Praxishygiene 15.10.2019

Richtlinienkonformes Hygienemanagement schützt Patienten und Behandler

Die Praxishygiene ist essenzieller Bestandteil eines Qualitätsmanagements. Mängel oder Fehler im Hygienebereich können schnell Komplikationen, Behandlungsfehlervorwürfe und eventuell sogar Haftungsansprüche nach sich ziehen. Es liegt daher im genuinen Interesse des Behandlers, durch einen aktuellen Hygieneplan und gewissenhaftes Hygienemanagement angemessene Vorkehrungen zu treffen.

Inzwischen gibt es keine Zweifel mehr daran, dass der vom Robert Koch-Institut 2001 angedachte, standardisierte, strukturierte und überprüfbare (validierbare) Aufbereitungsprozess in allen Bereichen medizinischer Aufbereitung Einzug gefunden hat bzw. haben muss.1 Die Verfahren bzw. Prozessabläufe und Gerätschaften sind ausreichend erprobt, d. h. die Verfahren verifiziert. Somit hat jeder Betreiber das Rüstzeug zur Hand und muss es lediglich vor Ort für seine individuellen Abläufe validieren bzw. regelmäßig überprüfen lassen (erneute Leistungskontrollen oder auch Revalidierung). Entsprechend gibt es ebenso klare Anweisungen, wie der Betreiber zu verfahren hat, wann wesensrelevante Parameter seiner Abläufe verändert werden.

Grundlage für ein solides Hygienemanagement bildet neben Reinigungs- und Desinfektionsplänen somit auch weiterhin der sogenannte Hygieneplan. Er ist wichtig (und daher auch gesetzliche Vorschrift), um Fehler zu vermeiden und im Schadensfall nachweisen zu können, dass alle gesetzlichen Bestimmungen erfüllt wurden. Das Hygienemanagement sollte nicht nur fachlich, sondern eben auch wegen der rechtlichen Folgen als Bestandteil des Qualitätsmanagements ernst genommen werden und nicht nur auf dem Papier stehen. In der Regel erfolgt z. B. von der DAHZ in Zusammenarbeit mit der BZÄK eine Aktualisierung der vollumfänglichen Leitfäden in etwa im jährlichen Rhythmus.

Hygiene als Bestandteil der QM

Hygiene ist unumstößlich und unbestritten Bestandteil eines Qualitätsmanagements (QM) – dessen bloße Existenz bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass die hygienischen Maßnahmen und Abläufe dem aktuellen Stand der Vorgabe und des Wissens entsprechen. Egal, wie hoch der eigene Wissensstand und der einrichtungsinterne Aufwand für entsprechende festgelegte Maßnahmen auch sein mögen: Jeder muss sich bewusst sein, dass sich trotz aller Bemühungen über die Zeit eine gewisse „Betriebsblindheit“ einschleichen kann oder essenzielle Dinge aus Unkenntnis dem Rotstift zum Opfer fallen. Deswegen hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) als oberstes Gremium in den neuen Vorgaben (2014 ff.) auch explizit die Etablierung eines Fehlermanagements gefordert, d. h. ein Eingehen auf die Maßnahmen beim Auftreten eines Fehlers und Sicherstellen der zukünftigen Fehlervermeidung durch klare Anweisung, wie in dem Falle zu verfahren und vor allem zu dokumentieren ist.

Daher schadet es nie, wenn sich Betreiber in regelmäßigen Abständen einer sogenannten „Fremdschau“ durch Fachkräfte im Bereich Hygiene unterziehen, um durch freiwillig auferlegte externe Betrachtung kritisch zu prüfen, ggf. doch vorhandene Lücken, Schwachstellen oder eingeschlichene Fehler innerhalb des eigenen QMs und der Einrichtung zu erkennen und durch die gewonnenen Erkenntnisse auch zu beseitigen. Dies gilt auch oder gerade bei Praxisneugründungen und -übernahmen, wenn eine gewisse Erfahrung eben noch fehlt.

Auf dem aktuellen Stand der Technik

Dazu zählen aber auch regelmäßige Informationen zum „a. S. v. W. u. T.“ (aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik), was sich beispielsweise auch 2019 bei der in zweijährigem Abstand stattfindenden Leitmesse IDS in Köln gezeigt hat: Wie in vielen anderen Bereichen auch, wurden neue Gerätschaften namhafter Hersteller bzw. teilweise auch von bekannten Herstellern erstmalig Gerätschaften vorgestellt, die im Rahmen der Aufbereitungsprozesse zum Tragen kommen.

