Praxismanagement 21.02.2011

Das Marketing der Zahnarztpraxen in der Zukunft

Das Marketing der Zahnarztpraxen in der Zukunft

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Die Zahnarztpraxen in Deutschland sind „im Markt“ angekommen. Kennzeichen dafür sind unter anderem einerseits die seit den 1970er-Jahren zunächst kontinuierlich rückläufige Realeinkommensentwicklung und andererseits die kontinuierliche Zunahme der Privatleistungen (alle Leistungen ohne KZV-Leistungen) bis auf zurzeit etwa 50 Prozent der Gesamtumsätze. Mit der Marktentwicklung war der allgemeine Einstieg in das bewusste Marketing – also das strategische Bemühen der Praxen, den Umsatz bzw. den Gewinn zu steigern bzw. zu stabilisieren – verbunden. Der Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, wie sich dieser Teil des „Unternehmens Zahnarztpraxis“ entwickeln wird.

Die Zahnarztdichte1 wird bis 2030 mit etwa 1.250 Patienten pro Zahnarzt im Mittel lange konstant bleiben. In Ballungs­gebieten ist die Dichte erheblich größer (teilweise < 700 Patienten pro Zahnarzt) und im ländlichen Raum erheblich kleiner (teilweise viele tausend Patienten pro Zahnarzt). Marketingmäßig macht sich dies dadurch bemerkbar, dass in Städten mittels intensiv wahrnehmbarer Werbung um Patienten gerungen wird, während das Marketing auf dem Land deutlich zurückhaltender praktiziert wird.

Weiterhin sind eine zunehmende Spe­zialisierung durch Setzung von Arbeitsschwerpunkten, insbesondere bei jungen Zahnärzten, und ein vermehrter Wechsel der Arbeitsschwerpunkte festzustellen, allerdings ohne einen spürbaren Trend zu mehr Fachzahnärzten. Die Arbeitsteilung – ein Anzeichen für marktwirtschaftliche Entwicklung – nimmt zu. Oder anders ausgedrückt: Die Zahnärzte sind vermehrt auf der Suche nach einer erfolgreichen Unternehmensstrategie.

Die Veränderung im Markt

Mehr als die Hälfte der Zahnärzte findet gemäß einer aktuellen IdZ-Studie, dass sie stark oder sehr stark im Wettbewerb mit anderen Praxen steht.2 Einerseits beklagen viele Zahnärzte dabei die zunehmende Überlagerung zahnärztlichen Denkens und Handelns durch die Ökonomie.

Andererseits sehen die meisten Zahnärzte die Zukunft durchaus positiv. Dies ergaben auch verschiedene Blitzumfragen des Autors. Lediglich knapp ein Viertel der Befragten sieht keine Entwicklungspotenziale für ihre zahnärztliche Berufsausübung. Allerdings ist bemerkenswert, dass in dieser Gruppe überproportional viele ältere Zahnärzte und Zahnärzte mit geringen Privateinnahmen vertreten sind.2 Es kann davon ausgegangen werden, dass sich die große Zahl der optimistischen Zahnärzte der Marktentwicklung positiv stellen.

Beachtenswert ist auch die stetig sinkende Akquisitionsrate von Neupatienten durch das Empfehlungsmarketing. Auf den zunehmenden Wettbewerb reagieren die Zahnärzte bewusst durch die Gestaltung der Praxisstrukturen und durch Werbung. Die „Vergewerblichung“ des Berufsstandes macht sich außerdem in der Erschließung neuer Märkte bemerkbar, zum Beispiel im Bereich der Cosmetic Dentistry und der Naturzahnheilkunde.

