Zahntechnik 24.11.2023
Heavy Metal – Teleskop-Passung in Perfektion
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Insbesondere bei komplexen Restaurationen gilt es, von Anfang an die Kommunikation zwischen dem Patienten, dessen Behandler sowie dem umsetzenden Dentallabor zu pflegen und alle Arbeitsschritte entsprechend zu dokumentieren. Der erste Teil der dreiteiligen Serie veranschaulicht die Funktionsdiagnostik sowie Anfertigung einer Diagnostikschiene und wird in den kommenden Ausgaben der ZT Zahntechnik Zeitung fortgeführt.
Klinische Ausgangssituation
Ein 67-jähriger Patient kam bedingt durch Zahnverlust mit großen gesundheitlichen Problemen zum Zahnarzt. Als Ausgangssituation fanden wir bilaterale Freiendlücken im Ober- und Unterkiefer vor. Die bisherige Zahnersatzversorgung im Oberkiefer war eine Modellgussprothese und im Unterkiefer zeigte sich ein Restzahnbestand. Verbunden mit dem Zahnverlust waren die Reduktion der vertikalen Dimension mit Schädigung der Okklusion und die Dysfunktion der Front- und Eckzahnführung. Schnell war der Patientenwunsch, „es solle wieder alles ordentlich aussehen und funktionieren“, ausgesprochen. Nach einer ausführlichen Anamnese stellten sich gleich mehrere craniomandibuläre Dysfunktionen (CMD) als problematisch dar: tiefer Biss, Abplatzungen von den Schneidekanten, Abrasionen sowie Erosionen. Eine derartige Funktionsstörung des Kauapparats führt in der Folge zu zahlreichen körperlichen Beschwerden wie Kopfschmerzen, Migräne sowie Schulter-, Nacken- und Rückenschmerzen. Das Team um Matthias Mützelburg entschied sich – wie immer im Falle von derart vielschichtigen Situationen – den Zahnersatz nicht ohne eine umfassende Funktionsdiagnostik anzufertigen. Schließlich gilt es stets zu beachten, dass durch die prothetische Versorgung nicht nur das Aussehen der Zähne, sondern vielmehr die gesamte Erscheinung der betreffenden Person verändert wird, was zugleich zahlreiche Fehlerpotenziale mit sich bringt.
Funktionsdiagnostik
Das Team aus Berlin entschied sich für eine Kieferdiagnostik mit dem Freecorder®BlueFox der DDI Group. Dabei handelt es sich um ein opto-elektronisches Registriergerät zur Erfassung der patientenspezifischen Kieferbewegungen und der individuellen Bisslage. Sowohl die Bewegungs- als auch Positionsdaten können im XML-Format in den Workflow – analog oder digital – integriert werden. Anhand dieser Werte konnte der volladjustierbare Artikulator digital und analog richtig eingestellt werden, um zu wissen, wie die Kauflächen korrekt gestaltet werden müssen.
Anfertigung der Diagnostikschiene
Bevor die Anfertigung des Zahnersatzes erfolgt, ist es wichtig, den Patienten in der sogenannten zentrischen Lage wieder einzustellen. Dies ist kein Punkt, sondern ein Areal. Die Kiefergelenke werden in einen Bereich eingestellt, in dem die Muskulatur entspannt ist und die Okklusionshöhe rekonstruiert werden kann. Genau das gelang mit Diagnostik-/Therapieschienen, welche digital in der Ceramill Mind konstruiert und in der Matik von Amann Girrbach gefräst wurden. Diese Schienen weisen keine Eckzahnführung und keine Protrusionsführung auf, sondern haben Einbisse. Diese zwingen ihn, zu lernen in einer bestimmten Position zu beißen. Die Muskulatur entspannt sich und das neuromuskuläre System lernt sukzessive die neuen Bewegungen.
Klinische Vorbereitung
Der Tragezeitraum einer solchen individuellen Schiene variiert von Patient zu Patient. Nachdem der Patient dieses Fallbeispiels seine Schiene etwa ein Dreivierteljahr getragen hatte und wunderbar damit zurechtkam, stellte sich die Frage, wie diese Position eins zu eins mit beschliffenen Zähnen umgesetzt werden kann. Eine erneute Messung sollte möglichst vermieden werden, da das Potenzial, Fehler einzubauen, als zu groß eingeschätzt wurde. Also fertigte das Neodent-Team Schienen, welche ein Verschlüsselungssystem von Oberkiefer und Unterkiefer aufweisen. Diese wurden schließlich im dentalen 3D-Drucker NextDent 5100 von Amann Girrbach gedruckt. Der behandelnde Zahnarzt konnte nun – beginnend mit den Frontzähnen – immer zwei Zähne beschleifen, die Schiene unterspritzen und diese auf die Zähne setzen. Anhand dieser Vorgehensweise konnte die definitive Positionierung der Stümpfe generiert werden. Diese Methode sicherte außerdem, dass kein Stützzonenverlust stattfand. Das Modellmanagement des Berliner Dentallabors erfolgt komplett mit den Geräten der Firma Amann Girrbach. So gewährleistet das Team eine immer gleichbleibende Qualität – getreu dem Prinzip „never change a running system“. Dank dieses Workflows ist eine gleichbleibende Grundlage gegeben und die Konzentration richtet sich komplett auf die Präzision. Im Gipsraum wird somit die Grundlage für die gesamte Arbeit geschaffen.Das unterspritzte Material in der Schiene wird so weit zurückgeschnitten, dass diese zu 100 Prozent korrekt auf dem Modell sitzt.
Da die unbeschliffenen Modelle nach den Werten der zebris-Vermessung einartikuliert sind, wurde eine zweite Oberkieferschiene gedruckt. Damit konnte der beschliffene Oberkiefer zum unbeschliffenen Unterkiefer einartikuliert und im nächsten Schritt der beschliffene Unterkiefer dagegengesetzt werden. Damit war die Situation eins zu eins umgesetzt und bereit zum Scannen.
Teil 2 des dreiteiligen Beitrags lesen Sie in der ZT 11/23.
Dieser Beitrag ist in der ZT Zahntechnik Zeitung 10/2023 erschienen.