In der Regel geht es darum, erforderliche Prozesse zum einen sicherer, aber zum anderen auch einfacher in der Handhabung zu gestalten. Das betrifft sowohl die Tätigkeiten der in der Aufbereitung beschäftigten Mitarbeiter, aber ebenso auch die Servicetechniker, die bei Störungen für Abhilfe sorgen müssen. Sehr erfreulich in diesem Zusammenhang die Bestrebungen der Industrie, dem Betreiber im Bereich der laufenden Kosten entgegenzukommen, indem auch in Zusammenarbeit mit diversen Kammern verlängerte Laufzeiten bis zu den regelmäßig erforderlichen Prüfungen (STK, WTK, aber auch erneute Leistungskontrolle) seitens der Hersteller freigegeben wurden. Es bleibt zu hoffen, dass diese erfreulichen Ansätze bald eine schriftliche Umsetzung in den Normen finden werden, um dem Betreiber noch mehr Rechtssicherheit zu verschaffen.

Im Wesentlichen geht es um die sogenannten validen Prozesse, d. h. den gesicherten Nachweis, dass klar definierte geprüfte Prozesse vor Ort nachvollziehbar bzw. belegbar immer in gleicher Form ablaufen und somit das einmal durch eine externe Fachkraft nachgewiesene Ergebnis durch die klar festgelegten Abläufe immer wieder und wieder erzielt wird (manipulationsgeschützter Nachweis und Vermutungswirkung, dass ein erfolgreicher Prozess wie Reinigung, Desinfektion oder Sterilisation erfolgreich sein muss, wenn von den definierten Parametern eindeutig nachprüfbar nicht abgewichen wird).

Der (Zahn-)Arzt bzw. die Klinik hat laut Rechtsprechung „seinen Praxisbetrieb so zu organisieren, dass ein Patient im Zusammenhang mit der Behandlung in der Sprechstunde nicht zu Schaden kommt“. Zu den Dingen, die in medizinischen Einrichtungen zu organisieren sind und die im Zusammenhang mit Behandlungsfehlervorwürfen immer wieder auftauchen, zählt als elementarer Bereich unter anderem die Hygiene.

Der Behandlungsvertrag, der als Dienstvertrag definiert wird, verpflichtet somit (Zahn-)Ärzte zu sorgfältiger Arbeit – nicht zu einem Erfolg. Das Auftreten von Komplikationen ist also nicht per se ein Behandlungsfehler. (Zahn-)Ärzte haften nur dann bei Schäden, wenn Sorgfaltsmängel zu diesen geführt haben. Wer die Hygienevorschriften einhält, reduziert das Risiko von Infektionen und Entzündungen – und ist gegen Behandlungsfehlervorwürfe gewappnet. Zu der geschuldeten Sorgfalt zählt, neben einer guten Indikationsstellung und Aufklärung, die Einhaltung der Hygienestandards und deren vollumfängliche Dokumentation.

Der Hygieneplan

Die Grundlage für einen erfolgreichen Nachweis, dass die Hygienestandards eingehalten werden, ist das Vorliegen des o. g. aktuellen Hygieneplans bzw. dessen erforderliche regelmäßige Überprüfung und Aktualisierung. Er ist Bestandteil des Qualitätsmanagements (QM) und in medizinischen Einrichtungen mit invasiven Eingriffen vorgeschrieben. Der Hygieneplan legt alle hygienischen Maßnahmen fest, von der Hände- und Oberflächenreinigung/-desinfektion bis zur Aufbereitung medizinischer Geräte und Medizinprodukte. Gerade der oftmals diskutierte Fall der Fingernägel oder Nagellacke ist gesetzlich klar geregelt und muss vom Betreiber peinlichst genau umgesetzt, im Hygieneplan festgehalten und von den Mitarbeitern bestätigt werden – ein jüngstes Urteil des Arbeitsgerichts Aachen in 2019 bestätigt dies ausdrücklich (Urteil vom 21.02.2019 – Aktenzeichen:  1 Ca 1909/18).

