Digitale Zahnmedizin 22.06.2023

Analog abformen, digital fertigen: Eine Falldarstellung



Analog abformen, digital fertigen: Eine Falldarstellung

Foto: © Dr. Holger Ziebolz

Die dreidimensional exakte Erfassung der intraoralen Situation mittels einer digitalen oder konventionellen Abformung bildet die Basis der zahntechnischen Herstellung einer indirekten Restauration. Trotz zahlreicher Vorteile der digitalen Abformung, wie zum Beispiel Erfassung der Daten in Echtzeit, leichte Wiederholbarkeit, schrittweises Erfassen relevanter Bereiche, keine Abformungsdesinfektion, softwaregestützte Analyseoptionen und schneller Datenversand ans Labor sowie eine platzsparende Archivierung,1 wird die überwiegende Mehrzahl prothetischer Restaurationen derzeit noch auf der Basis analoger Abformungen gefertigt.

Vor diesem Hintergrund sind mögliche Optimierungen bei analogen Abformungen sicherlich auch heute noch von praktischer Relevanz. Insbesondere die irreversiblen, elastischen Abformmaterialien auf Polysiloxanbasis, wozu auch die Aquasil® Ultra+ (Dentsply Sirona) Materialien gehören, sind in den letzten Jahrzehnten weitgehend materialtechnisch optimiert worden.2

Es stellt sich also die Frage, was man bei der analogen Abformung sinnvollerweise noch optimieren kann. In der täglichen praktischen Anwendung fällt auf, dass die marktgängigen Applikationssysteme für Abformmaterialien zwar gute Mischergebnisse liefern, aber die großvolumigen Mischkanülen doch auch zu einem vergleichsweise hohen Materialverlust führen. Ebenso besteht beim Wechsel der Mischkanülen immer das Risko einer Kreuzkontamination von Basis- und Katalysatorpaste, was bei nachfolgenden Anwendungen zu Mischungs- und damit zu Abformfehlern führen kann.

Neues Mischkanülendesign

Genau in diesem Bereich liefert das neue Applikations- und Kartuschensystem für das Polysiloxanmaterial Aquasil Ultra+ einen Beitrag zur Lösung einiger praktisch relevanter Probleme. Vor allem die Einfachheit der Anwendung sowie die effiziente Nutzung des Materials stehen im Fokus. Entscheidend ist das neu entwickelte Design der Mischkanüle: Sie lässt sich mit einem Drehflügel und einem kleinen Ausrichtstift leicht auf der Kartusche anbringen. Dabei wird durch einen entsprechenden Verbindungsmechanismus das Risiko einer Kreuzkontamination zwischen der Basis- und der Katalysatorkomponente reduziert. In Kombination mit der volumenreduzierten Kanüle lässt sich nach Herstellerangaben so der Materialverwurf um bis zu 64 Prozent verringern und die Zahl der Applikationen pro Kartuschen um zehn zusätzliche Anwendungen erhöhen. Die farblich aufeinander abgestimmten Kartuschen und Mischkanülen helfen, die Kartuschen mit der jeweils passenden Kanüle zu verbinden (Abb. 1).

Klinische Studien zeigen perfekte Abformung

Aquasil Ultra+ gehört, wie bereits erwähnt, zur Gruppe der materialtechnisch optimierten Polysiloxanmaterialien.3–6 Insbesondere die Doppelmischtechnik mit einer Kombination aus dünnfließendem Material (Aquasil Ultra+ XLV, Dentsply Sirona) und einem hochviskösen Löffelmaterial (Aquasil Ultra+ Heavy, Dentsply Sirona) ist universell einsetzbar und zeigte in klinischen Studien einen hohen Anteil perfekter Abformungen (96 Prozent).7, 8 Nachfolgend soll der Einsatz dieser langjährig bewährten Materialkombination (Aquasil Ultra+ XLV und Aquasil Ultra+ Heavy) mit dem neuen Applikationssystem in einem hybriden Workflow für die Anfertigung von vier vollkeramischen Frontzahnkronen aufgezeigt werden.

Falldarstellung

Eine 49-jährige Patientin stellte sich mit dem Wunsch nach einer prothetischen Neuversorgung der zentralen und lateralen Frontzähne im Oberkiefer in unserer Praxisklinik vor. Die Patientin wünschte eine farbliche Korrektur mit einer Harmonisierung der Farbgebung der betreffenden Zähne, darüber hinaus eine Wiederherstellung der ursprünglichen Zahnform, die sich aufgrund multipler Füllungsfrakturen in der letzten Zeit nachteilig verändert hatte (Abb. 2).