Der Autor geht davon aus, dass die Einzelpraxis weiterhin die dominierende Praxisform in Deutschland sein wird (s.u.), wobei allerdings neben der zunehmenden Setzung von Tätigkeitsschwerpunkten mehr neuartige Praxisformen angestrebt werden, insbesondere bei Männern. Die Anzahl der weiblichen Praxisinhaber wird weiter steigen, allerdings auch die Gesamtzahl der angestellten Zahnärzte, wobei hier die Frauen dominieren werden. Insgesamt kann angenommen werden, dass die unternehmerische Entwicklung des Berufsstandes eher von Männern vorangetrieben wird, während bei den Frauen die Ausübung des Berufes selbst im Vordergrund steht. Die Landschaft der Zahnarztpraxen entwickelt sich von der männerdominierten Einzelpraxis, die alles anbietet, hin zu einer heterogenen Struktur bestehend aus allgemeinzahnärztlichen und hoch spezialisierten Einzelpraxen sowie vielen alternativen Unternehmensformen wie losen und festen Netzwerken, Filialbildung, Franchise-Systemen und vieles mehr.

Vertrauen als Basis des Marketings

Aufgrund dieser sich verändernden Marktgegebenheiten verändert sich auch das Verhalten der Zahnärzte beim Marketing, insbesondere im Zusammenhang mit den neuen Freiheiten im Werberecht. Das hat teilweise extreme Formen angenommen, die viele Zahnärzte für nicht angemessen halten. Aus unternehmerischer Sicht ist aber stets zu beachten, dass „der Wurm nicht dem Angler schmecken muss, sondern dem Fisch“: Letztlich ist entscheidend, was dem Patienten gefällt und für welchen Zahnarzt er sich entscheidet. Und die Entscheidung wird mehr und mehr von Werbung beeinflusst. Bei der Gestaltung der Werbemittel wird auch nach Auffassung des Autors oft ein wesentlicher Aspekt nicht ausreichend berücksichtigt, der von Michaelis et al.2 auf den Punkt gebracht wird: „Die professionelle Vertrauensbeziehung mit dem Patienten erscheint aus unserer Sicht aber als der Kern, der den Rahmen der personalisierten Dienstleistung im Interesse des Klienten überhaupt erst absteckt und gesellschaftlich sichert.“ Neben der Erlangung von Aufmerksamkeit, Neugierde und Interesse für die Leistungen einer Zahnarztpraxis wird werblich zukünftig der Vertrauensaufbau in die medizinische Dienstleistung, noch bevor der Patient die Praxis aufsucht, im Vordergrund stehen. Und das Vertrauen wird überwiegend durch die Person des Behandlers und durch die Teammitglieder aufgebaut.

Die Entwicklung des Marketings

In der Praxis wird heute dieser Vertrauensaufbau durch immer besseren Service sowie durch nach außen dar­gestellte Fortbildung als Ausweis der zahnärztlichen Kompetenz bereits zunehmend realisiert. Auch nehmen Zahnärzte vermehrt an Kommunikationstrainings teil, die letztlich zum Ziel haben, das Vertrauen des Patienten in die zahnärztliche Empfehlung zu erlangen, damit dieser die Empfehlung auch annimmt.

Nach außen hin wird der Vertrauensaufbau durch vermehrte Darstellung der zahnmedizinischen Kompetenz in Form von Zeitungsartikeln (redaktionell oder quasi-redaktionell), Informationsangeboten in der Praxis, Audiowerbung im Rundfunk, im Supermarkt etc. und Bewegtbildwerbung im Internet oder im lokalen Fernsehen erfolgen. Mit bewegten Bildern aus der Praxis, idealerweise mit direkter Ansprache durch den Zahnarzt, kann das Vertrauen in die Leistung des Behandlers noch vor dem ersten persönlichen Kontakt angeregt werden. Dabei ist aber zu beachten, dass verschiedene Zielgruppen unterschiedlich auf diese Art der Werbung reagieren, und dass auch nicht alle Zahnärzte bereit sind, sich auf diese Form der Werbung einzulassen.

