Praxismanagement 13.12.2011
Leistungsträger an die Praxis binden
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Leistungsträger zeichnen sich dadurch aus, dass sie motiviert und voller Engagement, stressresistent und durchsetzungsfähig, risikobereit und ständig auf der Suche nach neuen Herausforderungen sind. Gerade dies verleitet so manchen Praxisinhaber zu der irrigen Annahme, sie müssten sich um ihre „Höchstleister“ nicht weiter kümmern – bis sie von der Konkurrenz abgeworben werden.
Individuellen Motivationsknopf feststellen
Wenn zum Beispiel die beste Helferin die Stelle wechselt, ist dies zuweilen nur schwer zu verkraften. Denn mit der Leistungsträgerin verliert der Praxisinhaber nicht nur ein Vorbild für die Kolleginnen und eine kompetente und engagierte Kraft – auch Wissen verlässt die Praxis. Wichtig ist darum: Die Leistungsstarken dürfen nicht über einen Kamm motiviert werden. Der Praxisinhaber sollte vielmehr im persönlichen Gespräch den individuellen Motivationsknopf der leistungsstarken Helferin finden und sie dann individuell fördern und fordern:
- Weist die Helferin das Motivationsmuster „Leistung/Tätigkeit/Selbstverwirklichung“ auf, ist die Konsequenz: Der Praxisinhaber bietet ihr Raum zur freien Entfaltung ihrer Leistungsmöglichkeiten und zum Ausleben der Werte, die ihr wichtig sind.
- Ist der Helferin die „Identifikation mit der Praxis“ besonders wichtig? Dann sollte der Praxisinhaber seine Führungsprinzipien und Werte überprüfen, mit denen er seine Praxis führt, und dafür sorgen, dass sie an die Mitarbeiterinnen kommuniziert werden. Die Leistungsträgerin hat die Möglichkeit, ihre Werteorientierung mit der des Praxisinhabers zu vergleichen und so eventuell zur Identifikation mit dessen Zielsetzungen zu gelangen.
- Dem Motivationsmuster „Wir-Gefühl/Kontaktbedürfnis“ kommt der Praxisinhaber entgegen, indem er die Arbeit im Team und in Gruppen forciert.
- Wird die Helferin vom Motivationsmuster „Finanzielle Verstärkung“ angetrieben, sollte der Praxisinhaber über spezielle Ent- und Belohnungssysteme nachdenken.
Hinzu kommt: Oft speist sich die Motivationsstruktur nicht allein aus beruflichen Quellen. Auch für Leistungsträger spielt das Privatleben oft eine wichtige Rolle. Der Praxisinhaber sollte dies bei seiner Motivationsarbeit bedenken. Vielleicht lässt sich die Helferin mithilfe besonderer Initiativen binden, die ihr die Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben erleichtern. Konkret bedeutet das zum Beispiel: Wenn eine Leistungsträgerin stetige Anerkennung braucht, um Loyalität zur Praxis aufzubauen und gute Leistungen zu erbringen, führt der Praxisinhaber mit begründendem Lob. Wenn sie den Wettkampf mit den Kolleginnen benötigt, prämiert der Praxisinhaber alle vier Wochen die „Mitarbeiterin des Monats“. Wenn sie die finanzielle Verstärkung als Anschubreiz wünscht, denkt die Führungskraft über eine materielle Motivation nach. Festzuhalten bleibt: Der individuelle Motivationsknopf muss nicht immer materieller Natur sein – im Gegenteil: Viele Leistungsträger achten darauf, dass die Unternehmenskultur und die Unternehmensphilosophie zu ihren eigenen Werten und Überzeugungen passen.
Strategien zur Mitarbeiterbindung: Vertrauen aufbauen
Wenn der Praxisinhaber die Motivationsstruktur analysiert hat, kann er die angemessene Strategie einsetzen, die zur Mitarbeiterbindung führt – etwa die Strategie „Vertrauensaufbau“: Die Führungskraft in der Praxis erwirbt das Vertrauen der Leistungsträger, indem sie ehrlich und offen agiert, ihnen Platz lässt für eigene Entscheidungen und Möglichkeiten eröffnet, Arbeitsprozesse selbstständig zu beeinflussen. Eine Vertrauenskultur lässt die Mitarbeiterinnen spüren, dass sie der Führungskraft wichtig sind – nicht nur als Leistungsträger und Funktionsträger, auch als Menschen. Die Gesprächsführung des Praxisinhabers sollte grundsätzlich „non-direktiv“ aufgebaut sein: Er führt durch Fragen, geht intensiv auf die Äußerungen der Helferin ein und führt einen argumentativen Austausch herbei. Ziel ist die Begegnung in einer Atmosphäre der gegenseitigen Achtung.