Auch der Umgang mit Medikamenten und der Abfallentsorgung wird beschrieben und Zuständigkeiten festgelegt. Fehlt ein solcher Plan, wird im Streitfall i. d. R. angenommen, dass grundlegende Regelungen nicht getroffen wurden und somit Hygienemängel bestehen. Den Hygieneplan als wesentlichen organisatorischen Baustein muss das Praxisteam im Alltag mit Leben erfüllen. Eine angemessene Dokumentation der im Einzelfall durchgeführten hygienischen Maßnahmen ergänzt den Plan.

Bei Behandlungsfehlervorwürfen, bei denen die Einhaltung der Hygieneregeln und -standards strittig ist, werden Hygienepläne und -protokolle, Aufbereitungsdokumentationen (gesamter Aufbereitungsprozess) und OP-Berichte herangezogen und genau geprüft. Da können zum Beispiel die ausreichende Einwirkzeit eines Antiseptikums und die persönliche Hygiene, also etwa Händedesinfektion, Mundschutz oder sterile Handschuhe, im Fokus stehen. Folglich muss dies regelmäßig (gemäß Hygieneplan) unterwiesen, bestätigt und vor allem dokumentiert, aber auch den aktuellen Bedürfnissen und Anforderungen angepasst werden.

Zahnärzte sollten insbesondere auch auf die Sicherheitsaufklärung achten: Sollte trotz aller Hygienevorschriften eine Entzündung oder ein Infekt eintreten, so sollten die Patienten darüber aufgeklärt worden sein, dass dies passieren kann. Wichtig ist der Hinweis, dass sie bei entsprechenden Symptomen, die zu benennen sind, sofort einen Arzt aufsuchen.

Schutzpflicht als Arbeitgeber

Hygiene ist nicht nur im Zusammenhang mit der Patientenversorgung ein relevantes Thema. Praxisinhaber sind auch als Arbeitgeber verpflichtet, Hygienestandards einzuhalten. Die Beschäftigten einer Praxis sind über die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) unfallversichert; Arbeitgeber respektive Praxisinhaber müssen auch nach Vorschriften der BGW hygienische Anforderungen erfüllen. Daraus resultiert unter anderem die Pflicht, persönliche Schutzkleidung zur Verfügung zu stellen. Kommt es zu einem Arbeitsunfall, weil ein Arbeitgeber fahrlässig Vorschriften missachtet hat, so wird die BGW zwar die Kosten übernehmen, sich diese aber vom Arbeitgeber erstatten lassen (Regressansprüche). Außerdem besteht das Risiko eines Bußgeldes in Höhe von bis zu 10.000 Euro bei Verstößen gegen die Unfallverhütungsvorschriften bzw. Berufsgenossenschaftliche Vorschriften für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz bzw. bis zu 25.000 Euro im Schadensfall – je Verstoß.

Eine Frage der Haftung

Ein Behandlungs- bzw. Pflegefehler ist immer dann anzunehmen, wenn der Zahnarzt bzw. das sonst tätig gewordene Personal gegen anerkannte Regeln, zum Beispiel der Hygiene, verstoßen oder sorgfaltswidrig gehandelt hat. Juristisch interessanter für den Betreiber (= Haftenden) und auch den behandelnden (Zahn-)Arzt ist aber die Frage, wen die Haftung im Verschuldensfalle trifft. Durch die letzte Änderung des Infektionsschutzgesetzes IfSG (28.  Juli 2011) sowie das aktuelle Patientenrechtegesetz PatRG (26. Februar 2013) hat der Gesetzgeber dem Geschädigten (Patienten) die Beweislast „abgenommen“ und größtenteils in die Hände des Betreibers gelegt.

Anhaltspunkte dazu liefert neben dem IfSG, dem Medizinproduktegesetz MPG und der Medizinprodukte-Betreiberverordnung MPBetreibV in Deutschland, aber auch weltweit, das Robert Koch-Institut (RKI) mit seinen Empfehlungen (KRINKO bzw. ART), die vom Gesetzesgeber mit dem IfSG im Bereich Deutschlands Gesetzescharakter erhalten haben (vgl. dazu § 4 Abs. 2 MPBetreibV, VG Arnsberg Az.: 3 L 1444/4).

