Praxishygiene 11.12.2020

COVID-19 und die Hygiene in Zahnarztpraxen



COVID-19 und die Hygiene in Zahnarztpraxen

Seit spätestens März 2020 ist unser Leben nicht mehr so, wie wir es bis dahin kannten. COVID-19 dominiert nicht nur die täglichen Schlagzeilen, es dominiert die politischen Entscheidungen und damit unser aller Leben, im beruflichen wie privaten Bereich. Doch welche konkreten Auswirkungen hat COVID auf das Arbeiten in der Zahnarztpraxis und auf den Umgang der Beschäftigten untereinander sowie mit den Patienten?

Mit dem Fokus auf das hygienisch tatsächlich Notwendige die kurze Antwort vorweg: Für den Kontakt zwischen zahnmedizinisch Tätigen und Patienten sind nur ein paar überschaubare Spezifizierungen oder auch Erweiterungen dessen, was schon lange für die Hygiene in Zahnarztpraxen gilt, erforderlich. Die mittelbaren Auswirkungen jenseits der direkten hygienischen Prävention sind dagegen – zumindest momentan – immens.

SARS-CoV-2: Überwiegend aerogene Übertragung

Ebenso kurz die Begründung hierfür: SARS-CoV-2, das COVID auslösende Virus wird ganz überwiegend aerogen, das heißt, durch Tröpfchen und Aerosole, übertragen. Direkte Kontakte mit frisch kontaminierten Händen können zumindest theoretisch für die Übertragung eine gewisse Bedeutung haben. Indirekte Kontakte zu kontaminierten Oberflächen sind dagegen weitestgehend irrelevant, unter anderem weil das behüllte Virus eine geringe Umweltstabilität (Tenazität) aufweist. Ferner bedingt die Virushülle aus Wirtszellmembran eine große Empfindlichkeit gegenüber Desinfektionsmitteln.

Daraus folgt, das alle Präventionsmaßnahmen gegen Kontaktübertragungen, also insbesondere die Händehygiene und Flächenhygiene, als solche sehr effizient das Virus abtöten, aber wenig gegen die Verbreitung des Virus wirken. Hochwirksam sind alle Maßnahmen, die die aerogene Verbreitung von Erregern unterbinden, auch wenn sie als solche vielleicht nicht besonders effizient Viren inaktivieren.

Erregerübertragungen über Kontakte mit den Spezialformen der Übertragung durch kontaminierte Instrumente oder kontaminiertes Wasser sind insgesamt auch in Zahnarztpraxen der häufigste Weg. Die Masse der Präventionsmaßnahmen in Zahnarztpraxen richtet sich daher auch zurecht gegen diesen Übertragungsweg.

Zusätzlich zu diesem Übertragungsweg und viel häufiger als in den allermeisten medizinischen Disziplinen entstehen in der Zahnmedizin Erreger-haltige Tröpfchen und Aerosole. Tröpfchen und Aerosole bestehen beide aus einem Gemisch unterschiedlich voluminöser Flüssigkeitstropfen. Sie unterscheiden sich durch die Menge der in den Tropfen enthaltenen Flüssigkeit – in Ersteren ist mehr, in Letzteren weniger enthalten. Das Volumen der Tropfen bestimmt wiederum über deren Erregergehalt, Reichweite, Schwebdauer und Atemwegs-/Lungengängigkeit. Zudem ist das gesamte am Patienten tätige Personal diesen Tröpfchen und Aerosolen auch stärker exponiert als das Personal anderer medizinischer Disziplinen.

Im Regelfall stammen die Tröpfchen und Aerosole hauptsächlich von den behandelten Patienten – diese tragen während der Behandlung keine Maske und es wird in deren Mundraum mit Tröpfchen-/Aerosol-bildenden Techniken gearbeitet. Dabei enthalten die Tröpchen/Aerosole gesunder bzw. infektiologisch asymptomatischer Patienten physiologische Bakterien, Pilze und einzellige Parasiten der Mundflora, aber auch potenziell pathogene Mikroorganismen (ganz überwiegend Bakterien). Insbesondere in der Wintersaison kommen Atemwegs- und Magen-Darm-Trakt-pathogene Viren hinzu – sofern infizierte, aber noch nicht symptomatische bzw. wenig symptomatisch erkrankte Personen behandelt werden. Ein physiologischer asymptomatischer Trägerstatus für diese Art von Viren existiert nicht.

