Zahntechnik 25.11.2022
Minimalinvasive Zirkondioxidrestauration – Teil 2
share
Innovative Möglichkeiten für patientenindividuelle Versorgungskonzepte – ein digitales Fallbeispiel. Teil 2
Der nachfolgende Fall wurde nicht nur im komplett digitalen Workflow gelöst, also von der digitalen Planung über das Design und Visualisierung inklusive Patienten-Gesichtsscan, sondern es wurden auch alle Rekonstruktionen aus einem einzigen Material hergestellt, unabhängig von der Restaurationsart oder Lokalisation im Mund (anterior vs. posterior). Alle in der festsitzenden Prothetik vorkommenden Restaurationsarten von Brücken über Einzelkronen und Teilkronen bis hin zu Veneers kamen zum Einsatz. Dabei wurden beinahe alle Versorgungen nur durch Maltechnik charakterisiert und individualisiert. Eine Ausnahme stellt die hochästhetische Oberkiefer-Frontregion dar – hier wurde mittels Microveneering eine dünne Schicht Verblendkeramik aufgetragen. In der Novemberausgabe der ZT Zahntechnik Zeitung konnten Sie bereits Diagnose, Behandlungsplan und Testphase lesen. In dieser Ausgabe lesen Sie Teil 2 dieses hochkomplexen Falls, bestehend aus der Erläuterung des Behandlungsablaufs sowie Diskussion und Schlussfolgerung.
Fallbericht
Nachdem die „Snap-on“-Schienen mehrere Monate getragen wurden, ohne dass es zu Komplikationen des Kiefergelenks oder der Kaumuskulatur kam, wurde in die definitive Behandlungsphase gestartet.
Hierfür wurde das finale Design in 3D-Modelle überführt und ein Silikonwall genommen, um das digitale Design in ein konventionelles Mock-up in den Patientenmund zu übertragen. Dieses simuliert nicht nur das finale ästhetische Ergebnis, sondern kann auch genutzt werden, um als Orientierung für die benötigten Präparationstiefen bzw. benötigten Schichtstärken zu dienen. Dabei wird das Mock-up im Patientenmund eingesetzt und durch dieses hindurch die Zähne mit Tiefenmarkierungen gekennzeichnet. Dadurch wird erreicht, dass die Zähne nur in dem Maße präpariert werden, wie es für eine ausreichende Schichtstärke, insbesondere der Veneers vonnöten ist.
Nach finaler Präparation der Pfeiler erfolgte ein Intraoralscan (Trios 3, 3Shape) als digitale Abformmethode. Damit die digitale Abformung mittels Intraoralscan funktioniert, ist eine korrekte optische Darstellung der Präparationsgrenze unerlässlich. Durch die minimalinvasiven Restaurationsformen konnten alle Restaurationsränder epigingival gelegt werden, sodass eine exakte Abformung mittels optischen Scans komplikationsfrei verlief.
Die mittels des Intraoralscans gewonnene STL-Datei erlaubt in der digitalen Zahntechnik eine Überlagerung sowohl mit der Ausgangssituation als auch mit dem geplanten Design. Somit konnte das zuvor angelegte Design verwendet und die dafür notwendigen Mindestschichtstärken kontrolliert werden. Nach minimalen Feinkorrekturen des digitalen Designs wurden für eine erneute Evaluation von Biss und Ästhetik zunächst Provisorien aus PMMA hergestellt, um final auch noch einmal die Weichgewebssituation zu bewerten. Die Evaluation zeigte, dass alle vor Beginn gesteckten Ziele durch die neuen Restaurationen erreicht wurden. Somit wurden auf dieser Basis die endgültigen Versorgungen hergestellt. Die Versorgungen wurden aus monolithischem, transluzentem Zirkondioxid gefräst und anschließend mit Malfarben charakterisiert. Lediglich die Oberkieferfront, als hochästhetische Zone, wurde durch ein minimales Cutback und einer anschließenden individuellen Schichtung mittels Feldspat-Keramik verblendet.
Nachdem die Restaurationen final hergestellt wurden, mussten diese noch für eine gute adhäsive Befestigung vorbereitet werden. Da bekanntlich eine Oberflächenvergrößerung bei Zirkondioxidkeramiken nicht durch eine Säure und ein damit verbundenes Ätzmuster möglich ist, wurde im letzten Schritt das Produkt „Hotbond zirconnect“ auf alle Innenseiten der Restaurationen aufgetragen. Entsprechend der Herstellerangaben wurden die für die Befestigung notwendigen Flächen zunächst mit max. 2 bar Al2O3 korundgestrahlt und anschließend mit dem Spray die Oberfläche benetzt und für drei Minuten bei 1.000 °C im Keramikofen gebrannt. In dieser Zeit diffundiert dieses Material in die Zirkondioxidstruktur hinein und schafft durch eine Glasmatrix eine ätzbare Oberfläche. Somit lassen sich die Restaurationen wie eine Glaskeramik behandeln, indem die Oberflächen mit 4%iger Flusssäure ätzbar sind und einen Haftvermittler aufgetragen werden kann. Im Anschluss können dann die Rekonstruktionen unter Speichel- und Blutfreiheit mit einem Kompositzement adhäsiv auf der Zahnoberfläche befestigt werden.
