Laserzahnmedizin 18.02.2013

Duty Cycle: Akademischer Begriff oder von klinischer Relevanz?



Duty Cycle: Akademischer Begriff oder von klinischer Relevanz?

Während der Begriff Duty Cycle das Verhältnis von Pulsdauer zu Pulsperiode beschreibt, ist er jenseits der physikalischen Terminologie auch ein Konzept, das bei der laserunterstützten dentalen Therapie immer mehr Einsatz findet. Im folgenden Artikel werden drei verschiedene Wellenlängen beschrieben, die mit drei klinischen Effekten und Duty Cycles korrespondieren.

Der Duty Cycle ist das Verhältnis von Pulsdauer zu Pulsperiode (Abb. 1). Eine Pulsperiode ist zeitlich die Summe von Pulsdauer und Pulspause und wird im gepulsten System als 1/Frequenz definiert. Der Duty Cycle wird durch Pulsdauer und Frequenz beeinflusst, indem Verlängern/Verkürzen der Pulsdauer und Erhöhen/Vertiefen der Frequenz den Duty Cycle vergrößern/verkleinern. Eine Verkleinerung des Duty Cycle bedeutet relativ immer auch geringere thermische Nebeneffekte und vice versa. Dabei ist dem Laseranwender vermutlich kaum bewusst, dass der Duty Cycle bei Arbeiten im ­Dauerstrichbetrieb oder cw-Modus (Continuous-Wave-Modus) das Maximum von 1 oder 100% erreicht, die ­Pulsdauer also einer Pulsperiode entspricht.

Duty Cycle 1: Diodenlaser 810 nm

Klinischer Effekt: Koagulation ohne ­Weichgewebeabtrag

Ein maximaler Duty Cycle von 1 oder 100% entspricht im Laserbetrieb einem cw-Modus. Je kleiner der Faserdurchmesser am Austrittsende des Laserstrahls ist, desto höher wird die Leistungsdichte oder Intensität (W/cm2). Anderseits nimmt der Divergenzwinkel des Laserstrahls proportional mit Verkleinerung des Strahlradius zu. Daraus resultiert, dass die für eine Koagulation erwünschte nötige Hitze hohe Intensitäten im Kontaktmodus der Faser zum Gewebe voraussetzt. Damit das um ein blutendes Gefäß circumferente Gewebe thermisch nicht geschädigt wird, muss zeitlich mit kürzestmöglichen Lasingeinsätzen oder mit kleinstmöglichen Dosen (J/cm2) gearbeitet werden. Der klinische Effekt muss bei diesen Wellenlängen im nahen Infrarotbereich im Weichgewebe sofort ersichtlich sein, um hohe Penetrationstiefen der Laserenergie aufgrund der optischen Eigenschaft des Gewebes zu vermeiden. An einem klinischen Beispiel sollen die physikalischen Vorlagen einfach erklärt werden:

Abdrucknahme nach Kronenpräparation

Normalerweise blutet das Zahnfleisch nach subgingivaler Kronenpräparation trotz Stopfen von Retraktions­fäden dort, wo es infolge mangelnder Mundhygiene im Interdentalbereich entzündet ist. Und anderseits kann es im oralen Bereich während der Präparation wegen schlechter Sicht leicht verletzt werden. Vor der Abdrucknahme muss dieses Zahnfleisch ohne weiteren Weichgewebeverlust zur Koagulation gebracht werden. Die Technik ist einfach und setzt folgende Lasersettings voraus:
– hohe Leistungsdichte (kleiner Faserdurchmesser von 200 bis max. 400µm)
– Duty Cycle 1 (cw-Modus)
– Arbeiten im Kontaktmodus der Faser zum Weichgewebe
– zeitlich kurzer Lasingeinsatz von 1 bis max. 3 Sekunden (kleine Dosis)
– tiefe Leistung von 1 bis max. 2W

