Branchenmeldungen 10.09.2025
Es tut sich was in der Demenzforschung!
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Herr Prof. Grönemeyer, Sie sagen, Demenz sei vermeidbar – was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Schritte zur Prävention im Alltag?
Demenz lässt sich nicht garantiert verhindern – aber vieles spricht dafür, dass wir durch unseren Lebensstil vorbeugen können. Bewegung ist ein guter Anfang: Tai-Chi, Gymnastik oder Tischtennis bringen Körper und Kopf in Schwung. Wer sich dazu noch abwechslungsreich ernährt – mit Gemüse, Kräutern, guten Fetten und Proteinen – tut seinem Gehirn etwas Gutes. Und besonders wichtig: die Sinne wachhalten. Wer schlecht hört oder sieht, zieht sich schneller zurück – also bitte zur Brille greifen und auch zum Hörgerät. Auch lebenslanges Lernen bzw. geistige Aktivitäten schützen. Solche Menschen besitzen oft mehr kognitive Reserve, also mehr Spielraum, die es ihrem Gehirn erlaubt, mit altersbedingten Veränderungen und Schäden besser umzugehen. Was außerdem hilft: soziales Miteinander, gemeinsam kreativ sein, essen, tanzen, lachen – alles, was Freude macht und in Verbindung bringt. Und ja, auch mal abschalten. Guter Schlaf ist kein Luxus, sondern echte Hirnpflege.
Welche Rolle spielt die Forschung in der Früherkennung und Verlangsamung von Demenz?
Die Forschung macht Fortschritte – aber es sind vor allem Puzzlestücke, keine Patentlösungen. Mit Lecanemab gibt es erstmals ein Medikament in Europa, das direkt in den Krankheitsprozess eingreift. Es richtet sich gegen die Eiweißablagerungen im Gehirn, die bei Alzheimer eine Rolle spielen. Das kann den Verlauf verlangsamen – aber nur ganz am Anfang. Die Behandlung ist teuer, aufwendig und nur für sehr wenige Menschen überhaupt geeignet. Spannender finde ich im Moment die Beobachtungen jenseits der klassischen Medikamente: In einer britischen Studie hatte eine einfache Gürtelroseimpfung messbare Effekte auf das Demenzrisiko. Wer geimpft war, erkrankte seltener. Das zeigt, wie stark Immunabwehr und Gehirngesundheit zusammenhängen. Und sogar in der Pflanzenforschung tut sich was: Rosmarin und Salbei enthalten Carnosinsäure, einen Stoff, der Nervenzellen vor Stress schützen könnte – offenbar auch Hirnzellen.
Was sind die entscheidenden Faktoren für einen konstruktiven Umgang mit Demenzkranken?
Ein gelingender Alltag mit einem demenzkranken Menschen beginnt mit einem Perspektivwechsel. Es geht nicht darum, Recht zu behalten oder immer wieder an die „richtige Realität“ zu erinnern – es geht darum, ihre Realität zu respektieren und in Verbindung zu bleiben. Auch wenn vertraute Personen nicht mehr erkannt werden oder die Worte fehlen, können wir an Demenz erkrankte Menschen mit Gesten, Blicken, mit Lächeln, Singen und sanften Berührungen immer noch erreichen. Es ist wichtig, ihnen zu zeigen, dass sie ein wichtiger Teil der Gemeinschaft sind. Wichtig zu wissen: Hinter einem plötzlichen emotionalen Ausbruch steckt oft Überforderung – oder schlicht Hunger, Durst, Schmerzen. Wer das erkennt, kann viele Krisen schon im Ansatz entschärfen. Kleine Dinge helfen: Lieblingsessen aus der Kindheit, eine klare Tagesstruktur, Fingerfood statt Messer und Gabel.