Sämtliche Zähne zeigten eine positive Reaktion auf die Vitalitätsprüfung und die präprothetische Röntgendiagnostik gab keine Hinweise auf pathologische apikale Befunde. Die Neuversorgung sollte mit teilverblendeten vollkeramischen Kronen aus einem transluzenten Zirkonoxid der fünften Generation erfolgen (Cercon ht ML, Dentsply Sirona). Im Rahmen der präprothetischen Planung erfolgt zunächst die Anfertigung von Situationsmodellen. Diese Modelle wurden dann für die Herstellung eines Wax-ups zur Optimierung der Zahnform und -stellung genutzt. Auf der Basis des Wax-ups wurde ein Formteil für die Herstellung der Provisorien gefertigt. Hierfür wurde eine Tiefziehschiene aus einem flexiblen Material (Erkoflex, Erkodent) genutzt. Darüber hinaus wurde vor Beginn der prothetischen Maßnahmen eine professionelle Zahnreinigung durchgeführt.Für die Präparation der Fronzähne wurden zunächst vestibuläre Tiefmarkierungsrillen mit einer Schnitttiefe von 1 mm angelegt und farblich markiert, sodass ein definierter Substanzabtrag erfolgen konnte (Abb. 3).

Die Präparationsgrenzen wurden als 90 ° Hohlkehlen mit einem vor Kopf runden Zylinder ausgeführt (8881.314.016, Komet Dental). Die Übergänge von den axialen zu den inzisalen Flächen wurden gerundet, um bei der späteren CAD/CAM-gestützten Fertigung eine gute interne Passung der Restaurationen zu ermöglichen (Abb. 4).

Die Abformung erfolgte mit einem Polyvinylsiloxan (Aquasil Ultra+) in der Doppelmischtechnik unter Verwendung eines individuellen Löffels. Damit eine sichere und genaue Darstellung der Präparationsgrenze erfolgen konnte, wurden Retraktionsfäden in der Doppelfadentechnik angewendet. Durch die Kombination aus einem dünnen Unterfaden der Größe 0 und einem dickeren Oberfaden der Größe 1 wird eine hohe laterale Verdrängung der Weichgewebe im Bereich der Präparationsgrenze gewährleistet. Mit dieser Technik wird erreicht, dass das Abformmaterial gut in den Sulkus eingespritzt werden kann und die Präparationsgrenze sicher von Abformmaterial umfasst wird. Dieser Schritt ist essenziell für den Erfolg einer analogen Abformung. Basierend auf den Ergebnissen einer klinischen Studie ist davon auszugehen, dass 15 Prozent der nicht brauchbaren Abformungen auf eine unzureichende Retraktion der Weichgewebe zurückzuführen sind.9 In einer weiteren klinischen Studie konnte gezeigt werden, dass durch die Anwendung der Doppelfadentechnik das Risiko der Notwendigkeit einer Wiederholung der Abformung bei subgingivalen Präparationen signifikant reduziert werden konnte.10 Direkt vor der Applikation des Abformmaterials wird der Oberfaden entfernt und die Applikationskanüle direkt auf der Präparationsgrenze positioniert (Abb. 5).

Basierend auf den Ergebnissen einer weiteren klinischen Studie ist es für ein optimales Abformergebnis empfehlenswert, dass alle präparierten Zähne komplett mit der dünnfließenden Komponente des Abformmaterials (Aquasil Ultra+ XLV) bedeckt werden (Abb. 5).11 Dieses Vorgehen verhindert das Auftreten von Fließfalten im Bereich des Übergangs vom dünnfließenden Material zum hochvisköseren Löffelmaterial (Aquasil Ultra+ Heavy). Ferner sollten alle Kauflächen der nicht präparierten Zähne mit dem dünnfließenden Material aus der Kartusche bedeckt werden (Abb. 6).

Sofern ein bis vier Zähne abgeformt werden sollen, kann der individuelle Löffel gleichzeitig mit der Applikation der dünnfließenden Komponente befüllt werden. So ist gewährleistet, dass der Abformlöffel komplett befüllt ist, wenn auch das Umspritzen der präparierten Zähne mit der dünnfließenden Komponente beendet ist. Für ein optimales Abformergebnis ist die Verwendung eines laborgefertigten individuellen Löffels zweckmäßig. Der individuelle Löffel sollte am Beginn des Abformtermins zunächst einprobiert und falls notwendig noch einmal korrigiert oder angepasst werden. Dann wird der Abformlöffel mit einem geeigneten Adhäsiv beschichtet, das vor der Applikation des Abformmaterials noch trocknen sollte (Zeitraum etwa zwei Minuten). Bei der Befüllung des Löffels ist sicherzustellen, dass die Mischkanüle kontinuierlich im Abformmaterial geführt wird, um Lufteinschlüsse zu verhindern (Abb. 7).

