Implantologie 06.12.2021

Sofortimplantation im Molarenbereich



Sofortimplantation im Molarenbereich

Foto: Dr. Fabienne Oberhansl M.Sc.

Während das Thema der Sofortimplantation im Frontzahnbereich sehr häufig anhand von klinischen Fällen dargestellt wird, widmet sich dieser Beitrag dem Therapieprotokoll im Molarenbereich. Bei einem entsprechenden Vorgehen sind sehr gute klinische Langzeitresultate mit einer deutlich verkürzten Behandlungsdauer möglich. Basis für den Erfolg zur klinischen Eignung und der Erfahrung des implantologischen Behandlungsteams ist zusätzlich das entsprechende Implantatsystem. Die Autorin stellt anhand zweier Patientenfälle ein mögliches Vorgehen im Molarenbereich vor.

In den vergangenen beiden Jahrzehnten hat sich das Therapieprotokoll der Sofortimplantation im klinischen Arbeitsalltag zunehmend etabliert. Gründe hierfür sind die verkürzte Therapiedauer und die nachgewiesen guten klinischen Erfolgsdaten.4–6 Die Wahrscheinlichkeit der Osseointegration und der Überlebensraten von Sofortimplantaten und Spätimplantaten unterscheiden sich heute nicht mehr wesentlich. Mit dem Konzept der Sofortimplantation1 können implantologisch tätige Zahnärztinnen und Zahnärzte ihren Patienten mit vergleichsweise geringem Aufwand den Ersatz eines Zahns ermöglichen. Weniger operative Eingriffe und eine kürzere Behandlungszeit bis zur definitiven prothetischen Restauration sind zwei der relevantesten Fürsprecher. Häufig wird die Sofortimplantation im Frontzahnbereich bzw. in der ästhetisch sichtbaren Zone zum Ersatz ein- oder zweiwurzeliger Zähne angewendet.7 Die Sofortimplantation zum Ersatz mehrwurzeliger Zähne im Molarenbereich ist ein noch relativ junges Konzept.2, 7, 8 Aufgrund der Ausrichtung des Implantats im Extraktionsdefekt und der Wurzelanatomie im Molarenbereich ist das Vorgehen komplex.

Anhand von zwei Patientenfällen wird nachfolgend ein mögliches Vorgehen aufgezeigt. In beiden Situationen wurde ein für Sofortimplantationen optimiertes Implantatsystem (Astra Tech Implant EV, Dentsply Sirona) verwendet. Eine Besonderheit des hier verwendeten Systems liegt im apikalen Anteil des Implantatkörpers. Durch die Vertiefung der Gewindegänge und die damit verbundene apikale Verjüngung verbessern sich die Selbstschneideeigenschaften. So wird das Inserieren des Implantats in eine frische Extraktionsalveole vereinfacht. Im basalen, residualen Knochen wird eine höhere Primärstabilität forciert, die sonst durch einen fehlenden Kontakt zu den Wänden der Extraktionsalveole nur schwer zu erzielen ist. Die modifizierte apikale Gewindegeometrie erleichtert es zudem, die Richtung des Implantats während der Implantation in gewünschter Orientierung zu halten.

Herausforderung einer Sofortimplantation im Molarenbereich

Erschwert ist die Sofortimplantation im Molarenbereich insbesondere durch die Anatomie und die Anzahl der Wurzeln sowie die Herausforderung einer zentralen Ausrichtung des Implantats. Zudem können die Lokalisation und Ausdehnung der Kieferhöhle im Oberkiefer und des Nervus mandibularis im Unterkiefer sowie die höheren Kaukräfte im okklusalen Bereich die Indikation der Sofortimplantation beeinträchtigen. Das Implantat wird in die frische Extraktionsalveole inseriert. Eine zentrale Insertion des Implantats ist einer Insertion in eine der Alveolen des mehrwurzeligen Zahnes zu bevorzugen.3 Bei einem entsprechenden Implantatdesign – selbstschneidende, knochenverdichtende Eigenschaften – lässt sich die Primärstabilität in der Extraktionsalveole forcieren. Es gibt Implantatdesigns, die extra für solche Situationen entwickelt bzw. optimiert worden sind. Beim hier verwendeten Implantat erleichtern die Verjüngung des apikalen Anteils und die tieferen Gewindeeinschnitte das Setzen des Implantats in der Extraktionsalveole sowie im unterpräparierten Knochen. Im basalen, residualen Knochen wird eine bessere Primärstabilität erreicht, die sonst durch einen fehlenden Kontakt zu den Wänden der Extraktionsalveole nur schwer zu erzielen ist.

