Statements 05.05.2014

Europa ernst nehmen



Europa ernst nehmen

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Jürgen Pischel spricht Klartext

Die zahnärztlichen Körperschaften und Verbände aus den europäischen Ländern geben viel Geld aus, um in Brüssel und Straßburg mit Organisationen und Büros repräsentativ vertreten zu sein. Regelmäßig bewegen sich Kohorten von zahnärztlichen Funktionären und Kammerbürokraten der verschiedenen Fachbereiche aus ihren Heimatländern zu „Ausschüssen“ oder „Parlamentariertreffen“ nach Brüssel und Straßburg, um zu tagen, sich abzustimmen. Bislang waren sie auch ziemlich erfolgreich, nicht weil sie groß mit eigenen Initiativen vorangekommen wären, sondern weil sie vieles an Vorhaben, forsch aus der EU-Kommission vorgeschlagen, im parlamentarischen Klein-Klein aus vielen nationalen Interessen heraus verhindern oder auf die lange Bank des Zerredens schieben konnten. Aber EU-Bürokraten kennen dieses Spiel schon und sind beharrlich, unter neuen Headlines alte Vorhaben immer wieder zur Vorlage parlamentarischer Initiativen zu nutzen. Und jedesmal kommen sie ein Stück weiter, schaffen Boden für eine Realisierung.

So gibt es auch im zahnärztlichen Interessensfeld einige Themen, seit Jahren in Diskussion ohne bisher echten Fortschritt, die aber nun, zum x-ten Mal auf dem Tisch liegend, sich immer konkreter auf eine Realisation zubewegen. Die Lage für die zahnärztlichen EU-Interessensvertretungen wird ernster, das merkt man an der zunehmend kritischen Tonlage von Stellungnahmen und deren Intensität. So auch die seitenlang ausgebreiteten Forderungen der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) zur Europawahl in wenigen Tagen. Da merkt man richtig, wo der Hut brennt und man in Berlin längst weiß, dass der Zug fast unaufhaltbar auf die Schiene gesetzt, sich voranbewegt.

Das Kernthema der BZÄK: Erhalt der (durch Zwangsbeiträge der Zahnärzte finanzierten) Selbstverwaltung, sprich der Kammerstatus darf nicht fallen. Natürlich geht es dabei vornehmlich um Postensicherung und Einfluss, aber die Mitstreiter werden auf zahnärztlicher europäischer Verbandsebene immer lustloser, für Kammer-Sonderinteressen weniger Länder zu kämpfen, und so die national bestimmten Argumentationen mit angeblich wichtigen Sonderpositionen immer eindringlicher.

Nicht die unmittelbare berufliche Interessenswahrung steht im Vordergrund der BZÄK-Argumente, sondern die funktionierende Rolle in der dualen Ausbildung der Assistenzkräfte muss herhalten. Die größte Gefahr, dass der Kammer-Status mit Zwangsmitgliedschaft fällt, droht nicht so sehr aus der Unmutssituation unter Heilberuflern, sondern in den Wirtschafts- und Handelskammern, wo ja auch Verfassungsgerichtsverfahren laufen.

Ein anderes Thema ist die Öffnung zur europaweiten Erbringung von Gesundheitsleistungen. Darf in einem EU-Land ein Zahntechniker mit Prothetikerausbildung eine 28er herstellen und eingliedern, soll er es auch in Deutschland können. Gleiches gilt für den Status und den Leistungserbringungsumfang für die akademisierte Bachelor Dentalhygienikerin (DH). Ähnliches wird passieren in der Bachelor-Master-Assimilation der Zahnmedizinstudien in Europa, wie beim freien Zugang zur zahnmedizinischen Versorgung in ganz Europa. Eine sehr eingeschränkte Freiberuflichkeit – oder andersherum gesagt – sehr weitgehende unternehmerisch gewerbliche Organisationsfähigkeit zahnärztlicher Leistungserbringung wird kommen.

Eine Liberalisierung, dass überall in Europa gleiche Rechte und Chancen wahrgenommen werden können, wird sich durchsetzen, schon deshalb, weil es in Wahrheit der kleinste gemeinsame Nenner ist.

Stellen wir uns langsam darauf ein, toi, toi, toi, Ihr J. Pischel

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