Die Erreger in den Tröpfchen/Aerosolen stellen zunächst eine potenzielle Gefährdung für das direkt exponierte Personal, bei schlecht gelüfteten Räumen gegebenenfalls auch für die Folgepatienten dar. Da die Eintrittspforten in den Körper der exponierten Personen Mund, Nase und Augenbindehäute sind, schützen sich alle zahnmedizinisch Tätigen tagtäglich mit einem korrekt angelegten Mund-Nasen-Schutz und einer Schutzbrille. Das anstelle der Schutzbrille mögliche Visier hat sich bisher in der täglichen Praxis nicht durchgesetzt. Natürlich soll auch die emittierte Menge an Tröpfchen/Aerosolen minimiert werden – zum Beispiel durch Legen eines Kofferdams.

Diese etablierten Schutzvorkehrungen reichen in erster Näherung offenbar aus, um die jährlichen Epidemien durch Influenza- und Noroviren ohne beruflich bedingte Ansteckungen zu überstehen. Belege hierzu durch in Deutschland erhobene flächendeckende wissenschaftliche Untersuchungen zu einer berufspezifischen Infektionsepidemiologie sind leider rar. Auch fehlen öffentlich zugängliche Daten der Krankenkassen zum Thema. Zumindest weisen die aktuellen Zahlen der BGW gemeldeten Fälle von Berufs-assoziierten Infektionen kein erhöhtes Risiko aus.

Was tun? Von Anamnese bis Antigen-Schnelltest

Was ergibt sich daraus für den Umgang mit (potenziellen) COVID-19-Patienten? Die gute Nachricht zuerst: Die ordnungsgemäß durchgeführte Hände-, Flächen- und Instrumentenhygiene reichen allesamt für die über diese Vehikel nicht sonderlich große Gefährdung durch COVID-19 aus. Bezüglich des Schutzes gegen Tröpfchen und Aerosole stellt sich die Frage, welche Patienten überhaupt behandelt werden.

Sofern diese keine Notfälle darstellen, sind Patienten mit jeglichen mittelschweren bis schweren Atemwegsinfektionen so lange zurückzustellen, bis die ansteckende Phase der Erkrankung (in der Regel fünf bis maximal sieben Tage nach Symptombeginn für die Masse an Atemwegsinfektionen außer COVID. Für einen schweren Verlauf dieser Erkrankung werden infektiöse Perioden von zehn und mehr Tagen nach Beginn der ersten Symptome diskutiert) überwunden ist. Problematischer wird es, wenn es um wenig symptomatische bis asymptomatische Patienten geht – COVID-Patienten produzieren typischerweise bereits zwei Tage vor dem Beginn von Symptomen potenziell infektiöse Virusmengen in ihren oberen Atemwegen und tun dies sieben bis zehn Tage nach deren Einsetzen.

Selbstverständlich besteht die Möglichkeit, bei klinisch unauffälligen und damit für die Behandlung prinzipiell infrage kommenden Patienten eine Expositionsrisiko-bezogene Anamnese durchzuführen – zum Beispiel über einen vor Betreten der Praxis auszufüllenden Fragebogen bzw. durchzuführendes Telefoninterview. Der Nutzen sei angesichts der häufig symptomarmen Krankheitsverläufe, der steten Ausbreitung von Risikogebieten und der Unsicherheit eines jeden über den COVID-Status in seiner unmittelbaren Umgebung dahingestellt.

Prinzipiell könnte auch ein Antigen-Schnelltest vor der Behandlung durchgeführt werden. Nur: Wer vom Personal führt den Test durch, wer übernimmt die Protokollierung und den Meldekontakt zum Gesundheitsamt, wer das Sicherheits- und Qualitätsmanagement und vor allem, wer kommt dafür auf? Die gerade bis Ende des Jahres 2020 verlängerte COVID-19-Hygienepauschale für Zahnarztpraxen reicht hierfür keinesfalls aus. Andere Erstattungsmöglichkeiten für Tests sind in den Bundesländern uneinheitlich und zudem volatil geregelt. Es bleibt daher in der täglichen Praxis gegenwärtig nichts anderes übrig, als sämtliche Patienten als COVID-Patienten mit niedrigem Risiko einzustufen und sich entsprechend zu schützen.

