Abrechnung 17.07.2024
Teil 2: Sachverhalt und Funktion der Gebührenordnungen
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Mitglieder des BDIZ EDI fragen nach dem Stand der Klage vor dem Verwaltungsgericht Berlin, die von der Rechtsanwaltskanzlei Ratajczak & Partner im September 2023 eingereicht worden ist. In loser Folge wird die Redaktion des BDIZ EDI konkret hier Auszüge aus der Feststellungsklage wiedergeben. In diesem zweiten Teil geht es um Sachverhalt und Funktion der Gebührenordnungen im deutschen Gesundheitswesen.
Sachverhalt
Das Begehren der Kläger richtet sich gegen die seit Jahrzehnten nur ganz unzulänglich erfolgte Berücksichtigung der fachlichen, technologischen und wirtschaftlichen Entwicklung in den für ihre Honorarberechnungen maßgeblichen Gebührenordnungen: Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) und Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ).
Betrachtet man die Dinge sehr genau, herrscht bei der GOZ schon seit 1958 hinsichtlich der Anpassung an die wirtschaftliche Entwicklung im Wesentlichen Stillstand: Denn die zum 01.04.1965 in Kraft getretene GOZ 1965 basiert 1:1 auf den Vorschlägen des damaligen Bundesverbandes der Deutschen Zahnärzte (BDZ) vom 17.03.1958. Der BDZ nannte sich 1990 in Bundeszahnärztekammer (BZÄK) um.
Funktion der Gebührenordnungen im deutschen Gesundheitswesen
Das deutsche Gesundheitswesen kennt für die akademischen Heilberufe vier allgemeine Gebührenordnungen:
- GOÄ – Gebührenordnung für Ärzte
vom 12.11.1982 i. d. F. der Bekanntmachung vom 09.02.1996 (BGBl 1996 I, S. 210), - GOP – Gebührenordnung für Psychotherapeu-
ten vom 08.06.2000 (BGBl 1000 I, S. 818), - GOT – Gebührenordnung für Tierärzte vom 15.08.2022 (BGBl. 2022 I, S. 1401),
- GOZ – Gebührenordnung für Zahnärzte vom 22.10.1987 (BGBl. 1987 I, S. 2316), in der Fassung vom 05.12.2011 (BGBl. I, S 2661).
Diese vier Gebührenordnungen basieren auf nahezu wortlautidentischen Rechtsgrundlagen:
- für die GOÄ: § 11 BÄO (Bundesärzteordnung vom 02.10.1961),
- für die GOP: § 21 PsychThG (Psychotherapeutengesetz i. d. F. vom 15.11.2019),
- für die GOP: § 12 BTÄO (Bundes-Tierärzteordnung vom 17.05.1965)
- für die GOZ: § 15 ZHG (Zahnheilkundegesetz vom 31.03.1952).
BÄO und BTÄO sind – ungeachtet der Endung „-ordnung“ – ebenfalls Bundesgesetze i. S. des Art. 77 GG.
Im Bereich der Humanheilkunde spielt die GOZ naturgemäß keine Rolle, für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit von GOÄ und GOZ aber durchaus.
Die GOP stammt vom 08.06.2000. Sie ist für die Kläger nicht anwendbar. Dort gibt es aber dieselben Probleme wie bei GOÄ und GOZ. Sie wird im Rahmen dieser Klage nur am Rande be
rücksichtigt werden. Erwähnt sei, dass sich die Vergütung der psychotherapeutischen Leistungen nach der GOÄ richtet (§ 1 Abs. 1 GOP).
GOÄ und GOZ sind nach dem Grundsatz der Einzelleistungsvergütung aufgebaut. Jeder (zahn-)ärztlichen Leistung wird eine bestimmte Punktzahl zugewiesen. Diese ergibt, nach Maßgabe des § 5 Abs. 1 Satz 2 GOÄ/GOZ multipliziert mit dem in § 5 Abs. 1 Satz 3 GOÄ/GOZ genannten Punktwert und dann multipliziert mit dem im Rahmen des § 5 Abs. 1 Satz 1 GOÄ/GOZ bestimmbaren Steigerungsfaktor – unter Beachtung der Rundungsregeln in § 5 Abs. 1 Satz 4 GOÄ/GOZ – das (zahn-)ärztliche Honorar.