Koagulationstechnik

Da das Blut auch nur an wenigen Stellen verletzten Zahnfleisches sofort den ganzen Zahnfleischsulkus füllt (Abb. 2a), sollte die Dentalassistentin den Sulcus gin­givae mit der Dreiwegspritze ausspülen (nicht aussprayen!), um die Blutungspunkte ausfindig zu machen. Dann wird der Zahnarzt diesen Blutpunkt nach obigem Setting zur Koagulation bringen.
Gelingt eine Koagulation eines blutenden Gefäßes, entsteht sofort ein kleiner schwarzer Koagulationspunkt (Abb. 2b). Nach Koagulation werden die Retraktionsfäden gelegt und Abdruck genommen (Abb. 2c). Gelingt beim ersten Anlauf die Koagulation nicht, kann entweder eine Faser mit kleinerem Durchmesser eingesetzt werden, um die Leistungsdichte  (Intensität) zu erhöhen, oder bei gleichem Faserdurchmesser die Leistung bis zu einem maximalen Wert von 2 Watt erhöht oder der Lasingeinsatz bis maximal 3 Sek. verlängert werden, aber immer unter vollem Kontakt der Faser zum blutenden Gefäß. Falls aber Lasingzeit und Leistung gleichzeitig erhöht werden, ohne den klinischen Effekt der Koagulation erreicht zu haben, können aufgrund zu hoher Energiemengen (E = Leistung x Zeit) thermische Schäden im umliegenden Gewebe des blutenden Gefäßes entstehen. Und da solche Arbeiten unter Anästhesie durchgeführt werden, fehlt das so wichtige schmerzreflektorische Feedback des Patienten. Die Energie wird nämlich immer absorbiert, wenn auch vielleicht nicht dort, wo sie erwünscht wäre: im blutenden Gefäß.



Duty Cycle im einstelligen Prozentbereich: CO2-Laser 10.600nm

Klinischer Effekt: Koagulation mit ­Weichgewebeabtrag

Der CO2-Laser 10.600nm ist die ideale Wellenlänge, Weichgewebe blutungsarm oder blutungsfrei zu modellieren oder abzutragen. Dank einem hohen Absorptionskoeffizienten im Wasser von 103/cm ist die Penetrationstiefe der Laserenergie gering und der Lasereffekt ist immer sofort ersichtlich. Mit Pulsdauern im Mikro­sekundenbereich kann mit hohen Frequenzen effizient und mit kleinen Duty Cycles im einstelligen Prozentbereich schmerzarm gearbeitet werden. Gingivektomien oder Entfernung von Gingivahyperplasien im Bereich der Attached gingiva können deshalb meist ohne Anästhesien durchgeführt werden. Vorsicht mit dem CO2-Laser 10.600nm ist aufgrund der hohen Absorptionskonstanten von 104/cm im Hydroxyl­apatit und dessen Ablationsmechanismus (explosive Verdampfung) immer bei Entfernung von Weichgewebe in den Randzonen zum Knochen (Periimplantitis, Ligamententfernungen etc.) oder am vitalen Zahn geboten.

Klinische Beispiele

Abbildung 3 zeigt einen strategisch wichtigen Pfeilerzahn (UK-Stegprothetik) mit subgingivaler Karies. Eine Gingivektomie (GE) ist zur Sanierung Voraussetzung. Das Zahnfleisch wird mit dem CO2-Laser mit einer Pulsdauer von 350 µs und einer Frequenz von 140Hz effizient blutungsfrei entfernt. Ein Duty Cycle von knapp 5% erlaubt bei zeitlich maximal dauernden Lasingeinsätzen von 3 Sek. oft anästhesiefreies Arbeiten. In Abbildung 3 ist auch der Nachteil des CO2-Lasers ersichtlich. Die im ­Hydroxylapatit ­absorbierte Laserenergie wird explosiv verdampft. Eine oberflächliche Karbonisation des Dentins ist die Folge (Abb. 3b). Die dabei entstehende Hitze hat beim devitalen Zahn kaum Konsequenzen. Mit dem Er:YAG-Laser kann das karbonisierte Dentin entfernt und ein mikroretentives Haftmuster für die Kompositfüllung generiert werden (Abb. 3c). Die Kompositfüllung wird dank blutungsfreier GE und mithilfe eines Gingivaretraktors trocken adhäsiv (SE Adhäsiv) gelegt (Abb. 3d). Drei Wochen später ist die Gingiva partiell entzündungsfrei regeneriert (Abb. 3e). Wird bei größeren Eingriffen unter Anästhesie mit dem CO2-Laser eine stärkere Blutung erwartet, so kann mit einem höheren Duty Cycle die thermische Nebenwirkung bewusst verstärkt werden, indem sowohl die Frequenz erhöht als auch die Pulsdauer verlängert wird. Die Entfernung des Prothesenlappenfibroms (Abb. 4a) und totale Vestibulumplastik mit sekundärer Epithelisation bei diesem zahnlosen Oberkiefer wurde mit dem CO2-Laser mit einer Frequenz von 180Hz und einer Pulsdauer von 500µs, somit einem Duty Cycle von 8%, durchgeführt (Abb. 4b). Es ist bei der Präparation des Periosteum aber sehr darauf zu achten, dass der Laserstrahl, um Karbonisationen im Knochen zu vermeiden, parallel dazu geführt wird. Das Resultat zehn Monate danach zeigt gute Schleimhautverhältnisse (Abb. 4c). Da direkt nach der Operation die eigene Prothese bis zur prospektiven Umschlagsfalte konditioniert wurde, hatte die Patientin sozusagen keine postoperativen Schmerzen.