Grundlagen für eine mögliche Haftung

Nicht zuletzt aufgrund der öffentlichen Diskussion in den Medien einerseits und der Bestimmung des § 630a Abs. 1 BGB (PatRG) mit Beweislastumkehr andererseits sehen sich Ärzte und Kliniken vermehrt dem Vorwurf einer Haftung aufgrund von Hygienemängeln und einer dadurch bedingten Infektion ausgesetzt. Hierbei steht im Mittelpunkt, ob (Zahn-) Arzt oder Klinik die ihnen obliegenden Pflichten auf dem Gebiet der Infektionshygiene verletzt haben. Wesentlich dafür ist die Frage, zu welchen Hygienemaßnahmen beide aufgrund des Behandlungsvertrages verpflichtet sind. Durch die Änderungen 2011 spricht das IfSG nur noch von „Einrichtungen“ medizinischer Art und differenziert nicht mehr zwischen stationär und ambulant (was allerdings in Fachkreisen berechtigterweise umstritten ist).

Den zuständigen Behörden wiederum steht es zu, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um Gefahren für Einzelne (Patienten, aber auch Anwender) oder die Allgemeinheit (Dritte) zu treffen (§ 28 Abs. 1, 2 MPG und § 16 Abs. 1 IfSG), denn nach Artikel 2 GG ist die Gesundheit des Menschen eines der höchsten zu schützenden Güter.

Im dennoch denkbaren und auch real existierenden Schadensfalle muss der Patient zunächst das Vorliegen eines vorwerfbaren Behandlungsfehlers des (Zahn-)Arztes und anschließend einen auf diesem Behandlungsfehler unmittelbar kausal beruhenden Gesundheitsschaden darlegen und beweisen. Für eine Haftung fordert das Gesetz (§ 630a Abs. 2 BGB), dass der zum Zeitpunkt der Behandlung bestehende allgemein bekannte fachärztliche Standard verletzt worden sein muss. Hierbei obliegt dem Patienten grundsätzlich die Beweislast bei Hygienemängeln, eine solche Verletzung des allgemein bekannten fachärztlichen Standards darzulegen und zu beweisen. Dies ist naturgemäß äußerst schwierig, da dem Patienten in aller Regel die medizinischen Fachkenntnisse und Einblicke in die Behandlungsabläufe fehlen. Aus diesem Grund wurde patientenseitig gefordert, dass schon allein die Infektion an sich ein sogenanntes „voll beherrschbares Risiko“ sei und in § 630a Abs. 1 BGB eine Beweislastumkehr zulasten der Ärzteschaft gesetzlich normiert ist – mit der Folge, dass bereits bei Vorliegen eines Hygienemangels der behandelnde (Zahn-)Arzt bzw. der Krankenhausträger darzulegen und zu beweisen habe, dass ihn kein Verschulden treffe.

Dieser Forderung schließt sich der Bundesgerichtshof zunächst nicht uneingeschränkt an. In seiner Grundsatzentscheidung vom 20.03.2007, der die Instanzgerichte folgen, hat der Senat herausgearbeitet, dass dem Patienten im Hygienebereich grundsätzlich keine Beweiserleichterung zugutekommen soll, weil eine „absolute Keimfreiheit im Operationsbereich“ nicht existiert. Die Wege, auf denen sich die Keime verbreiten, entziehen sich umfassender Kontrolle. Ein Behandlungsfehler ist mithin nicht schon deshalb anzunehmen, wenn die Infektion auf Keimen beruht, die von einem Mitglied des Operationsteams ausgegangen sind. Die Rechtsprechung ordnet Keimübertragungen mithin generell als ein „entschädigungslos bleibendes Krankheitsrisiko des Patienten“ ein, wenn sie sich unter nicht beherrschbaren Umständen vollziehen und wenn sie sich trotz Einhaltung aller hygienischen Gebote ereignen. Grundsätzlich haftet der (Zahn-)Arzt also nicht, wenn es anlässlich seiner Behandlung zu einer Infektion kommt.

Den zweiten Teil der Artikelreihe lesen Sie in der DENTALZEITUNG 6/2019.

1 Vgl. dazu auch aus dem kritischsten Bundesland druckfrisch: „Ist Validierung Pflicht?“, in: BZBplus 8/2019, S. 17 (online abrufbar unter: https://www.bzb-online.de/ePaper_BZBplus_8-2019/#17).

Autor: Dr. Jens Hartmann

Der Beitrag ist in DENTALZEITUNG erschienen.

Mehr News aus Praxishygiene

ePaper