Für die Berechnung der Vergütung gilt also folgende Formel:
Punktzahl x Punktwert
x Steigerungsfaktor = Vergütung
Dieses Konzept der Einzelleistungsvergütung gilt auch für die GOP (über die Verweisung auf die GOÄ) und die GOT. Das Konzept der Einzelleistungsvergütung ist für private (zahn-)ärztliche Gebührenordnungen wesenstypisch und ohne ernsthafte Alternative. In Österreich und der Schweiz wird dies genauso gehandhabt.
Die möglichen Steigerungsfaktoren liegen seit der GOÄ 1982 / GOZ 1988 nach § 5 Abs. 1 Satz 1 GOÄ/GOZ im Bereich von 1,0 bis 3,5 (bei bestimmten technischen Leistungen bis 2,5), in der GOZ beim 1,0- bis 3,0-fachen Satz (§ 2 Abs 1 Satz 1 GOZ).
Als Normalwert (Schwellenwert) weist die GOZ seit 1988 und die GOÄ seit 1996 den 2,3-fachen Steigerungsfaktor aus (§ 5 Abs. 2 Satz 4 GOÄ/GOZ).
Über die Frage, unter welchen Bedingungen die Überschreitung des 2,3-fachen Steigerungsfaktors zulässig ist, streiten sich seitdem vor allem die Beihilfebehörden vor den Verwaltungsgerichten. Viele Verwaltungsgerichte vertreten dabei eine sehr restriktive Auslegung des § 5 Abs. 1 Satz 1 GOÄ / GOZ.
ls pars pro toto für dieses Problem soll ein Auszug aus einer Entscheidung des VG München vom 28.03.2019 – M 17 K 17.5524 –, Rz. 51 dienen:
„Zwar sollte es nicht so sein, dass der Arzt bzw. Zahnarzt für die Begründung der Schwellenwertüberschreitung mehr Zeit aufwenden muss als für die eigentliche Behandlung.
Ausführlich ärztliche Berichte oder gar Gutachten können daher nicht verlangt werden. Allerdings muss sich aus der gegebenen Begründung entnehmen lassen, weshalb bei den Patienten eine von der Masse der behandelnden Fälle abweichende Besonderheit vorlag und insbesondere, worin diese Besonderheit bestand (…). Die Begründung darf dabei nicht allgemein gehalten sein, sondern muss genügend Anhaltspunkte für einen Vergleich enthalten, bei dem deutlich wird, dass die Behandlungsschritte einen ungewöhnlich hohen Schwierigkeitsgrad aufwiesen, der deutlich über demjenigen lag, der durch die Regelspanne abgegolten wird (…). Allein wertende Schlussfolgerungen genügen grundsätzlich nicht, die Begründung muss auch einen nachvollziehbaren Tatsachenkern enthalten (…). Hierbei ist auch zu beachten, dass die Begründung allein vom behandelnden Zahnarzt selbst gegeben werden kann.“
Es sollte bekannt sein, dass Jura kein Teil des (Zahn-)Medizinstudiums ist und Arzt- und Zahnarztpraxen i. d. R. weder über eigene Rechtsabteilungen oder Experten im Gebührenrecht verfügen noch Statistiker vorhalten, mit deren Hilfe begründet werden könnte, „weshalb bei dem Patienten eine von der Masse der behandelnden Fälle abweichende Besonderheit vorlag“, sodass die Rechtsprechung die Behandler mit solchen Anforderungen an die Begründung der Steigerungsfaktoren systematisch strukturell überfordert.
Dieser Beitrag ist im BDIZ EDI konkret erschienen.