Duty Cycle im einstelligen Promillebereich: Er:YAG-Laser 2.940nm

Klinischer Effekt: Weichgewebeabtrag ohne Koagulation

Je kleiner der Duty Cycle wird, desto geringer werden die thermischen Nebeneffekte. Das hat große Bedeutung, wenn im Bereich von wärmesensiblen Geweben wie vitalem Zahn oder Knochen gearbeitet wird. Große und tief subgingival gelegene Zahnhalsdefekte erfordern zur Rekonstruktion mit einer adhäsiv gelegten Kompositfüllung eine GE (Abb. 5a). Um thermische Nebeneffekte am Zahn zu vermeiden, kann die GE mit einem Er:YAG- oder Er,Cr:YSGG-Laser mit einem sehr kleinen Duty Cycle im Promillebereich durchgeführt werden. Wasser ist bei Arbeiten mit diesen Wellenlängen im mittleren Infrarotbereich in der Nähe von Zahn oder Knochen eine Conditio sine qua non und hat bei der Entfernung von Gingiva einen kühlenden Effekt. Die Gingiva kann im Kontaktmodus dank Wasserkühlung und Duty Cycle im Promillebereich (Frequenz 10Hz, Pulsdauer 100 µs) trotz sehr hoher Absorptionskons­tanten im Wasser von 104/cm anästhesiefrei und im „Kaltabtrag“ entfernt werden. Nachteil von so tiefen Duty Cycles ist wegen geringen thermischen Nebeneffekten ein leicht blutendes Zahnfleisch (Abb. 5b). Mit einem in Aluminiumchlorid getränkten Retraktionsfaden können diese Blutungen im Normalfall problemlos gestoppt werden (Abb. 5c). Bei hartnäckigen Blutungen kommt der Diodenlaser mit Duty Cycle 1 wie unter Punkt 1 beschrieben zum Einsatz. Vorteil hingegen ist, dass zufällige und oft unvermeidbare Laserpulse ins vitale Dentin während der GE ein mikroretentives Haftmuster (Abb. 5b, Pfeil) für die Kompositfüllung generieren. Optimale Haftmuster im sklerosierten Dentin entstehen, wenn die fluence 10J/cm2 nicht übersteigt. Eine GE dieser Art lässt sich sehr einfach mit 70–80mJ und einem spotsize von 1.000µm (9–10J/cm2) im Kontaktmodus zum Weichgewebe ausführen. Die Kompositfüllung kann nach Konditionieren von Schmelz und Dentin mit dem Er:YAG-Laser (Abb. 5c) bei fluences knapp oberhalb der Ablationsschwelle mit kleinstmöglichem Substanzabtrag minimalinvasiv adhäsiv gelegt werden (Abb. 6b). Ein Vergleich des Gingivaverlaufes vor GE (Abb. 6a), direkt nach Politur der Kompositfüllung (Abb. 6b) und einen Monat später (Abb. 6c) zeigt, dass die Regenerationsfähigkeit des Weichgewebes nach „Kaltabtrag“ gut ist.

Zusammenfassung

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die thermischen Nebenwirkungen bei einem Lasereinsatz durch viele Faktoren wie Energiedosis, fluence, Absorptionskonstante, Intensität, Absorptionsart, optische Eigenschaft des Gewebes, Kontakt-/Nonkontakt-Modus oder eben auch vom Duty Cycle beeinflusst werden. Der Duty Cycle ist ein Element im Zusammenspiel der Wechselwirkungen von Materie und Licht und erlaubt, thermische Nebenwirkungen ganz bewusst punktförmig zu erzeugen oder zu minimieren. Der Laseranwender kann die Parameter der Lasergeräte einsetzen, um einen bestimmten klinischen Effekt zum Wohle des Patienten zu erzielen.

Produkte
Mehr Fachartikel aus Laserzahnmedizin

ePaper