Zahntechnik 05.05.2022
Digitale versus konventionelle Abformung – Wechsel beider Workflows
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Originaltitel: „Digitale versus konventionelle Abformung”
Digitale Abformungen entwickeln sich in der Zahntechnik immer mehr zu einem Thema mit großer Wichtigkeit, wie sich allein schon an der hohen Zahl unterschiedlicher Scannermodelle am Markt zeigt. In der Nutzung sowie auch Entwicklung dieser digitalen Werkzeuge muss man sich aber die folgende Fragen stellen: Sind Scanner genauer als konventionelle Abformungen? Kann man einen Scanner für alle Arbeiten nutzen? Oder bin ich wirklich schneller, wenn ich scanne, und gestaltet sich die Kommunikation einfacher und effizienter?
Eine Abformung kann heutzutage sowohl digital als auch konventionell durchgeführt werden. Entscheidend für den bestmöglichen Workflow sind die Vorlieben, Möglichkeiten und Erfahrung des jeweiligen Zahntechniker-Zahnarzt-Teams, aber es besteht auch immer die Möglichkeit, zwischen den beiden Workflows zu wechseln.
Qualitätsanalyse und Kommunikation
Unabhängig von der Wahl des Workflows ist die erste Qualitätanalyse massgebend/entscheidend. Diese kann direkt nach der Abformung am Patienten durchgeführt und danach im Labor durch den Zahntechniker überprüft werden. Im Gegensatz zur digitalen Abformung, bei welcher der Zahntechniker direkt nach dem digitalen Versand ein erstes Feedback gibt, ist dies bei der konventionellen Abformungsmethode erst nach dem postalischen Versand sowie der optischen Analyse möglich. Somit ist die digitale Abformung zeitsparender, da sich der Patient bei der ersten Beurteilung durch den Zahntechniker noch in der Praxis befindet, und eine Korrektur bzw. eine Neuabformung wären in derselben Sitzung möglich. Um die Kommunikation zwischen Zahnarzt und Zahntechniker möglichst unkompliziert zu gestalten, stehen diesen verschiedene Kommunikationstools – beispielsweise als Onlinedienst oder aber in Form einer Kommunikationssoftware oder als App – zur Verfügung.
Modellherstellung und Analyse
Um passgenaue Rekonstruktionen herstellen zu können, ist eine präzise Abformung – unabhängig, ob diese konventionell oder digital erfolgt – unabdingbar. An den Präzisionsstandards hat sich mit der Digitalisierung nichts geändert, denn eine präzise Arbeit ist nur dann möglich, wenn auch die Abformung höchsten Ansprüchen genügt. Somit sind die Schritte im zahntechnischen Labor primär unverändert geblieben. Der erste Schritt des Technikers besteht weiterhin darin, zu prüfen, ob mit der Abformung gearbeitet werden kann.Bei einer digitalen Abformung gibt es vergleichsweise eine größere Zahl an zusätzlichen Analysemöglichkeiten. Betrachtet man beispielsweise einen Scan ohne „Rendering“, kann eruiert werden, wie hoch die Auflösung dessen ist. Dies ist vor allem bei der Beurteilung von Präparationsrändern wichtig sowie bei auslaufenden Präparationen. Die digitale Darstellung der Abformung muss eine klare Wiedergabe und Sichtbarkeit auch von minimalinvasiven Präparationen im zervikalen und approximalen Bereich ermöglichen. Wird die Abformung vom zahntechnischen Labor als suffizient eingestuft, kann mit dem Design von Rekonstruktion und Modell begonnen werden. Konventionell wird nach der Modellherstellung unter dem Binokular kontrolliert, ob der Präparationsrand durchgängig zu erkennen ist. Bei einer digitalen Abformung hingegen kann mithilfe der Software die Präparationsgrenze jederzeit aus verschiedenen Richtungen betrachtet werden. Dies erlaubt es, selbst tiefe interproximale Präparationspunkte darzustellen und zu analysieren, was schlussendlich die Beurteilung massiv vereinfacht.
Bei klarer Schulterpräparation erstellen die meisten CAD-Softwareprogramme automatisch einen Vorschlag des Verlaufs des Präparationsrandes. Ist die Präparation jedoch auslaufend – wie es zum Beispiel bei minimalinvasiven Arbeiten der Fall ist –, ist die Randdefinition viel schwieriger zu gestalten und die Software produziert in den meisten Fällen keinen geeigneten Vorschlag. Sowohl Hardware als auch Software sind für das digitale Abformen sehr wichtig. Für bestmögliche Ergebnisse ist es wichtig, sich mit dem genutzten Scanner gut auszukennen, denn gewisse Scanner sind stark automatisiert und ändern den Aufnahmemodus je nach Oberflächenbeschaffenheit der gescannten Struktur selbstständig.