Patientenfall 1

Ausgangssituation

Ein 40-jähriger Patient konsultierte unsere Zahnarztpraxis im Jahr 2019 mit einer massiven Zerstörung der Zahnhartsubstanz im Ober- und Unterkiefer (Abb. 1). Als Grund gab er den exzessiven Konsum von Energydrinks in der Vergangenheit an. Nach einer umfassenden Diagnostik und Planung erfolgten die Rekonstruktion der vertikalen Kieferrelation, endodontische Behandlungen an beherdeten Zähnen, unvermeidbare Extraktionen sowie die Sofortimplantation und Sofortversorgung der Zähne 16, 15, 23 und 26, 34, 35. Anfang 2020 folgte die definitive prothetische Versorgung (Abb. 2–4). Etwa ein Jahr später stellte sich der Patient erneut in der Praxis vor. Der vom Hauszahnarzt im Jahr 2019 als erhaltungswürdig eingestufte wurzelbehandelte und prothetisch neu versorgte Zahn 27 war frakturiert (Abb. 5). Ein Zahnerhalt war unmöglich. Daher fiel die Entscheidung für die Extraktion von Zahn 27. Der Patient wünschte ausdrücklich den implantatprothetischen Lückenschluss. Eine Freiendlücke als Alternative kam für ihn nicht in Betracht.

Planung

Um die Behandlungsdauer so kurz wie möglich zu halten und dem Patienten mehrere Eingriffe zu ersparen, fiel die Entscheidung auf eine Sofortimplantation. Vorteil ist unter anderem, dass einer starken Knochenresorption und einem umfangreichen Weichgeweberückgang im Bereich der Extraktionsalveole vorgebeugt werden kann. Zudem ist das chirurgische Trauma bei einem lappenfreien Eingriff geringer. Voraussetzungen für eine Sofortimplantation sind eine entzündungsfreie Extraktionsalveole sowie ausreichend Knochen im apikalen Bereich, um das Implantat primärstabil verankern zu können. Bei Patienten mit akutem Entzündungsgeschehen kann drei Tage vor dem Eingriff mit einer Antibiose begonnen werden, um die Entzündung in eine subakute Phase zu bringen.

Sofortimplantation

Zahn 27 konnte im lappenfreien Vorgehen extrahiert werden. Nach dem Entfernen des Granulationsgewebes wurde eine intakte knöcherne Alveole taxiert. Der Aufbereitung, entsprechend des Implantatprotokolls, schloss sich die zentral orientierte Platzierung des Implantats in die frische Extraktionsalveole an. Da die Restknochenhöhe etwa 6 mm betrug, wurde ein interner Sinuslift vorgenommen, um eine Implantatlänge von 9 mm zu gewährleisten. Das Implantat (Astra Tech Implant EV Profile 4.8 PC 9 mm) konnte problemlos in den vorbereiteten Bohrstollen inseriert werden. Die Primärstabilität betrug etwa 20 Ncm. Bei Sofortimplantaten hat es sich bewährt, die Aufbereitung nur bis zum vorletzten Drill vorzunehmen. So kann ausreichend Primärstabilität erzielt werden, auch wenn gegebenenfalls im apikalen Bereich nur drei Millimeter Hartgewebe für die Verankerung des Implantats zur Verfügung stehen. Der periimplantäre Defekt wurde mit Eigenknochen aus dem Kieferwinkel im dritten Quadranten gefüllt und anschließend ein breites, flaches HealingAbutment (Ø 6,5 x 3,5) eingeschraubt (Abb. 6). Ein abschließendes Röntgenbild (OPG) diente der Kontrolle von Achsneigung und Positionierung des Implantats (Abb. 7).

Nachsorge

Der Patient wurde darauf hingewiesen, die nächsten acht Wochen ausschließlich auf der gegenüberliegenden Seite zu kauen. Als Nachsorge bekam er Ibuprofen 600 mg (Einnahme bei Bedarf) sowie zur Vermeidung einer bakteriellen Infektion Amoxiclav (Einnahme für eine Woche) verschrieben. Nach der Nahtentfernung stellte sich der Patient monatlich zur Kontrolle vor. Die Heilung verlief komplikationslos, was das Kontrollröntgenbild drei Monate post OP bestätigte. Die definitive implantatprothetische Versorgung erfolgte beim Hauszahnarzt (Abb. 8–10). Bei einer Abschlusskontrolle in unserer Praxis wurde ein OPG angefertigt, um den Zustand der anderen Zähne und Implantate zu beurteilen. Dies ist unsere „Baseline“ für das zukünftige Monitoring (Abb. 11). Der Patient konsultiert weiterhin regelmäßig zur Prophylaxe und Vorsorge seinen Hauszahnarzt und kommt einmal jährlich in unsere Praxis zur Implantatkontrolle.

Patientenfall 2

Ausgangssituation

Ein 50-jähriger Patient hatte seit mehreren Jahren Schaltlücken im Molarenbereich. Es fehlten die Zähne 25, 26 und 36. Bislang kam er nach eigener Aussage mit der Situation gut zurecht. Er kaute jedoch ausschließlich rechts. Dann frakturierte Zahn 17, als er auf ein Brötchen biss. Seither war der Patient in seiner Kaufähigkeit stark eingeschränkt. Zudem klagte er über Schmerzen an 17. Das Röntgenbild (OPG) zeigte eine tiefe horizontale Fraktur von Zahn 17 (Abb. 12–14). Der Versuch eines Zahnerhalts musste als wenig Erfolg versprechend beurteilt werden.

