Implantologie 07.11.2012
Fast- & Fixed-Therapiekonzept – auch bei Parodontitis profunda
share
In den vergangenen Jahren hat sich das Fast- & Fixed-Therapiekonzept als effiziente Behandlungsalternative zu herkömmlichen Implantationsmethoden bewährt. Besonders bei Patienten, die unter den schweren Folgen einer Parodontitis profunda leiden – nämlich dem kompletten Zahnverlust. So auch im vorliegenden Fall einer 44-jährigen Patientin.
Das Fast- & Fixed-Verfahren hat sich in der Implantologie zu einem effizienten Behandlungskonzept entwickelt. Vor allem, wenn die Implantate bei der Sofortimplantation anguliert eingesetzt werden. Denn so kann auch bei minimalem Knochenangebot implantiert werden. Das erspart Zeit und Kosten, bietet dem Patienten aber gleichzeitig auch eine Behandlungssicherheit. Die Überlebensrate so eingesetzter Implantate beträgt zwischen 93,7 (Malo et al. 2003) und 99,6 Prozent (Degidi et al. 2006). Besonders interessant in diesem Zusammenhang sind Studien, die auch die Langzeithaltbarkeit sofortbelasteter und anguliert eingesetzter Implantate überprüfen. Bei Betrachtung eines Zeitraums von zehn Jahren gelang es beispielsweise herauszufinden, dass Patienten mit reduziertem Knochenangebot durchaus von der angulierten Sofortimplantation profitieren können. Eine Verlustrate von 2,9 Prozent und somit eine Erfolgsrate von 97,1 Prozent waren zu verzeichnen (Rosen/Gynter 2007). Auch im Vergleich zur spätbelasteten Implantation schneidet das Fast- & Fixed-Verfahren sehr gut ab. Bei einer groß angelegten Studie aus dem Jahr 2006 konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Verfahren bezüglich der Einheilungs- und Erfolgsrate festgestellt werden (vgl. Degidi et al. 2006). Bei der Implantation ist allerdings immer darauf zu achten, dass sich eine Primärstabilität herstellen lässt, die durch den guten Sitz der Implantate unterstützt wird und die eine sichere Einheilung und gute Belastbarkeit des Zahnersatzes garantiert. Auch ist es wichtig, dass der Patient selbst die richtigen Voraussetzungen für eine angulierte Sofortimplantation mitbringt: Für die vollständige Versorgung des Kiefers sollte er zahnlos sein (es kann eine Extraktion der Zähne direkt vor Implantationsbeginn erfolgen), der behandelnde Implantologe sollte Erfahrung mit dem Verfahren mitbringen und die präoperative Diagnostik sollte eventuelle Risikofaktoren komplett ausgeschlossen haben. Dazu eignet sich am besten der Einsatz eines digitalen Volumentomografen, da die Bilder präziser sind und es somit ermöglichen, eine genaue Planung bereits vor der Implantation durchführen zu können. Gerade bei Fällen mit geringem Knochenangebot ist dies von entscheidender Bedeutung, um abschätzen zu können, ob eine Implantation trotzdem durchgeführt werden kann. Mit der entsprechenden Planungssoftware kann dann auch virtuell der aktuelle Fall vorbereitet werden – in unserer Klinik nutzen wir dazu beispielsweise coDiagnostiX.
Fallbeispiel
Eine 44-jährige Patientin, die an Parodontitis profunda litt, kam in unsere Zahnklinik mit dem expliziten Wunsch, keine Prothesen eingesetzt zu bekommen. Selbst als Übergangslösung kamen diese für sie nicht infrage. Die Patientin litt unter der starken Beweglichkeit ihrer Zähne. Für sie war eine Nahrungsaufnahme nur noch in weicher Form möglich. Eine klinische Untersuchung der Patientin ergab, dass sie laut Plaque Control Report eine optimale Mundhygiene aufwies. Die letzte professionelle Zahnreinigung lag bereits sechs Monate zurück. Eine erneute PZR wurde nicht durchgeführt, da abzusehen war, dass keine Besserung erreicht werden könnte und dass bei der Extraktion keine Konkremente in den Mundraum eindringen würden. Konkremente waren subgingival und approximal vorhanden, die Patientin konnte sie trotz bestmöglicher Zahnhygiene nicht erreichen, da sie für den Einsatz von Zahnbürste und Zahnseide zu tief lagen. Der Beweglichkeitsgrad ihrer Zähne lag bei 2 bis 3, vorwiegend 3. Ein Knochenabbau hatte gleichmäßig im Ober- und Unterkiefer stattgefunden (Abb. 1). Mit dem digitalen Volumentomografen wurde eine weitere diagnostische Untersuchung vorgenommen. Der DVT ermöglicht eine präzise Darstellung des Platzangebotes, der Nervenverläufe und der Kieferhöhlentopografie. So konnte auch gesehen werden, dass die noch vorhandenen Zähne der Patientin nicht erhalten werden konnten (Abb. 2). Mithilfe der coDiagnostiX-Software wurde eine detaillierte Planung für die Implantatpositionierung und den notwendigen Sinuslift des rechten Oberkiefers