Automatisierte Scanner unterscheiden zwischen einer glatten Oberfläche und einer komplexen Form wie einer Schulter oder Kante, um dort gezielt eine höhere Auflösung zu generieren. Andere Scanner wiederum ermöglichen es dem Anwender, während der Abformung zu entscheiden, ob an einer bestimmten Stelle zusätzliche Auflösung benötigt wird. Das gezielte Nachscannen von präparierten Zähnen mit einem hochauflösenden Modus ergibt signifikant besser erkennbare Oberflächendetails. Dies wirkt sich auf die Genauigkeit der Restauration aus. Der hier für den Zahntechniker beschriebene Unterschied kann in verschiedenen Ansichtsmodi sehr gut beurteilt werden. Im Vergleich zu einem Scanner der älteren Generation erlauben neuere Scanner eine bessere Erkennung der Oberflächenstruktur. Diese sind automatisiert und erkennen selbstständig welche Strukturen hochauflösend sein müssen.
Vergleich von Scannern & Aufnahmemodi
Vor- und Nachteile
Moderne Generationen von Scannern sind grazil und benutzerfreundlich. Das Einsprühen der Zähne mit Scanspray wird nicht mehr benötigt, was sowohl den Patienten als auch uns als Behandlern zugutekommt. Allerdings ist die Umstellung von der konventionellen zur digitalen Abformung mit hohen Anschaffungskosten sowie einem Zeitaufwand zum Erlernen des Systems und der Software verbunden. Zusätzlich muss neben der Anschaffung von zusätzlichen Gerätschaften auch das Labor offen und bereit sein, auf den digital basierten Workflow umzusteigen. Nicht zuletzt müssen altbewährte Arbeitsabläufe neu verhandelt und eingeübt werden. Eine gute Kommunikation zwischen Labor und Praxis ist unabdingbar. Die klaren Vorteile von digitalen Arbeitsabläufen überwiegen und zeigen sich vor allem, wenn Patienten mit in die Entscheidungsfindung einbezogen werden.
Klinische Fälle
Die Frage der Genauigkeit und Umsetzbarkeit variiert von Fall zu Fall und hängt vom Behandler sowie vom benutzten System ab. Im Folgenden werden häufig vorkommende klinische Situationen im Direktvergleich zwischen analoger und digitaler Abformung erläutert. Da die Evidenz für abnehmbare Versorgungen heutzutage in den meisten Fällen noch gegen die digitale Abformung spricht, wird im Folgenden nur auf festsitzende Rekonstruktionen eingegangen.
Einzelzahnkrone/3-gliedrige zahngetragene Brücke
Einzelzahnkronen, sei es im Front- oder Seitenzahnbereich lassen sich problemlos mit einem digitalen Scanner abformen. Das gilt auch für endständige Kronen. Bei klassischen Stufen- oder auslaufenden Präparationen werden die Präparationsgrenzen in der Regel problemlos dargestellt, auch unter Verwendung von Fadenlegung und/oder nach Gingivektomie (Abb. 1a–c). Liegt eine Präparationsgrenze jedoch tiefer als 0,5 mm subgingival, wird eine konventionelle Abformung empfohlen. Das flüssige Material kann man in den Sulkus fließen lassen, was eine etwas tiefere Abformung erlaubt. Wohingegen Scanner nur abformen können, was sichtbar ist. Liegt der Sulkus demnach im Schatten der Gingiva, ist dieser nicht genau abzuformen (Abb. 2a und b).
Einzelimplantatkrone/3-gliedrige Implantatbrücken
Einzelkronen auf Implantaten oder kurzspannige Implantatbrücken im Front- sowie Seitenzahnbereich lassen sich gut mit einem digitalen Scanner abformen (Abb. 3a–c). Maßgebend ist hier die Insertionstiefe des Implantats bzw. die Länge des gewählten oder die zur Verfügung stehenden Scanbodies. Im Gegensatz zu konventionellen Abformpfosten existiert bei der Mehrheit von Implantatherstellern lediglich eine Länge von Scanbodies. Wird vom Scanner zu wenig Höhe erfasst, kann die Überlagerung bzw. das Matching mit dem digitalen Implantatanalog durch den Techniker nicht durchgeführt werden.
Ästhetische Frontzahn-Versorgungen (Veneer)
Von wichtigster Bedeutung ist bei hochästhetischen Frontzahnversorgungen, dass die Zahntechniker die Oberflächenstruktur erkennen können. Eine der zahntechnisch anspruchsvollsten Aufgaben ist die perfekte Imitation eines natürlichen Zahns. Die Rekonstruktion soll sich final perfekt in die bestehende Dentition integrieren. Hierzu sind klar definierte Informationen zu Form, Farbe und Oberflächenbeschaffenheit der abgeformten Areale unabdingbar. Ob dies dargestellt werden kann, ist durch die Genauigkeit der Aufnahme und die Herstellungsart der Modelle definiert. Manche Modelle können die Oberflächenstruktur bereits gut darstellen. Der Goldstandard für hochästhetische Frontzahnversorgungen ist jedoch zum heutigen Zeitpunkt noch immer das Gipsmodell (Abb. 4 a–c).
Fazit
Einen Scanner anzuschaffen, wird früher oder später unumgänglich. Eröffnet oder übernimmt man heutzutage eine Praxis oder ein Dentallabor, gehört ein Scanner zum Standardinventar. Die digitale Abformung sowie die zugehörigen Workflows werden zukünftig sowohl in der Ausbildung von Zahnärzten als auch Zahntechnikern immer mehr in den Mittelpunkt rücken.
Dieser Beitrag erschien in der ZT Zahntechnik Zeitung.