Standardmäßig erfolgt die Befüllung des individuellen Löffels bis circa 1–2 mm unterhalb des Löffelrandes. Bei Oberkieferlöffeln sollte zudem darauf geachtet werden, dass auch eine dünne Materialschicht im Bereich des Gaumens appliziert wird. Dies erhöht den Staudruck und reduziert das Risiko palatinaler Fließfalten.

Nach einer Abbindezeit von fünf Minuten (bei Verwendung der Materialvariante Regular Set) kann die Abformung entnommen und gereinigt werden. Aufgrund der angewendeten Doppelfadentechnik zeigt sich eine komplette Umfassung der zirkulären Präparationsgrenze von 0,5–1 mm. Aufgrund der hohen Reißfestigkeit des verwendeten Materials kommt es auch in dünn auslaufenden Materialbereichen nicht zu Materialabrissen (Abb. 8).

Direkt nach der Entformung der Arbeitsmodelle zeigt sich dann eine allseitig komplett dargestellte Präparationsgrenze. Durch die Erfassung auch apikal gelegener Bereiche des Zahnstumpfes ist eine eindeutige Festlegung der Präparationsgrenze einfach möglich (Abb. 9a und b).

Im nächsten Schritt erfolgten dann das Einscannen der Arbeitsmodelle mit einem Desktopscanner und das Design der vestibulär verblendeten Kronenrestaurationen. Bei der Gestaltung der Gerüste sollte einerseits auf eine ausreichende Unterstützung der späteren Verblendung im inzisalen Bereich geachtet werden, gleichzeitig sollten aber das Design und die Strukturierung der Gerüstoberfläche im Verblendbereich bereits im Sinne eines Dentinkerns erfolgen. Dies ermöglicht eine gleichmäßige Schichtstärke der Verblendung und vereinfacht die Schichtung der Verblendkeramik. Durch die Verwendung einer Zirkonoxidkeramik der fünften Generation kann bereits mit dem Gerüst ein natürlicher Farb- und Transluzenzverlauf erreicht werden (Abb. 10a und b). Die Zementierung der teilverblendeten Zirkonoxidkeramikkronen erfolgte nach einer Konditionierung der Kroneninnenflächen (Sandstrahlprozess, 1–2 bar, 50 µm Aluminiumoxid) mit einem selbstadhäsiven Zement (Calibra® Universal, Dentsply Sirona) (Abb. 11). Nach der Eingliederung mit einem selbstadhäsiven Zement zeigten sich innerhalb der ersten zwei Wochen keine postoperativen Sensitivitäten. Die Patientin war mit dem erzielten ästhetischen und funktionellen Ergebnis der Versorgung sehr zufrieden (Abb. 12).

Schlussfolgerung

Trotz klinisch nachweisbarer Vorteile der digitalen Abformung im Bereich der Versorgung mit Einzelkronen und kleineren Brücken auf natürlichen Zähnen und Implantaten wird derzeit die überwiegende Zahl der prothetischen Restaurationen noch auf der Basis eines hybriden Workflows mit analoger Abformung und nachfolgender Digitalisierung des Arbeitsmodells im zahntechnischen Labor gefertigt. Durch diesen hybriden Workflow ist es möglich, auch bei Anwendung der analogen Abformung zahntechnische Restaurationen aus Materialien wie z. B. Zirkonoxidkeramiken oder Hochleistungspolymeren zu fertigen, die nur mit dem Einsatz der CAD/CAM-Technologie verarbeitet werden können.

Für den klinischen Erfolg einer konventionellen Abformung sind jedoch nicht nur optimierte Materialeigenschaften, sondern auch die einfache und sichere Anwendung ausschlaggebend. Mit dem hier vorgestellten neuen Applikations- und Kartuschensystem können in diesem Bereich einige Fortschritte erzielt werden. So führt das neue Kartuschensystem durch die Verwendung neuer, kürzerer Mischkanülen zu einem geringeren Materialverlust und einer verbesserten Mischungsqualität. Dies hat einen positiven Einfluss auf die Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit. Durch das neu entwickelte Design der Mischkanüle wird zudem das Risiko einer Kreuzkontamination zwischen der Basis- und der Katalysatorkomponente reduziert. Bei allen Vorteilen bleibt das Kartuschensystem weiterhin mit allen marktgängigen Statikmischsystemen kompatibel.

Aufgrund der breiten Anwendung des hybriden Workflows, wie er auch in der vorliegenden Falldarstellung beschrieben wurde, ist eine Verbesserung des Applikationssystems für ein konventionelles Abformmaterial auch heute noch relevant für Praxis und Labor.

Eine Literaturliste steht hier zum Download für Sie bereit.

Dieser Beitrag ist in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis erschienen.

Produkte
Mehr Fachartikel aus Digitale Zahnmedizin

ePaper