Branchenmeldungen 10.09.2025

Es tut sich was in der Demenzforschung!



Demenz ist kein unausweichliches Schicksal – davon ist Prof. Dr. Dietrich Grönemeyer überzeugt. Im Gespräch erklärt der bekannte Arzt und Autor, warum Vorbeugung im Alltag so wichtig ist, welche Rolle die Forschung spielt und wie ein liebe­voller, gemeinschaftlicher Umgang den Alltag mit Demenzkranken erleichtern kann.

Es tut sich was in der Demenzforschung!

Foto: ytemha34 – stock.adobe.com

Herr Prof. Grönemeyer, Sie sagen, Demenz sei vermeidbar – was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Schritte zur Prävention im Alltag?

Demenz lässt sich nicht garantiert verhindern – aber vieles spricht dafür, dass wir durch unseren Lebensstil vorbeugen können. Bewegung ist ein guter Anfang: Tai-Chi, Gymnastik oder Tischtennis bringen Körper und Kopf in Schwung. Wer sich dazu noch abwechslungsreich ernährt – mit Gemüse, Kräutern, guten Fetten und Proteinen – tut seinem Gehirn etwas Gutes. Und besonders wichtig: die Sinne wachhalten. Wer schlecht hört oder sieht, zieht sich schneller zurück – also bitte zur Brille greifen und auch zum Hörgerät. Auch lebenslanges Lernen bzw. geistige Aktivitäten schützen. Solche Menschen besitzen oft mehr kognitive Reserve, also mehr Spielraum, die es ihrem Gehirn erlaubt, mit altersbedingten Veränderungen und Schäden besser umzugehen. Was außerdem hilft: soziales Miteinander, gemeinsam kreativ sein, essen, tanzen, lachen – alles, was Freude macht und in Verbindung bringt. Und ja, auch mal abschalten. Guter Schlaf ist kein Luxus, sondern echte Hirnpflege.

Welche Rolle spielt die Forschung in der Früherkennung und Verlangsamung von Demenz?

Die Forschung macht Fortschritte – aber es sind vor allem Puzzle­stücke, keine Patentlösungen. Mit Lecanemab gibt es erstmals ein Medikament in Europa, das direkt in den Krankheitsprozess eingreift. Es richtet sich gegen die Eiweißablagerungen im Gehirn, die bei Alzheimer eine Rolle spielen. Das kann den Verlauf verlangsamen – aber nur ganz am Anfang. Die Behandlung ist teuer, aufwendig und nur für sehr wenige Menschen überhaupt geeignet. Spannender finde ich im Moment die Beobachtungen jenseits der klassischen Medikamente: In einer ­bri­tischen Studie hatte eine einfache Gürtelroseimpfung messbare Effekte auf das Demenzrisiko. Wer geimpft war, erkrankte seltener. Das zeigt, wie stark Immunabwehr und Gehirn­gesundheit zusammenhängen. Und sogar in der Pflanzen­forschung tut sich was: Rosmarin und Salbei enthalten Carnosinsäure, einen Stoff, der Nervenzellen vor Stress schützen könnte – offenbar auch Hirnzellen.

Was sind die entscheidenden Faktoren für einen konstruktiven Umgang mit Demenzkranken?

Ein gelingender Alltag mit einem demenzkranken Menschen beginnt mit einem Perspektivwech­sel. Es geht nicht darum, Recht zu behal­ten oder immer wieder an die „richtige Realität“ zu erinnern – es geht darum, ihre Realität zu respek­tieren und in Verbindung zu bleiben. Auch wenn vertraute Personen nicht mehr erkannt werden oder die Worte fehlen, können wir an Demenz erkrankte Menschen mit Gesten, Blicken, mit Lächeln, Singen und sanften Berührungen im­mer noch erreichen. Es ist wichtig, ihnen zu ­zeigen, dass sie ein wichtiger Teil der Gemeinschaft sind. Wichtig zu wissen: Hinter einem plötzlichen emotionalen Ausbruch steckt oft Überforderung – oder schlicht Hunger, Durst, Schmerzen. Wer das erkennt, kann viele Krisen schon im Ansatz entschärfen. Kleine Dinge ­helfen: Lieblingsessen aus der Kindheit, eine klare Tagesstruktur, Fingerfood statt Messer und Gabel. 

Zur Person


Prof. Dr. med. Dietrich Grönemeyer ist einer der bekanntesten Ärzte Deutschlands
und emeritierter Lehrstuhlinhaber für Radiologie und Mikrotherapie der Universität Witten/Herdecke.

ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis 10/25

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Dieses Interview ist in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis erschienen.

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