auch das Risiko der persönlichen Haftung des Geschäftsführers zählt.
Es gibt – worauf noch einzugehen sein wird – Abkürzungen, um das persönliche Risiko rasch zum Tragen kommen zu lassen. Diese ergeben sich aus den komplexen Rechtspflichten, die ein GmbH-Geschäftsführer zu erfüllen hat. Man muss nicht Jura oder Betriebswirtschaft studiert haben, um mit diesen Pflichten zurechtzu- kommen. Aber man muss lernen, welche Pflichten ein GmbH-Geschäftsführer hat, und lernen, wie man damit umgeht.
Das erfordert Zeit und geht nicht mal so gerade nebenher.
Aus der Sicht von Finanzinvestoren ist zu verstehen, warum diese Wert darauf legen, dass der bisherige Inhaber der Zahnarztpraxis Geschäftsführer der GmbH wird, aber das ist ein zweischneidiges Schwert. Der GmbH-Geschäftsführer ist den Gesellschaftern der GmbH gegenüber verantwortlich. Er kann als solcher ohne Weiteres gezwungen sein, evtl. Missstände der Vergangenheit aufzudecken, als er noch Inhaber der Praxis war, also quasi gegen sich selbst zu ermitteln.
Deshalb rate ich zur Übernahme der Geschäftsführung nur, wenn die Bereitschaft besteht, sich in die Aufgaben des GmbH-Geschäftsführers ernsthaft (!) einzuarbeiten.
D&O-Versicherung
Dem Geschäftsführer einer GmbH obliegt die Leitung des Unternehmens. Er führt die Geschäfte und vertritt die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich (§ 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG). Dabei hat er die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden (§ 43 Abs. 1 GmbHG). Verletzt er vorsätzlich oder fahrlässig diese Obliegenheit, haftet er der Gesellschaft (nicht etwa einzelnen Gesellschaftern) gegenüber für den entstandenen Schaden. Mehrere Geschäftsführer haften der GmbH als Gesamtschuldner (§ 43 Abs. 2 GmbHG).
Die GmbH ist zwar eine Gesellschaft „mit beschränkter Haftung“. Die Haftungsbeschränkung gilt aber nicht für den Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft, sondern nur im Außenverhältnis zu Drittgläubigern. Sie gilt auch nur, wenn keine die Haftung durchbrechenden Vorkommnisse eingetreten sind. Den wichtigsten Durchbrechungstatbestand bilden die Insolvenzstraftaten.
Um diese Risiken für den Geschäftsführer einzugrenzen, ist der Abschluss einer sog. D&O-Versicherung (D&O = Directors and Officers), die auch Rechts- und insbesondere ausreichend hohen Strafrechtsschutz mit einschließt, Pflicht und wird in den Geschäftsführerverträgen auch in der Regel entsprechend hineinverhandelt. Die deckt zwar nicht alle denkbaren Fallgestaltungen ab, aber doch die wichtigsten, so insbesondere bedingt vorsätzlich (mit dolus eventualis) begangene Pflichtverletzungen.
Geschäftsführungsbefugnis
Grundsätzlich ist die Geschäftsführungsbefugnis für gewöhnliche Rechtsgeschäfte umfassend, sie kann aber – und wird in der Regel auch – durch die Satzung der GmbH bzw. durch die Gesellschafterversammlung und die Geschäftsordnung beschränkt werden.
Wenn mehrere Geschäftsführer bestellt sind oder vorgesehen ist, dass mehrere Geschäftsführer bestellt werden sollen, dann ist die Erstellung einer Geschäftsordnung ein Muss. Das gilt auch bei Bestellung von Fremdgeschäftsführern.
Die Geschäftsordnung sollte Regelungen für die Lösung eines Entscheidungskonflikts bei mehreren Geschäftsführen enthalten, weil ansonsten nur die analog heranzuziehende (§§ 709, 711 BGB entsprechende) Regel des § 115 HGB eingreift:
„(1) Steht die Geschäftsführung allen oder mehreren Gesellschaftern zu, so ist jeder von ihnen allein zu handeln berechtigt; widerspricht jedoch ein anderer geschäftsführender Gesellschafter der Vornahme einer Handlung, so muss diese unterbleiben.
