Statements 21.02.2011

Parodontale Betreuung nicht „auf Kasse“

Parodontale Betreuung nicht „auf Kasse“

Foto: © BFSP

Statement von Dr. Klaus Höcker, Vorsitzender des Berufsverbandes der Fachzahnärzte und Spezialisten für Parodontologie e.V. (BFSP)

„Glauben Sie, mit diesem Kritze-Kratze Geld verdienen zu können?“, fragte der altgediente Zahnarztveteran den jungen Klinik-Assistenten während der Pause einer Fortbildungsveranstaltung zum Thema „Parodontologie in der täglichen Praxis“. Etwas verwirrt blieb der angehende Parodontologe dem niedergelassenen Kollege eine Antwort schuldig, hatte er bis dahin noch keinen Gedanken an betriebswirtschaftliche Zwänge hinsichtlich der Behandlung entzündlicher Zahnbetterkrankungen verschwendet. Und heute – 25 Jahre später? Immer noch ist es nicht gelungen, die zahnmedizinische Betreuung des parodontal erkrankten Patienten leistungsgerecht in einer Gebührenordnung abzubilden. Die privatzahnärztliche GOZ blieb auf dem Stand von vor mehr als 21 Jahren stehen. Die systematische PAR-Behandlung der gesetzlichen Krankenversicherung spiegelt fachgerecht vielleicht noch die anti-infektiöse Therapie als Einstieg wider. Die notwendige – lebenslange – Nachsorge gibt es „auf Kasse“ ebenso wenig wie regenerative, also zahnerhaltende Maßnahmen. Im Rahmen der privatzahnärztlichen Versorgung ist immer Gebührenakrobatik nötig, um leistungsgerecht honoriert zu werden.

Etwa 333 Millionen Euro und damit 3,2 Prozent der Ausgaben für zahnärztliche Behandlungen zahlten die Primär- und VdAK-Kassen im Jahr 2007 für die Therapie der Parodontalerkrankungen aus. Die kieferorthopädische Regulierung war ihnen im gleichen Zeitraum mehr als 828 Millionen Euro oder 8,2 Prozent ihrer Gesamtausgaben wert. Diese Zahlen stehen in einem krassen Missverhältnis zum Behandlungsbedarf der chronischen Zahnbettentzündungen, wie er eindrucksvoll in der Vierten Deutschen Mundgesundheitsstudie beschrieben worden ist. Und nicht zu verleugnen ist, dass diese Gelder aus einem gedeckelten Budget allein für die aktive Behandlungsphase einer erstmals diagnostizierten oder als Rezidiv bereits zuvor und meist anderen Ortes behandelten Parodontitis ausgegeben worden sind. Die kassenzahnärztlichen Richtlinien filtern bereits einige Fälle aus. Wer aus finanziellen Gründen die notwendige und geforderte Initialtherapie als geforderte Voraussetzung nicht durchführen lassen kann oder will, der bekommt die weitere anti-infektiöse auch seitens der gesetzlichen Krankenversicherung auch nicht als „Sachleistung“ genehmigt.

Der Schlüssel zum langzeitigen Behandlungserfolg liegt nachgewiesenermaßen in der regelmäßigen und lebenslangen Nachsorge. Je nach individuellen Risiken und Schweregrad der Parodontitis müssen die chronisch Kranken mehrmals jährlich parodontal betreut werden. Die Statistik lässt uns wissen, dass eine Sitzung der unterstützenden Parodontaltherapie durchschnittlich etwa 52 Minuten verbraucht: Befundaufnahme – Reevalulierung – Belagsentfernung und die Instrumentierung sowie die Praxislogistik. Nicht einmal die kontinuierliche Befundaufnahme mit grundlegenden Parodontalbefunden sind in den Gegenstandskatalog der GKV aufgenommen worden. Der von Funktionären gern als innovativ gelobte Pardodontale Screening-Index, der alle acht Quartale abgerechnet werden darf, ist in dieser Hinsicht völlig nutz- und wertlos. Mehr als zwölf Millionen Deutsche leiden an einer mittelschweren oder schweren Parodontitis. Diese Zahl dokumentiert einen ungeheuren Behandlungs- und Versorgungsbedarf, der allein durch eine enge Zusammenarbeit zwischen dem zahnärztlichen Generalisierten und dem ausgebildeten Parodontologen zu stemmen sein wird. Lassen Sie es uns anpacken … dann werden wir mit dem „Kritze-Kratze“ auch Geld verdienen können.


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