Personalmanagement 09.06.2011

Teil 2: Praxisführung mit angestellten Zahnärzten



Teil 2: Praxisführung mit angestellten Zahnärzten

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Die Führung einer Mehrbehandlerpraxis ist eine attraktive Herausforderung für unternehmerisch orientierte Zahnmediziner. Wobei der Expansionsprozess hin zu einem Großbetrieb interessante Aufgabenstellungen und gleichzeitig einige typische Stolpersteine birgt. Im zweiten Teil dieser insgesamt fünfteiligen Fachbeitragsserie befassen wir uns mit dem Thema des gesunden Wachstums durch systematische Delegation.

Alle Zahnärztinnen und Mitarbeiterinnen bitte ich um Verständnis dafür, dass ich aus Gründen der besseren Lesbarkeit im Folgenden nur die männliche Form für die Berufs- und Positionsbeschreibungen gewählt habe. Die dargestellten Aussagen betreffen natürlich die zahlreichen, mit großem Erfolg agierenden Frauen gleichermaßen. Eine interessante Kennziffer bei jeder breit aufgestellten Praxis ist die Quote, welcher Leistungsanteil (= sein Anteil am Gesamthonorar) vom Praxisinhaber selbst am Patienten erbracht wird. Bei einer Praxis mit einem Inhaber und beispielsweise zwei angestellten Zahnärzten konnten wir in unserer Beratungstätigkeit eine Spannbreite zwischen 24 Prozent und rund 60 Prozent erleben. Laborumsätze bleiben hierbei unberücksichtigt. Grundsätzlich gibt es bei dieser Quote kein richtig und falsch, denn jede Praxis hat ihre Besonderheiten und ihr personenbezogenes Leistungsbild.

Heruntergerechnet in konkrete Zahlen zeigt sich jedoch sehr schnell, welche Relevanz dahinter liegt: Bei einem Honorarjahresumsatz von beispielsweise 1,2 Millionen Euro (generiert durch insgesamt drei Zahnärzte und die gesamte Prophylaxe) erbringt der Chef im ersten Fall (24 Prozent) mit eigener Arbeit 288.000 Euro Honorar im Jahr. Die übrigen 912.000 Euro werden durch angestellte Zahnärzte und Prophylaxe erbracht. Im zweiten Fall generiert der Chef 720.000 Euro (= 60 Prozent) pro Jahr. Die „anderen“ erwirtschaften zusammen 480.000 Euro. Bei Kalkulation mit der üblichen Größe von 45 Arbeitswochen im Jahr zeigt sich im ersten Fall ein vom Inhaber selbst erwirtschaftetes Wochenhonorar von 6.500 Euro, im zweiten Fall eines von knapp 16.000 Euro. Spannende Frage: Wie viele Behandlungsstunden hat der Chef dafür aufgewendet? Wenn die beachtlichen 16.000 Euro in 25 Behandlungsstunden pro Woche erzielt werden: Kompliment! Es wird eine lukrative Nische besetzt.

Hier lohnt es sich, nun konsequent die Prophylaxe und den Leistungsumfang der angestellten Zahnärzte auszubauen, um ein stimmiges Gesamtgefüge herzustellen. Wenn diese 16.000 Euro aber so zustande kommen, dass der Chef jeden Tag zahllose Patienten selbst behandelt und seit Jahren in seiner Praxis unmenschliche Arbeitszeiten ableistet – dann empfiehlt es sich, Themen wie Effizienz, Balance und Zukunftsfähigkeit in den Fokus zu stellen. Denn: Je mehr die Tagesarbeit am Patienten auf den Schultern des Inhabers liegt, desto weniger Zeit hat er für seine zentralen unternehmerischen Aufgaben: Zukunftsweisendes Management und wirksame Personalführung. 