Strategie „Führen mit Zustimmungssicherheit und Zielen“
Leistungsstarke Mitarbeiterinnen lehnen es vehement ab, Anweisungen „von oben“ erteilt zu bekommen. Sie möchten sich meistens mit den Zielen des Praxisinhabers identifizieren und aktiv zur Zielerreichung beitragen. Dazu ist es notwendig, dass sie diese Ziele nachvollziehen können und zugleich das Recht haben, sie kritisch zu hinterfragen. Das Konzept dazu heißt „Zustimmungssicherheit“ – diese liegt vor, wenn die Mitarbeiterin die Sicherheit hat, dass es richtig für sie ist, wenn sie eine Aufgabe bestmöglich erfüllt und ihr aus eigener Überzeugung zustimmt. Indem der Praxisinhaber diese Zustimmung der Leistungsträgerin einholt und sie an der Zielformulierung, zumindest aber an der Frage, wie die Ziele konkret umgesetzt werden können, aktiv beteiligt, stellt er sicher, dass diese sich engagiert – und vielleicht auch andere, nicht so leistungsstarke Mitarbeiterinnen mitreißt.
Strategie „Leistungsträger in die Pflicht nehmen“
Durch das Recht zur Mitbestimmung nimmt der Praxisinhaber die Mitarbeiterinnen hinsichtlich der Zielerreichung in die Pflicht und in die Verantwortung – und genau das ist es, was eine Leistungsträgerin erwartet und sich wünscht. Dazu ein Beispiel: Die Zielsetzung des Praxisinhabers lautet, die Kundenorientierung zu erhöhen – eine Zielvereinbarungskultur verwirklicht er in den folgenden Schritten:
- Analyse der Ist-Situation: Wie wurden Ziele in der Vergangenheit vereinbart, wie schaut es mit der Zielerreichung aus, woran lag es, dass Ziele nicht erreicht wurden?
- Der Praxisinhaber führt regelmäßig Zielvereinbarungsgespräche – nicht nur zum Jahreswechsel. In den Gesprächen erarbeitet er gemeinsam mit der Mitarbeiterin die Ziele – dabei werden seine Zielvorstellungen und die der leistungsstarken Mitarbeiterin berücksichtigt.
- Er bespricht mit der Mitarbeiterin mögliche Hindernisse, die sie davon abhalten könnten, eine Zielvereinbarung einzuhalten – etwa Zeitmangel. Zu diesen Hindernissen wird eine Problemlösung entwickelt, zum Beispiel „Ähnliche Aktivitäten zu einem Aufgabenpaket bündeln und so Zeit sparen“. Es ist diese konstruktive Haltung zu Problemen und Herausforderungen, durch die sich gerade Leistungsträgerinnen animiert sehen, sich enger an die Praxis zu binden.
- Schließlich steht die konkrete Aktivitätenplanung an. Der Praxisinhaber und die Leistungsträgerin überlegen, was notwendig ist, um die Kundenorientierung zu verbessern und zu erhöhen. Wichtig: Der Praxisinhaber bittet die Mitarbeiterin dezidiert darum, eigene Vorschläge zu unterbreiten – diese muss und soll spüren, dass dem Praxisinhaber an ihrer Meinung und ihren Ideen gelegen ist.
- Dann erfolgt die Zustimmung der Mitarbeiterin, dass die beschlossenen Aktivitäten zur Verbesserung der Kundenorientierung aus ihrer Sicht durchführbar sind.
Die aktive Beteiligung an den Zielformulierungen und den Überlegungen, welche Umsetzungsschritte zur Realisierung der Ziele notwendig sind, erlaubt es der leistungsstarken Mitarbeiterin, ihre ganze Kreativität und Innovationskraft einzubringen, um bei der Weiterentwicklung der Praxis mitzuwirken. Das ist es, was er sich wünscht!