Hinsichtlich der Positionierungsstrategien der Praxen wird in der Folge die Zielgruppen-Positionierung in Verbindung mit der Spezialisten-Positionierung stärker in den Vordergrund treten. Oder anders ausgedrückt: Jeder Zahnarzt bekommt (nur) die Patienten, die zu ihm passen bzw. die er haben will. Das bedeutet aber beispielsweise auch für die kleine Allgemeineinzelpraxis, dass sie sich zu einer bestimmten Zielgruppe bekennen muss, weil sich ansonsten die Patienten abwenden und dorthin orientieren werden, wo sie fühlbar „gewollt“ sind.

Zu akzeptieren sind in diesem Zusammenhang auch an der zulässigen Grenze operierende „marktschreierische“ Werbestrategien mancher Zahnärzte. Diese richten sich ebenfalls an eine bestimmte Zielgruppe, und wenn in der Folge die akquirierten Patienten zu diesem Behandler passen, ist das marktgerecht. Jeder unternehmerisch agierende Zahnarzt sollte unbeirrt seine Strategie aufbauen und akzeptieren, dass es neben seiner noch andere gibt.

Ende der Einzelpraxis?

Bei der vermehrten bewussten Positionierung von Praxen und deren entsprechend zu erwartenden Erfolgen wird es in einigen Gebieten dann aber auch Praxen geben, die unrentabel arbeiten. Diese sind entweder nicht veräußerbar oder müssen vorzeitig schließen. An dieser Stelle wird oft die Frage gestellt, ob die Zahnarzt-Einzelpraxis (zurzeit sind ca. 80 Prozent aller Praxen Einzelpraxen) eine Zukunft wie die Tante-Emma-Läden der 1960er-Jahre hat. Die Antwort ist ein klares „Nein“. Im Lebensmitteleinzelhandel hat sich aufgrund der Marktsättigung bei geringen Margen tatsächlich eine Struktur mit nahezu ausschließlich großen Einheiten bzw. extrem günstigen Anbietern herausgearbeitet. Der Markt der zahnmedizinischen Dienstleistung ist dagegen aber keineswegs gesättigt. Außerdem ist der Dienstleistungssektor, bei dem naturgemäß eine starke Bindung zwischen Kunde und Dienstleister vorherrscht, nur schwer mit dem Handelssektor zu vergleichen. Ein „Sterben“ der kleinen Einheiten an sich ist deshalb nicht zu erwarten, wohl aber ein Rückgang ihrer Anzahl. Weiterhin wird die Schere der Einkommensüberschüsse weiter auseinandergehen. Es wird immer mehr kleine Praxen mit weiter abnehmenden Überschüssen geben und auch weiterhin Praxisinhaber, die in der Folge der richtigen Strategie ein deutlich höheres Einkommen haben. Jede Praxis ist gut beraten, rechtzeitig eine individuell geeignete Marketing­strategie zu entwickeln. In der nächsten Ausgabe der ZWP wird das dazu notwendige Vorgehen beschrieben.

Literatur
1. Anmerkung: Allgemein wird der Begriff „Zahnarztdichte“ verwendet. Dabei geht man streng genommen von der Arztzahl bezogen auf die Einwohnerzahl aus, also zum Beispiel 80 Zahnärzte auf 100.000 Einwohner. Die Dichte an Zahnärzten steigt, wenn es mehr Zahnärzte gibt. Es ist aber üblich, in der Zahlendarstellung den Kehrwert zu verwenden, hier also 1.250 Einwohner pro Zahnarzt. Wenn die Zahl der Zahnärzte steigt, also deren Dichte, verringert sich der Zahlenwert auf zum Beispiel 700 Einwohner pro Zahnarzt. Trotz der abnehmenden numerischen Größe steigt der Zahlenwert der Zahnarztdichte.
2. Michaelis, W., Bergmann-Krauss, B., Reich, E.: Rollenverständnis von Zahnärztinnen und Zahnärzten in Deutschland zur eige-nen Berufsausübung – Ergebnisse einer bundesweiten Befragungsstudie, Institut der Deutschen Zahnärzte, 2010.

Autor: Prof. Dr. Thomas Sander


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