Patienten 23.03.2023
Herausforderungen bei biologischen Komplikationen
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Ist der Patient durch eine Parodontitis vorbelastet, kann dies Konsequenzen für eine spätere Implantation mit sich ziehen und die Wahrscheinlichkeit einer Periimplantitis erhöhen – dieser Erkenntnis geht der Düsseldorfer Parodontologe Dr. Sebastian Becher regelmäßig in seinen Vorträgen für verschiedene Gesellschaften auf den Grund. Durch klinische und wissenschaftliche Fragestellungen ist er Experte auf dem Gebiet der Hart- und Weichgewebschirurgie sowie der Versorgung von Parodontitispatienten mit Implantaten. Einen aktuellen Überblick zu biologischen Komplikationen, deren Abgrenzung und Therapieansätzen hat Dr. Becher im Interview gegeben.
Welche biologischen Komplikationen treten innerhalb der Implantologie auf und wie lassen sich periimplatäre Entzündungen klassifizieren?
In der Implantologie unterscheiden wir drei verschiedene Arten von Komplikationen: ästhetische, technische und biologische. Im Bereich der biologischen Komplikation ist die Periimplantitis die relevanteste, da diese mit einem frühzeitigen Risiko des Implantatverlusts einhergeht. Zwar ist der entzündliche Knochenabbau an den Implantaten seit Anbeginn der Implantologie bekannt, doch häufen sich die Fälle durch die stetig wachsende Anzahl an Implantaten von Jahr zu Jahr. Damit verbunden sind natürlich auch jene Fälle, in denen Patienten Entzündungsreaktionen zeigen. Seit 2018 können wir diese einheitlich klassifizieren und als Periimplantitis diagnostizieren. Im klinischen Vorgehen erfolgt dies über ein positives Bleeding on Probing (BOP), Suppuration und die Feststellung eines Knochenabbaus, der über den physiologischen Knochenumbau um das Implantat hinaus geht.
Wie stehen Parodontitis und Periimplantitis hinsichtlich ihrer Therapieansätze zueinander?
Obwohl Periimplantitis und Parodontitis oft miteinander verglichen werden, handelt es sich um komplett unterschiedliche Erkrankungsbilder, was sich neben einer eigenen Entzündungsdynamik und Progression vor allem in der Therapie zeigt. Hinsichtlich des Erfolgs sind nichtchirurgische Therapiensätze bei Periimplantitis extrem limitiert und stehen damit im Gegensatz zur Parodontitistherapie, welche oftmals ohne operative Eingriffe auskommt. Dabei hat das periimplantäre Weichgewebe eine wesentliche Schutzfunktion, welchem bereits bei der Implantation eine hohe Aufmerksamkeit zuteilwerden sollte. Bei suffizientem und qualitativ gutem periimplantären Weichgewebe zeigen sich deutlich weniger Entzündungszeichen. In der Folge geht damit auch weniger krestaler Knochenabbau einher. Um insuffizientes Gewebe wieder zu rekonstruieren, lassen sich klassische Techniken der Implantologie anwenden, die in der modernen Parodontologie nur noch sehr selten verwendet werden. So erleben beispielsweise Schleimhauttransplantate eine gewisse Renaissance in der Periimplantitistherapie.
In welchem Risikozusammenhang steht die Parodontitis im Rahmen einer implantologischen Versorgung?
Es ist wichtig, die Implantologie nicht als unabhängige Therapieform, sondern als Teil eines synoptischen Behandlungskonzeptes zu sehen. Wir wissen heutzutage, dass die Ursache des Zahnverlustes einen großen Einfluss auf die Zukunft des Implantats hat. Innerhalb unseres Verbundes (ECDI, European Centers for Dental Implantology) haben wir eine der weltweit größten Datenbanken zur Nachverfolgung von Implantaten – hier lässt sich ablesen, dass wir es in der Mehrzahl der mittleren Altersgruppe zu tun haben, die ihre Zähne durch eine Parodontitis verloren haben. Zwar haben Implantate eine wunderbare Vorhersagbarkeit, dennoch hat die Ursache des Zahnverlustes einen erheblichen Einfluss auf das Überleben der Implantate. Eine Parodontitisanamese ist auch immer mit erhöhten Komplikationsraten in der Implantologie assoziiert. Entzündungsfreie Parodontitispatienten haben letztendlich ein vier- bis sechsmal höheres Risiko, in der Folge eine Periimplantitis zu entwickeln. Gerade deshalb ist es wichtig, diese Risikopatienten im klinischen Alltag herauszufiltern und zu diagnostizieren. Es gilt, eine Parodontitis suffizient so zu therapieren, dass wir keine aktiven Entzündungszeichen mehr haben und eine parodontale Stabilität hergestellt wird. Erst dann sollte der Patient an die Implantologie überführt werden. Leider ist und bleibt der Parodontitispatient ein Risikopatient für biologische Komplikationen. Hier bedarf es eines strikten und regelmäßigen Nachsorgekonzeptes. Wird dieses konsequent umgesetzt, unterscheiden sich die Überlebensraten der Implantate zu der Gruppe von Patienten ohne Parodontitis nur minimal.
Welche Techniken zur chirurgischen Behandlung periimplantärer Erkrankungen entsprechen dem aktuellen wissenschaftlichen Stand?
Im Bereich der biologischen Komplikationen um Implantate lassen sich zwei Arten unterscheiden: Die periimplantäre Mukositis und die Periimplantitis, wobei Letztere unweigerlich zu einem entzündlichen Knochenabbau führt. Hier lässt sich mit nichtchirurgischen Therapiemaßnahmen keine Stagnation oder Remission erreichen, was bedeutet, dass die ursächliche Therapie der Periimplantitis ein chirurgischer Therapieansatz ist. Alle Maßnahmen können zusätzlich durch adjunktive Weichgewebschirurgie und Implantatoberflächendekontermination ergänzt werden. Dabei eignet sich eine Kombination aus Ultraschall, Titanbürstchen, Pulver-Wasser-Strahlgeräten und elektrolytische Reinigung. Bei einer adäquaten Therapie lassen sich auf diese Weise viele Implantate retten.
Chirurgische Therapieschwerpunkte der PeriimplantitisBasistherapie: Resektive Therapie: Regenerative Therapie: Kombinierte Therapieverfahren: |
Dieser Beitrag ist in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis erschienen.