Effizienzsteigerung durch gezielte Delegation 

Wer eine große Praxis mit stabilem Erfolg führen möchte, tut gut daran, rechtzeitig das wirkungsvolle Delegieren zu lernen und dann systematisch die dafür vorhandenen Spielräume im Praxisbetrieb voll auszuschöpfen. Neben der eigenen Arbeit am Patienten gibt es in der Mehrbehandlerpraxis folgende Produktivkräfte:
1. Stuhlassistenz
2. Mitarbeiter Prophylaxe
3. angestellte Zahnärzte
Ferner natürlich auch das Praxislabor, welches an dieser Stelle jedoch nicht weiter besprochen wird. 


Stuhlassistenz 

Erfahrungsgemäß läuft die verantwortliche Einbindung der Stuhlassistenz in die Behandlungsabläufe (Abformungen, Provisorien etc. – dafür gibt es eine lange Liste) in vielen Praxen gut. Sofern eine ausreichende Anzahl an Zimmern da ist und die Mitarbeiter fundiert angelernt werden, können sie die Zahnärzte wirkungsvoll entlasten und damit die Produktivität der Praxis positiv befördern. Hohe Eigenverantwortung am Arbeitsplatz birgt für die Mitarbeiter das Gefühl der Wertschätzung und Herausforderung. Ein hoch attraktiver Bereich für delegierte Leistungen ist die Prophylaxe. Wobei die Chancen der Prophylaxe zentral davon abhängen, wie stark das gesamte Praxisteam diesen Leistungsbereich „in den Köpfen verankert“ hat und welche Ablaufstrukturen etabliert sind: Es empfiehlt sich auf jeden Fall ein für alle Zahnärzte vereinheitlichter Ablauf der Kontrolluntersuchung (01), zu der auch die routinierte Empfehlung zur PZR bei entsprechendem PSI-Befund (04, nur alle zwei Jahre abrechenbar, zwischenzeitlich als Serviceleistung/ Argumentationshilfe erbringen) gehört.

Die Prophylaxe kann sich unter folgenden Voraussetzungen zu einem profitablen Leistungsbereich entwickeln:
– Die PZR ist als elementarer Baustein sowohl im Therapiekonzept aller Behandler als auch
   in der Verwaltung (separates Recall, effizientes Terminmanagement) fest verankert.
– Im Optimalfall ist einer der (angestellten) Zahnärzte PAR-Spezialist und verantwortet ein
   ausgefeiltes PAR-Behandlungskonzept, in das die Mitarbeiter der Prophylaxe dicht eingebunden sind.
– Die IP für Kinder wird systematisch verfolgt und erbracht.
– Der Prophylaxebereich hat ausreichende eigene Zimmerkapazitäten. Bei einem Schichtbetrieb
   mit beispielsweise insgesamt drei Zahnärzten sollten zwei Zimmer durchgängig ausgelastet sein.
– Es werden in der Prophylaxe ausschließlich qualifizierte Fachkräfte beschäftigt, die eine fundierte
   Ausbildung genossen haben und über Kommunikationsstärke verfügen.

Es lohnt sich, die Eigeninitiative dieser Mitarbeiter gezielt zu fordern und zu fördern. Im Beispiel einer Praxis mit einem Inhaber und zwei angestellten Vollzeitzahnärzten sollte die Prophylaxe auf Dauer mit einem Honorarvolumen von rund 300.000 Euro (als Mittelwert, viele Praxen liegen auch darüber) zum Gesamterfolg der Praxis beitragen. Als fast vollständig delegierbare Leistung, die linear hintereinander ohne Stuhlassistenz erbracht wird (im Gegensatz zur zahnärztlichen Behandlung) verbindet die Prophylaxe in idealer Weise ein zukunftsorientiertes Behandlungskonzept mit betriebswirtschaftlichen Vorteilen. Die realen Potenziale hängen natürlich zum Teil auch von der durchnschnittlichen Kaufkraft des Patientenklientels ab. 


Angestellte Zahnärzte 

Um das Leistungs- und Honorarpotenzial voll auszuschöpfen, ist es von entscheidender Bedeutung, ihnen die dafür notwendigen Rahmenbedingungen zu bieten. Viel zu häufig ist zu beobachten, dass angestellte Zahnärzte mit 35 Behandlungsstunden pro Woche innerhalb eines Honorarspektrums zwischen 10.000 und 13.000 Euro als Durchschnittswert pro Monat pendeln. Diese Größenordnung ist nicht überzeugend: Der Kollege ist damit nicht ausgelastet, ferner bietet sich zu wenig Substanz für eine der Ausbildung angemessene Vergütung. 