(2) Ist im Gesellschaftsvertrag bestimmt, dass die Gesellschafter, denen die Geschäftsführung zusteht, nur zusammen handeln können, so bedarf es für jedes Geschäft der Zustimmung aller geschäftsführenden Gesellschafter, es sei denn, dass Gefahr im Verzug ist.“
Die Aufgaben der Geschäftsführung können zwischen mehreren Geschäftsführern aufgeteilt werden (Geschäftsverteilungsplan). Allerdings entbindet diese Aufgabenverteilung nicht den einzelnen Geschäftsführer von seiner Überwachungspflicht gegenüber seinen Geschäftsführungskollegen. Das ist gerade bei iMVZ eine besondere Schwierigkeit, erhält doch typischerweise jeder Geschäftsführer Alleinvertretungsbefugnis, und dann entscheidet der vom Investor berufene Geschäftsführer etwas, das dem Zahnarzt-Geschäftsführer nicht passt oder nicht passen sollte.
Und dann?
Entsteht daraus der MVZ-GmbH ein Schaden, der durch die erforderliche Intervention des Zahnarzt-Geschäftsführers hätte vermieden werden können, dann haften beide Geschäftsführer.
Vertretungsmacht
Die Vertretungsmacht gegenüber Dritten ist inhaltlich unbeschränkt. Besteht Gesamtvertretung mehrerer Geschäftsführer, steht dem Geschäftsführer, anders als bei der Einzelvertretung, die Vertretungsbefugnis nur zusammen mit anderen zu. Es ist aber auch möglich, bei mehreren Geschäftsführern dennoch jedem Geschäftsführer Einzelvertretungsbefugnis im Außenverhältnis einzuräumen. Im Innenverhältnis muss man auf Absprachen bestehen.
Bestellung des Geschäftsführers
Die Bestellung zum Geschäftsführer erfolgt durch körperschaftlichen Organisationsakt und ist jederzeit widerruflich. Davon unabhängig wird zwischen GmbH und Geschäftsführer ein Dienstvertrag geschlossen. In diesem kann die Haftung des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt werden. Die Beschränkungen des Anstellungsvertrags sind Dritten gegenüber jedoch nicht wirksam. Bei einer Überschreitung macht sich der Geschäftsführer, gegebenenfalls gemeinschaftlich mit seinen Mit-Geschäftsführern, gegenüber der GmbH schadensersatzpflichtig.
Rechte und Pflichten des Geschäftsführers
Der mit der Geschäftsführerstellung verbundene Aufgabenkreis und Pflichtenkanon wird meist unterschätzt. Der Vorteil des GmbH-Geschäftsführers gegenüber dem Vorstand einer Aktiengesellschaft besteht darin, dass das Aktiengesetz dem Vorstand der Aktiengesellschaft viele und das GmbH-Gesetz dem Geschäftsführer einer GmbH relativ wenige Vorgaben macht. Dieser Vorteil ist aber zugleich ein Nachteil. Denn der GmbH-Geschäftsführer kann nicht nur einfach ins Gesetz schauen, um zu wissen, was er machen muss und was er nicht machen darf. Der GmbH-Geschäftsführer muss sich dieses Wissen selbst beibringen/erarbeiten. Er beschäftigt sich sinnvollerweise intensiv mit der Lektüre hilfreicher Handbücher für GmbH-Geschäftsführer und lässt sich steuerlich und rechtlich (im Zweifel intensiv) beraten.
Das ist deshalb so wichtig, weil die Gefahr, in Konflikt mit strafrechtlichen Normen zu kommen, für den Geschäftsführer einer GmbH deutlich größer ist als für den (geschäftsführenden) Gesellschafter einer Personengesellschaft. Dem nominalen Geschäftsführer einer GmbH nützt es auch nichts, wenn er diese Aufgaben anderen überträgt. Seine persönliche strafrechtliche Verantwortung kann er nicht übertragen (BGH, 13.10.2016 – 3 StR 352/16 –).
Der Pflichtenkanon des GmbH-Geschäftsführers erhielt zum 1.1.2021 mit dem Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) gesetzlich fixierte Erweiterungen, die in der Praxis viel Aufmerksamkeit erfordern.
§ 1 Abs. 1 StaRUG verpflichtet die Geschäftsführer, fortlaufend über Entwicklungen, welche den Fortbestand der GmbH gefährden können, zu wachen. Erkennen Geschäftsführer solche Entwicklungen, müssen sie geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen und den zur Überwachung der Geschäftsleitung berufenen Organen (Überwachungsorganen) unverzüglich Bericht erstatten. Berühren die zu ergreifenden Maßnahmen die Zuständigkeiten anderer Organe, müssen die Geschäftsführer unverzüglich auf deren Befassung hinwirken.