durchgeführt. Durch die dreidimensionalen Bilder und die präzisen Daten, die sich aus der Voruntersuchung durch den digitalen Volumentomografen ergeben, kann diese Planung mit höchster Präzision erfolgen (Abb. 3). Während der Operation wurden die bisherigen diagnostischen Befunde bestätigt: Eine natürliche Befestigung der Zähne war weder im Ober- noch im Unterkiefer weiter gewährleistet. Es folgte die Extraktion der Zähne. Nachdem die Zähne im Oberkiefer extrahiert waren, wurden vier Implantate mit einem Winkel von 17 Grad eingesetzt – Regio 14, 12, 22, 24. In der Regio 26 wurde ein Implantat im Winkel von 35 Grad inseriert. Danach begannen wir mit einem Sinuslift im rechten Oberkiefer. Über ein Fenster in der fazialen Knochenwand wurde die Schneidersche Membran vom Sinusboden, den mesialen und distalen Kieferhöhlenwänden gelöst und angehoben. In dem so geschaffenen Hohlraum wurde die Möglichkeit zur Verankerung enossaler Implantate generiert, indem die Kieferhöhlenareale mit dem Knochenaufbaumaterial Allograft der Firma Zimmer Dental aufgefüllt wurden. Das Implantat in der betreffenden Regio 16 wurde mit einem Winkel von 35 Grad inseriert und bikortikal befestigt. Die Stabilisierung des Biomaterials Allograft fand über das Einbringen einer Bio-Gide Membran der Firma Geistlich statt (Abb. 4). Im Unterkiefer wurden nach der Extraktion und einer folgenden Glättung des Kieferkamms Implantate in Regio 35, 45 (im Winkel von 35 Grad) und in Regio 32, 42 (im Winkel von 0 Grad) eingesetzt. Alle Implantate – sowohl im Ober- als auch im Unterkiefer – wurden mit abgewinkelten Abutments und Prothetikkappen versorgt (Abb. 5 und 6).
Vor der Operation waren bereits Gipsmodelle einartikuliert worden. Darüber bereitete das zahntechnische Labor Bissschablonen mit gleichzeitiger Aufstellung der Kunststoffzähne für den Ober- und den Unterkiefer vor. Nach der Operation konnte so statt der herkömmlichen Methode einer groben Bissnahme mit Silikonmasse und einem individuellen Löffel eine effektivere und innovative Methode angewandt werden. Die Prothetikkappen wurden direkt nach dem Weichgewebsverschluss eingeschraubt und die angefertigte Bissschablone mit den Zähnen fixiert. Die Vorteile der Methode ist, dass die Basis der Bissschablone als individueller Löffel benutzt wird, um die Zahnfleischposition für den Zahntechniker festzuhalten. Das ist für die Darstellung der Brückenbasis sehr wichtig. Anhand der Kunststoffzähne können Kieferrelation, Bisshöhe, Kau-, Zentral- und Lachlinien, Form und Länge der Zähne bestimmt und für die Anfertigung des Zahnersatzes dokumentiert werden. Durch die Anwendung dieser Methode kann das Labor sofort nach Einsatz der Implantate mit der Fertigung eines Langzeitprovisoriums beginnen. Das führt gleichzeitig auch zu einer enormen Zeitersparnis für Arzt und Zahntechniker. Für den Patienten bringt das vor allem einen Vorteil: zusätzliche Sicherheit. Denn – in unserem Fall – konnte die Patientin anhand der Bissschablone sehen, wie ihre zukünftige Prothetik aussehen würde und fühlte sich gleich sicherer (Abb. 7 und 8).
Fazit
Das Fast- & Fixed-Therapiekonzept stellt eine interessante Neuentwicklung dar, die sich innerhalb der letzten Jahre in der Versorgung von zahnlosen Kiefern etabliert hat. Das Verfahren ermöglicht eine festsitzende und biomechanisch optimal abgestützte Versorgung innerhalb von 24 Stunden nach der Operation. Im vorliegenden Fall war das für die Patientin von großer Bedeutung, da sie vollständig auf prothetischen Zahnersatz verzichten wollte und stattdessen eine feste Versorgung wünschte. Die Versorgung am nächsten Tag war auch dadurch möglich, dass der Kiefer der Patientin zur Zeit des Eingriffes nicht akut entzündet war. Die Kieferknochen waren intakt und hatten eine gute Qualität aufzuweisen, sodass eine ausreichende Primärstabilität gewährleistet werden konnte. Interessant wurde das Fast- & Fixed-Verfahren in diesem Fall auch, weil die Patientin nur noch begrenztes Knochenangebot aufwies, sodass nur ein anguliertes Einsetzen der Implantate zum gewünschten Erfolg führen konnte. Eine zusätzliche Unterstützung durch den Einsatz von Knochenersatzmaterial war im rechten Oberkiefer nötig. Zusätzliche Zeitersparnis kann der Behandler durch eine Bissnahme über vor der Operation gefertigte Bissschablonen erreichen. Sie sind bereits den individuellen Gegebenheiten des Patienten angepasst und dadurch ideal dazu geeignet, dem Zahntechniker eine effektive und rapide Arbeit zu ermöglichen.
Die Literaturliste finden Sie hier.