Diskussion
In der modernen Zahntechnik sind die Einsatzmöglichkeiten digitaler CAD/CAM-Technologien mittlerweile weit verbreitet. Dabei zeigen sich zahlreiche Vorteile wie Zeit-, Material- und Kostenersparnis, aber auch die identische Reproduzierbarkeit. Dabei kann der Einstieg in die „Digitale Welt“ bei vielen Fertigungsschritten vollzogen werden: von der Digitalisierung eines Sägemodells über die Digitalisierung eines Abdrucks oder sogar der komplette digitale Workflow, bei dem bereits auf zahnärztlicher Seite die Abformung digital genommen wird und über eine STL-Datei zur Verfügung gestellt wird. Hinzu kommen mittlerweile neben digitalen Fotografien auch weitere Möglichkeiten, dem Zahntechniker so viele Informationen über den gemeinsamen Patienten zukommen zu lassen. Hierzu zählen sogenannte Facescans und digitale Kiefervermessungen. Dies erspart dem Patienten häufige Anreisen für Anproben. Die Zahntechnik erhält hieraus weitaus informativeres Arbeitsmaterial und damit einhergehend die Möglichkeit, sein erstelltes (digitales) Design virtuell am Patienten anzuprobieren und anzupassen.
Zudem ist es durch die Software möglich, mehrere Situationen aus dem Mund (z.B. Ausgangs-, Anprobe- und/oder endgültige Präparationssituation zu „matchen“ und durch Überlagerung diverser Datensätze z.B. Schichtstärken zu messen und dem Behandler Korrekturen bei Mindestschichtstärken oder unter sich gehenden Bereichen nicht nur mitzuteilen, sondern visuell zu kommunizieren. Außerdem ist es möglich, die initiale Planung z.B. eines Designs in alle Abschnitte der Behandlung zu überführen und weiterzubearbeiten. Durch Verwendung verschiedener Zahnbibliotheken lässt sich individueller Zahnersatz unter Berücksichtigung aller patientenspezifischen Physiognomien herstellen, in Kombination mit funktionsrelevanten Punkten und Linien, wie beispielsweise der sog. „natural head position“, eine vom Patienten individuell und unbewusst reproduzierbare Kopfposition, die eine entscheidende Rolle bei der horizontalen Ebene einnimmt. Diese konstanten und reproduzierbaren Bezugslinien sind bei Vermessungen und Überführung der Patienten essenziell.
Bei jeder Abformung – so auch bei einem Intraoralscan – ist eine optimale Darstellung der Präparationsgrenzen unabdingbar. Dies wird z.B. durch geeignete Fadentechniken erreicht oder durch einen supra- bzw. epigingivalen, sprich über oder auf dem Zahnfleisch endenden Restaurationsrand gegeben. Im vorliegenden Fall war dies ohne Probleme möglich, da keine größeren (oft approximal) vorkommenden Defekte eine subgingivale Präparationslage nötig machten. Durch Onlay-, Teilkronen- und Veneerpräparationen können im Vergleich zu Kronenpräparationen häufig die Restaurationsränder deutlich einfacher über oder auf dem Zahnfleischrand enden. Dies vereinfacht dem Intraoralscanner eine exakte Wiedergabe der Mundsituation und Präparationsgrenzen.
Bezüglich der Langlebigkeit verschiedener Restaurationsformen, zeigten Teilkronen (97% nach sieben Jahren) und Veneers (95,5% nach zehn Jahren), dass diese bei den Überlebensraten der Langlebigkeit von Kronen (95% nach fünf Jahren) nicht nachstehen, sondern sie sogar minimal übertreffen.
Als weiterer Faktor, der für minimalinvasive Schleiftechniken spricht, sind die deutlich geringeren Folgen der Pulpenirritationen durch Schleiftraumata.
Pulpenirritationen als Folge eines invasiven Präparierens, wie es eine konventionelle Kronenpräparation vorsieht, entstehen in bis zu 10% der präparierten Zähne nach fünf Jahren und ca. 15% nach zehn Jahren.
Schlussfolgerung
Bei der Versorgung mit Zahnersatz stehen heutzutage Zahnarzt und Zahntechniker stets vor der Problematik, welches Material dafür verwendet werden soll. Bei den vollkeramischen Versorgungen gibt es zurzeit die beiden großen Gruppen: Glaskeramik vs. Zirkondioxidkeramiken. Eine Kombination aus beiden Gruppen führt oft zu ästhetischen Kompromissen, da keine identische Farbwirkung und Lichtbrechung erreicht werden kann. Während vor wenigen Jahren deren Einsatzgebiet noch klar getrennt war, verschwimmen die Grenzen durch Einführung von hochästhetischen, hochtransluzenten Zirkondioxidkeramiken zunehmend. Somit sind transluzente Zirkondioxidkeramiken heute beinahe universell einsetzbar. Dennoch bleibt aufgrund der fehlenden Glasphase und damit der Möglichkeit, ein Ätzmuster zu schaffen, das Problem der langfristigen adhäsiven Befestigung.
Dieser Fall zeigt, wie der Zahntechniker mittels Zirkoniumdioxid nicht nur jegliche Art von Restaurationen hochästhetisch aus ein und demselben Material herstellen kann, sondern diese Restaurationen für den Zahnarzt adhäsiv – wie Glaskeramiken – zu befestigen sind. Transluzente Zirkondioxidkeramiken sorgen zukünftig für eine Vereinfachung bei der Materialauswahl von komplexen Komplettsanierungen, geprägt durch verschiedenste minimalinvasive Präparations- und Restaurationsformen.
Dieser Beitrag ist in der ZT Zahntechnik Zeitung erschienen.