Der GmbH-Geschäftsführer kann sich nicht darauf berufen, dass er aufgrund seiner persönlichen Fähigkeiten nicht in der Lage gewesen sei, den Aufgaben eines Geschäftsführers nachzukommen. Wer den Anforderungen an einen gewissenhaften Geschäftsführer nicht entsprechen kann, muss von der Übernahme der Geschäftsführung absehen bzw. – wenn er das erkennt – das Amt niederlegen (BFH, 15.11.2022 – VII R 23/19 –, Rz. 42).
Dem Nachteil steht als Vorteil gegenüber, dass der GmbH-Geschäftsführer der eigentliche Macher in der GmbH ist, jedenfalls dann, wenn er durch Geschäftsführungsvorgaben seitens der Gesellschafter nicht zu sehr eingeengt wird. Diese Vorgaben werden meist in einer Geschäftsordnung niedergelegt, welche die Gesellschafterversammlung erlässt und auch wieder ändern kann. Davon machen nach meiner Kenntnis alle iMVZ Gebrauch.
Rechte und Pflichten des Geschäftsführers ergeben sich einerseits aus Vertrag, andererseits aus Gesetz. Neben den ihm im Anstellungsvertrag zugesagten Leistungen hat er vor allem Anspruch auf eine von den Gesellschaftern weitgehend unbeeinflusste Ausübung seines Amtes.
Zu den gesetzlichen Pflichten des GmbH-Geschäftsführers zählt die ordnungsgemäße Erledigung der Geschäftsführungsaufgaben, darunter:
- die Anmeldung der GmbH beim Handelsregister (§ 7 GmbHG),
- die Einreichung der Gesellschafterliste zum Handelsregister (§ 40 Abs. 1 GmbHG),
- die Sicherstellung der ordnungsgemäßen Buchführung (§ 41 GmbHG),
- die Aufstellung der Bilanzen und Jahresabschlüsse (§ 42 GmbHG),
- die Vorlage des Jahresabschlusses und des Lageberichts (§ 42a GmbHG),
- die Publizierung der Abschlüsse (§§ 325 ff. HGB),
- die Beachtung des Aufgabenkreises der Gesellschafter (§ 46 GmbHG),
- die Gewährung von Auskunfts-und Einsichtsrechten gegenüber den Gesellschaftern (§ 51a GmbHG),
- die Anmeldung und Eintragung der Abänderungen des Gesellschaftervertrages zum Handelsregister (§ 54 GmbHG),
- die Anmeldung und Eintragung eines Beschlusses zur Herabsetzung oder Erhöhung des Stammkapitals zum Handelsregister (§ 58 GmbHG).
Der Geschäftsführer muss darauf achten, dass die Steuerpflichten erfüllt werden. Das umfasst u. a.:
- die jeweils rechtzeitige Abgabe von Steuermeldungen, insbesondere Umsatz- und Lohnsteuervoranmeldungen,
- die Einbehaltung der Lohnsteuer und ihre Abführung an das Finanzamt,
- generell die Zahlung fälliger Steuern.
Das gleiche gilt gegenüber den Einzugsbehörden der gesetzlichen Sozialversicherungen.
Den Geschäftsführer einer GmbH treffen auch alle sonstigen Arbeitgeberpflichten wie z. B.:
- die Einhaltung der Arbeitszeitgesetze,
- Jugendarbeitsschutz, usw.
Bei Insolvenzreife, das heißt bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, muss der Geschäftsführer die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragen (§ 15a Abs. 1 InsO). Damit die darin festgelegte kurze Frist von drei Wochen nicht zum Verhängnis wird, ist die Liquidität der GmbH und ihre Schuldensituation laufend zu beobachten (Controlling). Verstöße gegen diese insolvenzrechtlichen Pflichten werden u. a. in den §§ 283 – 283d StGB geahndet.
Das ist nur ein kleiner Ausschnitt aus dem Pflichtenkanon des GmbH-Geschäftsführers. Er deckt sich weitgehend mit dem Pflichtenkanon eines Praxisinhabers, was insbesondere die Arbeitgeberpflichten betrifft, geht aber in den spezifisch gesellschaftsrechtlichen Pflichten weit darüber hinaus.
Der Beitrag wird fortgesetzt.