Strategie „Individuelle Weiterbildungsmöglichkeiten schaffen“
Engagierte Mitarbeiter denken selbst oft intensiv darüber nach, wo ihre Schwachstellen sind, und wissen ganz genau, wo Leistungspotenziale brachliegen. Sie erwarten vom Arbeitgeber, dass dieser ihnen optimale Weiterbildungsmöglichkeiten anbietet. Der Praxisinhaber sollte den Leistungsträgerinnen daher konsequent veranschaulichen, welche Perspektive sich für sie in der Praxis eröffnen. Die Mitarbeiterinnen wollen wissen, welche individuellen Weiterbildungsmöglichkeiten es für sie gibt und welche Aufstiegsperspektiven sich für sie auftun. In einem Weiterbildungsgespräch können Praxisinhaber und Mitarbeiterinnen die jeweiligen Erwartungen formulieren und einen Konsens suchen: Welche Fähigkeiten soll die Mitarbeiterin mithilfe welcher Schulung erwerben, damit sie zufrieden ist, sich individuell gefördert sieht und zugleich der Praxisinhaber sicher sein kann, dass der Kompetenzaufbau ihm dabei hilft, seine Ziele zu verwirklichen?
Strategie „Lernkultur etablieren“
Es ist eine Selbstverständlichkeit: Wer viel leistet, macht mehr Fehler als derjenige, der Dienst nach Vorschrift abliefert. Für Leistungsträger gilt: Wenn ihnen ein Fehler unterläuft, betrachten sie ihn als Ansporn, es beim nächsten Mal besser zu machen. Freilich setzt dies eine Lernkultur in der Praxis voraus, in der ein Fehler nicht als Grund für heftige Kritik, sondern als Möglichkeit gesehen wird, sich weiterzuentwickeln. Die Erfahrung zeigt, dass Leistungsträger in Unternehmen, in denen solch eine Lernkultur existiert, eine hohe Loyalität zum Arbeitgeber entwickeln.
Strategie „Der Praxisinhaber als Coach“
Leistungsträgerinnen zeigen im fachlichen Bereich zumeist kaum Schwächen – wenn es Verbesserungspotenzial gibt, so liegen sie eher im Verhaltensbereich. Darum sollte der Praxisinhaber ein spezielles Weiterbildungskonzept auflegen, in dessen Mittelpunkt ein Vier-Augen-Coaching steht. Denn die Kompetenzen einer Leistungsträgerin lassen sich nicht in einem klassischen Seminar oder Training steigern – dazu ist eine individuellere Vorgehensweise notwendig. Die Stärke eines Coachings liegt in der intensiven persönlichen Beziehung zwischen dem Coach und dem Coachee, also dem
Praxisinhaber und der Mitarbeiterin. Dabei kann auch ein externer Trainer das Coaching übernehmen. Fungiert der Praxisinhaber als Coach, heißt das entsprechende Konzept „Der Praxisinhaber als Coach“. Das Prinzip: Der Coachee lernt direkt vom Coach – also dem Praxisinhaber – und setzt das Gelernte mit dessen Unterstützung am Arbeitsplatz ein. Dabei tritt der Coach nicht als „allwissender“ Experte auf, der den Coachee mit vorgefertigten Lösungen bedient. Vielmehr begleitet der Praxisinhaber etwa eine Helferin auf dem Weg zu einem selbst gesteckten Ziel, er ist gleichberechtigter Gesprächspartner und Feedbackgeber. Ein Beispiel: Manchen Helferinnen fällt es schwer, Patienten aktiv zu beraten (z.B. in Fragen der Mundhygiene). Wenn die hoch qualifizierte Helferin also Probleme hat, ein Beratungsgespräch mit einem Patienten zu führen, könnte ihr der Praxisinhaber als Coach bei ihren ersten Beratungsgesprächen beobachtend zur Seite stehen und danach ein korrigierendes Feedback geben. Die Erfahrung zeigt: Leistungsträgerinnen lernen durch die arbeitsplatznahe Begleitung sehr schnell und sind rasch in der Lage, eigenständig zu handeln.
Fazit
Praxisinhaber, die die Loyalität ihrer Leistungsträgerinnen erhöhen möchten, sollten frühzeitig Instrumente einsetzen, die zur Mitarbeiterbindung beitragen.