Branchenmeldungen 03.11.2023
Der Fachkräftemangel gefährdet die gute Versorgungsqualität
Aus einer jährlichen repräsentativen Studie im Auftrag der FMH geht 2023 hervor, dass sich der Fachkräftemangel in den Augen der befragten Ärzteschaft dramatisch zuspitzt. Es besteht Sorge, ob auch in Zukunft genügend Ärztinnen und Ärzte für eine optimale Versorgung der Bevölkerung rekrutiert werden können.
Nahezu 5000 Ärztinnen und Ärzte sowie über 15000 Pflegende werden derzeit im Schweizer Gesundheitswesen gesucht. Um mehr über die Auswirkungen des Fachkräftemangels zu erfahren, hat die FMH die seit 2011 durch das Forschungsinstitut gfs.bern durchgeführte repräsentative Befragung der Ärzteschaft um diese Thematik erweitert. An der diesjährigen Erhebung haben 1692 Ärztinnen und Ärzte teilgenommen, die im Spital (unterteilt nach Akutsomatik, Psychiatrie und Rehabilitation) oder im praxisambulanten Bereich tätig sind.
Für eine klare Mehrheit der Ärztinnen und Ärzte stellt der Fachkräftemangel in ihrem unmittelbaren Arbeitsbereich ein gravierendes Problem dar. Auf einer Skala von null (kein Problem) bis zehn (sehr starkes Problem) gab mehr als zwei Drittel der Befragten einen Wert von 6 bis 10 an. Bei über 40% ist es sogar ein Wert von 8 bis 10. Die grössten Probleme im Zusammenhang mit dem Fachkräftemangel identifizieren die im Spital tätigen Ärztinnen und Ärzte der Akutsomatik bei der Pflege, in der Ärzteschaft und im medizinisch- therapeutischem Bereich. Bei den praxisambulant tätigen Ärztinnen und Ärzten ist er vor allem in Bezug auf das Finden einer Praxisnachfolge ein grosses Problem.
Auswirkungen auf Patientinnen und Patienten
Patientinnen und Patienten sind direkt vom Fachkräftemangel betroffen. Denn ein rascher Zugang zur Behandlung ist ein wichtiger Aspekt der Versorgungsqualität. 74% der Befragten aus der Akutsomatik gaben an, dass die Wartezeiten länger wurden. Im praxisambulanten Bereich beobachten 70% längere Wartezeiten; in der Psychiatrie sind es gar 84%.
Ein Fünftel der praxisambulant tätigen Ärzteschaft rechnet mit einer durchschnittlichen Wartezeit von mehr als einem Monat. In der Akutsomatik gehen 29% der Ärztinnen und Ärzte von einer Wartezeit von über einem Monat ab der Überweisung bis zur eigentlichen Behandlung aus. In der Psychiatrie gibt sogar nahezu die Hälfte (47%) eine Wartezeit von mehr als einem Monat an.
Auswirkungen auf die Ärztinnen und Ärzte
Der Fachkräftemangel hat laut den Befragten auch Folgen für die Ärzteschaft. Dazu zählt eine Verschlechterung der physischen und psychischen Gesundheit, aber auch vermehrte Kündigungen wegen Überlastung. Jana Siroka, Mitglied des FMH-Zentralvorstand und Fachärztin für Intensivmedizin und Fachärztin für Allgemeine Innere Medizin betont: «Aufhorchen lässt insbesondere, dass 11 Prozent der Befragten in der Akutsomatik und 25 Prozent der praxisambulanten Ärzteschaft davon ausgehen, dass sie ihre kurative Tätigkeit innerhalb der nächsten fünf Jahre aufgeben werden». Bei den praxisambulant tätigen Ärztinnen und Ärzten liegt der Grund dafür zwar mehrheitlich in einem anstehenden Ruhestand. In der Akutsomatik und Psychiatrie sind vor allem das hohe Pensum und die langen Arbeitszeiten ebenfalls zentrale Gründe, welche die Ärzteschaft ernsthaft bewegen, einen Ausstieg aus der Medizin zu erwägen.
Fachkräftemangel verschärft sich
Der Fachkräftemangel wird sich aus Sicht der Ärztinnen und Ärzte in Zukunft weiter verschärfen. Seit der Corona-Pandemie geht ein immer grösserer Anteil der Befragten davon aus, dass die Rekrutierung von Ärztinnen und Ärzten in Zukunft schwieriger wird. In der Akutsomatik stimmen dieser Aussage 87% sehr oder eher zu; in der Praxisambulanz sind es gar 89%.
Eine besondere Herausforderung stellt die substanzielle Zahl der Ärztinnen und Ärzte der Babyboomer- Generation dar, die kurz vor der Pensionierung steht. Das durchschnittliche Arbeitspensum dieser Generation ist höher als dasjenige jüngerer Ärztinnen und Ärzte, die zunehmend arbeitsgesetzkonforme, also kürzere Arbeitszeiten und die Möglichkeit für Teilzeitpensen fordern. Gleichzeitig zur Erhöhung der Studienplätze müssen demzufolge die beruflichen Rahmenbedingungen verbessert werden – sowohl, um junge Ärztinnen und Ärzte im Beruf zu halten, als auch gesunde Ärztinnen und Ärzte im Ruhestand zur Weiterarbeit zu motivieren, beispielsweise durch den Abbau der Administrativlast und flexiblere Arbeitszeitmodelle.
Die Studie und weitere Informationen finden Sie unter: https://www.fmh.ch/themen/stationaere-tarife/begleitforschung.cfm
Quelle: FMH