Planung

Die Entscheidung fiel für die Extraktion des Zahns 17 und die sofortige Insertion eines Implantats mit internem Sinuslift. Zudem sollten die Schaltlücken Regio 25/26 sowie Regio 36 implantatprothetisch versorgt werden. Im zweiten Quadranten schien ein externer Sinuslift unumgänglich. Zudem war auf dem Röntgenbild eine etwa kirschgroße Verschattung in der Nasennebenhöhle links sichtbar, die intraoperativ entfernt werden sollte.

Implantation

Auch bei diesem Patienten erfolgte die Extraktion des Zahns ohne das Aufklappen des Kieferkamms auf sehr schonendem Weg. Nach der Entfernung des Zahns wurde das Granulationsgewebe entfernt und die Alveole für eine zentrale Insertion des Implantats vorbereitet. Da die Restknochenhöhe etwa 10 mm betrug (Abb. 15), wurde ein kleiner interner Sinuslift vorgenommen, um so eine Implantatlänge von 11 mm nutzen zu können. Das Implantat (Astra Tech Implant EV 4.8 C 11 mm) ist in den vorbereiteten Bohrstollen inseriert worden (Abb. 16 und 17). Die Primärstabilität betrug etwa 25 Ncm. Der periimplantäre Defekt wurde mit Eigenknochen (Kieferwinkel des dritten Quadranten) gefüllt und ein breites, flaches Healing-Abutment (Ø 6,5 x 3,5) eingeschraubt. Entsprechend der Planung ist im zweiten Quadranten das Fenster für einen externen Sinuslift angelegt worden. Die im Röntgenbild sichtbare Verschattung stellte sich als mit klarem Sekret gefüllte Blase dar. Diese wurde vorsichtig punktiert und mit einem Mikrosauger das Sekret abgesaugt. Anschließend konnte die Schneider‘sche Membran, die abgesehen von der bewusst punktierten Stelle intakt war, angehoben werden. Nach dem Vorbereiten der Implantatbetten Regio 25 und 26 wurden die beiden Implantate (Astra Tech Implant EV 4.2 C 9 mm, Astra Tech Implant EV 4.8 C 9 mm) inseriert und mit den entsprechenden Cover Screws zur geschlossenen Einheilung abgedeckt (Abb. 18). Der Rest der angehobenen Membran wurde mit Eigenknochen aufgefüllt und das Fenster, das zum Sinus angelegt war, reponiert sowie nach einer Periostschlitzung spannungsfrei vernäht (Abb. 19). Im Unterkiefer wurde Regio 36 aufgeklappt und freigelegt. Nach der Aufbereitung konnte das Implantat (Astra Tech Implant EV 4.2 C 11 mm) inseriert (Abb. 20) und mit einem Healing-Abutment verschlossen werden. Es folgte eine transgingivale Einheilung.

Nachsorge und prothetische Restauration

Nach dem Eingriff wurden dem Patienten Ibuprofen 600 mg (Einnahme bei Bedarf) sowie zur Vermeidung einer bakteriellen Infektion Amoxiclav (Einnahme für eine Woche) verschrieben. Er stellte sich nach der Nahtentfernung monatlich zur Kontrolle vor; die Heilung verlief komplikationslos. Drei Monate später wurde ein OPG angefertigt und die Situation als stabil beurteilt. Es folgte die Freilegung der Implantate 25 und 26. Etwa zwei Wochen später konnte die Situation für das Herstellen der definitiven prothetischen Versorgung abgeformt werden. Im Dentallabor wurden vollkeramische Restaurationen angefertigt und diese nach einer Einprobe definitiv eingegliedert (Abb. 21 und 22). Ein erneutes OPG gilt als „Baseline“ für das zukünftige Monitoring (Abb. 23). Der Patient ist weiterhin regelmäßig zur Prophylaxe und Vorsorge in unserer Praxis.

Zusammenfassung

Die Sofortimplantation bietet bei entsprechender klinischer Voraussetzung eine sichere Alternative zur konventionellen implantologischen Therapie. Das Verfahren ist wissenschaftlich gut dokumentiert. Behandlungsaufwand und Behandlungszeit können vielfach deutlich reduziert werden; auch – wie in den Fallbeispielen dargestellt – im oberen Molarenbereich. Allerdings stellt die Sofortimplantation in dieser Kieferregion ein eigenes Kapitel dar. Die Wurzelmorphologie und die Form der knöchernen Alveole sind ebenso zu beachten wie das supraapikale Knochenangebot und die nahegelegene Kieferhöhle. Voraussetzung ist unter anderem ein entsprechendes Implantatsystem. Beim Astra Tech Implant EV ist das Gewindedesign im apikalen Bereich leicht adaptiert worden. Werden die Voraussetzungen für die Sofortimplantation beachtet, die anatomischen Gegebenheiten analysiert und wird das richtige Implantatsystem gewählt, ist sie eine zuverlässige und vorhersagbare Technik mit genannten Vorteilen. Die Verjüngung und die tieferen Gewindeeinschnitte forcieren eine bessere Primärstabilität als Grundlage für die sichere Sofortimplantation.

Literaturliste

Dieser Beitrag ist im Implantologie Journal erschienen.

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