Branchenmeldungen 24.09.2024
Smart und praxistauglich: Telemedizin in Pflegeheimen
share
Im Juni erhielt die Arbeitsgruppe um Dr. Basel Kharbot von der Charité – Universitätsmedizin Berlin den Wrigley Prophylaxe Preis 2024 im Bereich Wissenschaft. Das Team hat ein telemedizinisches Befundungskonzept mit intraoralen 3D-Scans entwickelt, das die zahnmedizinische Versorgung in Senioreneinrichtungen optimieren kann.
Dr. Kharbot, worin liegt der Mehrwert der Telemedizin in der zahnärztlichen Versorgung von Pflegebedürftigen?
Für pflegebedürftige Patienten bestehen oft systembedingte Barrieren beim Zugang zu einer adäquaten zahnmedizinischen Versorgung. Hierzu gehören beispielsweise die eingeschränkte Mobilität funktionell abhängiger Menschen und infrastrukturelle Herausforderungen. So nehmen nach Daten der Fünften Deutschen Mundgesundheitsstudie fast 60 Prozent der Patienten mit Pflegebedarf keine regulären Zahnarzttermine in Anspruch. Diese Unterversorgung führt zu einer erhöhten Prävalenz oraler Erkrankungen wie Karies und Parodontitis bei Menschen mit Pflegebedarf. Da in Zukunft mit einem Anstieg der altersbedingt pflegebedürftigen Menschen in Deutschland zu rechnen ist und diese vulnerable Patientengruppe selbstständig oft keine suffiziente Mundhygiene betreiben kann, ist damit zu rechnen, dass dies unser Gesundheitssystem vor große Herausforderungen stellen wird. Telemedizinische Konzepte, die z. B. infrastrukturelle Barrieren auflösen und zahnmedizinisches Personal schonen, könnten vielversprechend sein, um den Zugang zu einer regulären zahnmedizinischen Versorgung dieser Patientengruppe wieder zu gewährleisten. Hierzu gibt es unterschiedliche technische Umsetzungen, die alle Vor- und Nachteile besitzen.
Eine Absprache weniger
Durch die Implementierung telemedizinischer Konzepte könnten Pflegeeinrichtungen eigen ständig Untersuchungstage festlegen, an denen die Bewohner gescreent werden. Auch wenn die Screenings das Pflegepersonal in besonderer Weise einbindet, würde zumindest die externe Terminierung mit zahnmedizinischem Personal entfallen.
Wie zuverlässig sind die intraoralen 3D-Scans bei der Erkennung von fehlenden Zähnen, Restaurationen, Karies und Plaque?
Die Zuverlässigkeit und Genauigkeit bei der Diagnostik von fehlenden Zähnen anhand von intraoralen Scans war bei fehlenden Zähnen perfekt und sehr hoch bei Restaurationen. Bei der Erkennung von Karies und Plaque war die Genauigkeit zwar geringer, jedoch immer noch akzeptabel. Die stetige Weiterentwicklung diagnostischer Hilfetools zur Erfassung kariöser Läsionen (Fluoreszenz- oder auch Nahinfrarotlicht-basiert) können aber dazu beitragen, die Genauigkeit noch zu verbessern.
Die Ergebnisse unserer Studie zeigen insgesamt, dass sich der Einsatz von Intraoralscannern (IOS) im Rahmen eines telemedizinischen Ansatzes gut als Screening- oder Triage-Instrument eignet. Durch die Möglichkeit einer frühen Erfassung von Mundgesundheitsproblemen mit entsprechender nachfolgender Therapie könnte der Einsatz eines IOS in Pflegeeinrichtungen als Bestandteil eines zahnmedizinischen Versorgungskonzeptes dazu dienen, die Mundgesundheit pflegebedürftiger Senioren nachhaltig zu verbessern.
Inwiefern könnte Ihr telemedizinisches Befundungskonzept die regelmäßige zahnärztliche Untersuchung und Behandlung von pflegebedürftigen Senioren erleichtern?
Zunächst einmal kann das Scannen der Senioren in der Einrichtung vor Ort unkompliziert geplant werden, da hierfür nicht alle Patienten die Einrichtung verlassen müssen und auch kein zahnärztliches Personal aus der Praxis benötigt wird. Die Durchführung der Scans muss momentan aus rechtlichen Gründen noch von zahnmedizinischem Personal erfolgen, könnte aber zukünftig durchaus von geschultem Pflegepersonal durchgeführt werden. Zum anderen kann bei diesem Ansatz der asynchronen Telemedizin die Auswertung der Daten zeitlich unabhängig von deren Akquirierung erfolgen. Das Ganze erlaubt also mehr Flexibilität.
Für weitere Fragen zur Studie steht Dr. Kharbot sehr gerne zur Verfügung.
Dieser Artikel ist in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis erschienen.