Gesundes Wachstum 

Erklärtes Ziel sollte es sein, alle Kräfte der Praxis darauf einzustellen, dass der angestellte Zahnarzt nach einer  Einarbeitungsphase auf monatliche Durchschnittsumsätze jenseits der 20.000 Euro kommt. In der Spitze habe ich 30.000 Euro als stabile Größe (also 360.000 Euro Honorar im Jahr) gesehen. Die wesentlichsten Voraussetzungen dafür sind:
– Der Praxisinhaber sorgt dafür, dass der angestellte Zahnarzt ab der ersten Minute volle
   persönliche und fachliche Anerkennung sowohl von ihm selbst als auch vom gesamten Team erfährt.
– Die Praxis hat ausreichende Patientenzahlen (Marketingkonzept). Neupatienten werden nach
   fixen Kriterien (siehe Teil 1 dieser Fachbeitragsserie) so verteilt, dass sich der angestellte
   Zahnarzt einen eigenen Stamm aufbauen kann.
– Es wird innerhalb der Zahnärzteebene eine stimmige Kombination von Spezialisierungen
   befördert (z.B. Endo, PAR, ästhetische ZHK, Implantologie
– Kinderzahnheilkunde dient Marketingzwecken, ist aber für Aufbau von Honorarstärke eher ungeeignet).
– Die Kollegen überweisen sich nach festen Absprachen für ihre jeweiligen Spezialgebiete
   praxisintern die Patienten.
– Der angestellte Zahnarzt kann durchgängig zwei Zimmer (= übergreifende Terminierung sicherstellen/
   Produktivität fördern) parallel nutzen und hat ausreichende, qualifizierte Assistenzkräfte
   (nicht nur Azubis!) an seiner Seite.
– Der angestellte Zahnarzt kennt den HVM sowie die Kriterien der Wirtschaftlichkeit. Er wird zur
   täglichen Leistungserfassungskontrolle verpflichtet und hat Zugang zu seinen statistischen Daten.
– In der Praxis existiert ein klar definiertes Spektrum von Zuzahler- und Selbstzahlerleistungen
   mit einer Preisliste, die für alle verbindlich ist.
– Befundung und Therapieplanung laufen nach einem praxiseinheitlichen Modus. Die angestellten
   Zahnärzte können Impulse einbringen und haben natürlich für ihre Spezialgebiete Gestaltungs-
   möglichkeiten. Es muss unbedingt vermieden werden, dass sich innerhalb der Praxis behandler-
   bezogen eine Zwei- Klassen-Medizin etabliert, denn daran entzünden sich die größten Konflikte.
– Der Praxisinhaber steht dem angestellten Zahnarzt als „Coach“ zur Seite, nimmt sich
   ausreichend Zeit für Einarbeitung und Führung, verfolgt die Zahlen und sorgt für ausreichende
   Kommunikation und Abstimmung innerhalb der Zahnärzte-Ebene und auf den Schnittstellen
   zu Verwaltung und Prophylaxe.
– Der Chef will, dass die Mitarbeiter stark werden und untermauert dies durch sein Führungsverhalten.
   Diese Grundhaltung ist substanziell für gelingende Delegation und gesundes Praxiswachstum.
– Es wird eine Vergütungsregelung gefunden, die von allen als fair akzeptiert wird und mit den
   langfristigen Praxiszielen korreliert.

Damit sind Rahmenbedingungen geschaffen, die einen hoch profitablen Betrieb ermöglichen. Die notwendigen Arbeitszeiten für Management, Teamführung und Qualifizierung der zahnärztlichen Mitarbeiter organisiert sich der Chef durch kluge Kürzung der eigenen Patientenbehandlungszeiten und den sich ergebenden, zunehmenden Delegationsgrad.

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