Wissenschaft und Forschung 03.09.2013
Warum Raucher beim Aufhören zunehmen
Die meisten Raucherinnen und Raucher nehmen einige Kilos zu, wenn sie mit Rauchen aufhören. Der Grund liegt nicht in der erhöhten Kalorieneinnahme, sondern in der veränderten Zusammensetzung der Darmflora nach dem Rauchstopp. Diesen Schluss legt eine vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) unterstützte Untersuchung nahe.
Wenn sich Raucherinnen und Raucher von
ihren Glimmstengeln trennen, nehmen achtzig Prozent von ihnen im
Durchschnitt sieben Kilos zu. Ihr Gewicht steigt, auch wenn sie
gleich viel oder sogar weniger Kalorien aufnehmen als vor dem
Rauchstopp. Worauf ist diese Gewichtszunahme zurückzuführen? Auf
eine veränderte Zusammensetzung der Bakterienvielfalt im Darm,
lautet die Antwort von Forschenden um Gerhard Rogler vom
Universitätsspital Zürich. Wie sie kürzlich in der Fachzeitschrift
«PLoS One» nachgewiesen haben*, nehmen nach dem Rauchstopp jene
Bakterienstämme überhand, die auch in der Darmflora von
Fettleibigen dominieren.
Vergleich von Stuhlproben
Rogler
und seine Kolleginnen und Kollegen von der Schweizer
IBD-Kohorten-Studie haben das in den Fäkalien vorhandene Erbgut der
Darmbakterien untersucht – und sich über je vier Stuhlproben
gebeugt, die sie in einem Zeitraum von neun Wochen von zwanzig
verschiedenen Personen bekommen hatten: von fünf Nichtrauchern, fünf
Rauchern und von zehn Personen, die eine Woche nach Studienbeginn
einen Rauchstopp eingelegt hatten.
Während die Bakterienvielfalt
in den Exkrementen der Raucher und Nichtraucher sich im zeitlichen
Verlauf nur wenig veränderte, führte der Rauchstopp zu grossen
Verschiebungen in der Zusammensetzung der mikrobiellen Darmbewohner.
Auf Kosten von Vertretern der Stämme Firmicutes und Actinobacteria
breiteten sich Mikroben der Stämme Proteobacteria und Bacteroidetes
aus. Gleichzeitig nahmen die Probanden, die mit Rauchen aufgehört
hatten, durchschnittlich 2.2 Kilo zu, obwohl sich an ihrem Ess- und
Trinkverhalten nichts änderte (ausser dass sie gegen Schluss der
Studie im Schnitt ein wenig mehr Alkohol konsumierten als vor dem
Rauchstopp).
Effizientere Verwertung
Ihre Resultate
widerspiegelten diejenigen aus früheren Versuchen mit Mäusen, sagt
Rogler. Als andere Wissenschaftler vor einigen Jahren Fäkalien
fettleibiger Mäuse in den Darm normalgewichtiger Mäuse
transplantierten, beobachteten sie, dass sowohl die Ausbreitung der
Proteobacteria- und Bacteroidetes-Stämme in der Darmflora als auch
das Gewicht der behandelten Mäuse zunahmen. Offenbar verwertete die
neue Darmflora die in der Nahrung enthaltene Energie
effizienter.
Rogler und seine Kolleginnen und Kollegen vermuten,
dass derselbe Effekt auch bei ihren Probanden zum Tragen kommt. Die
nach dem Rauchstopp anders zusammengesetzte Bakterienvielfalt im Darm
stellt dem Körper wahrscheinlich mehr Energie zur Verfügung,
dadurch legen die frischen Nichtraucher an Gewicht zu.
* L.
Biedermann, J. Zeitz, J. Mwinyi, E. Sutter-Minder, A. Rehman, S. Ott,
C. Steurer-Stey, A. Frei, P. Frei, M. Scharl, M. Loessner, S.
Vavricka, M. Fried, S. Schreiber, M. Schuppler and G. Rogler (2013).
Smoking cessation induces profound changes in the composition of the
intestinal microbiota in humans. PLoS One online.
doi:
10.1371/journal.pone.0059260
(Manuskript beim SNF erhältlich;
E-Mail: com@snf.ch)
Schweizer IBD-Kohorten-Studie
Mit dem
Ziel, chronisch entzündliche Darmerkrankungen (im Englischen:
«Inflammatory Bowel Diseases oder IBD) besser zu verstehen, haben
sich Fachspitäler, niedergelassene Ärztinnen und Ärzte und
universitäre Instituten zusammengeschlossen. Sie sammeln
medizinische Daten von unterdessen beinahe 2000 Betroffenen, die
sich an dieser Langzeitstudie beteiligen. Die Studie wird seit 2005
vom Schweizerischen Nationalfonds gefördert.
Quelle: Schweizerischer Nationalfonds SNF