DGZMK-Leitlinie

Hierzu hat die DGZMK unter Beteiligung weiterer Fachgesellschaften und Organisationen im September 2020 eine S1-Leitlinie erstellt („Umgang mit zahnmedizinischen Patienten bei Belastung mit Aerosolübertragbaren Erregern“ AWMF-Registriernr. 083-046). Darin wird für ein Herausfiltern der Verdachtsfälle durch die Risikoanamnese, ein Ausdünnen der in der Praxis anwesenden Personen durch ein gezieltes Einbestellen zu bestimmten Zeiten beziehungsweise den Verweis COVID-verdächtiger Patienten an spezielle Zentren oder die Vorlage eines aktuellen negativen COVID-Testes durch diese Personen plädiert. Patienten sollen ab Betreten der Praxis bis zur Behandlung eine Maske tragen. Umgekehrt reicht für das behandelnde Personal der bisher gültige Standard an Arbeitsschutzmaßnahmen, sprich Mund-Nasen-Schutz und Schutzbrille, aus.

Bei jedem stärkeren Verdacht auf das Bestehen einer COVID-19-Erkrankung wird zur Erhöhung des Personalschutzes das Tragen einer FFP2- bzw. FFP3- Maske anstelle eines einfachen Mund-Nasen-Schutzes und eines Visiers zusätzlich zur Maske und Schutzbrille empfohlen. Für das generelle Tragen einer FFP-Maske bei jeglichen Behandlungen sah das Autorenteam der Leitlinie keinen Anlass. Auf die Bedeutung von mit der Gesichtshaut dicht abschließenden Schutzbrillen („Skibrillen“) geht die Leitlinie nicht ein. Für andere laut RKI-SARS-CoV-2-Steckbrief Hochrisikoprozeduren an Patienten, wie dem In- und Extubieren, fordern die Leitlinien der entsprechenden Fachgesellschaften die Nutzung solcher Brillen.

Aufseiten des Patienten wird eine antiseptische Behandlung der Mundhöhle mit einem Schleimhautdesinfektionsmittel (diverse Beispiele sind genannt) über 30 bis 60 Sekunden, das Legen eines Kofferdams, die großvolumige Absaugung des Spraynebels bzw. der Verzicht auf Techniken, die zum Spraynebel führen, empfohlen. Nach jeder Behandlung soll zudem der Raum ausgiebig belüftet werden.

Bis hierher sind Risiken und Präventionsmaßnahmen im Umgang mit Patienten aufgeführt. Leider gibt es noch keine Daten für deutsche Zahnarztpraxen, die das Ausmaß eines entsprechenden Risikos beziffern würden. Aus den Erfahrungen in medizinischen Einrichtungen ist allerdings klar, dass der Kontakt zwischen Patienten und medizinischem Personal nur in geringerem Maß zur Inzidenz von COVID unter dem Personal beiträgt. Viel häufiger kommt es zu Infektionen durch Kontakte außerhalb der Arbeit, insbesondere innerhalb der Familie bzw. dem engen persönlichen Umfeld, sowie durch Freizeitaktivitäten und durch Reisen.

Fazit

Die Risiken und Aufgaben in Zahnarztpraxen sind durch COVID zahlreicher geworden. Dagegen haben die hygienischen Präventionsmaßnahmen in sehr überschaubarem Ausmaß zugenommen – denn auch die bisherigen Maßnahmen verleihen gegenüber COVID ein hohes Schutzniveau, wenn sie denn gewissenhaft umgesetzt werden. Insofern hat COVID auch sein Gutes – es erinnert uns an das, was wir jederzeit für die Hygiene in der Praxis tun sollten, und zeigt uns zugleich, wie vorteilhaft das sein kann.

Der Beitrag ist in ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis erschienen.

Foto Teaserbild: DC Studio – stock.adobe.com

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