Praxismanagement 05.12.2023

Mein Weg ins Arbeitsparadies – und 7 Tipps „to go“

Mein Weg ins Arbeitsparadies – und 7 Tipps „to go“

Foto: © Frank Günther Fotografie

„Tina, ich mache mich mit meinem eigenen Dentallabor selbstständig“ – von diesem ersten offiziellen Statement im Freundeskreis bis hin zur Eröffnung meines Dentalateliers Lieblingszähne vergingen sieben sehr fokussierte Monate, in denen ich von meinen immensen Kräften überrascht war, sieben Monate, die mich aber auch an den Rand genau dieser Kräfte brachten. Ein Erfahrungsbericht mit Tipps für Gründungswillige.

Ich hatte gerade die Meisterschule absolviert – deshalb waren Inhalte zu BWL, Rechtlichem und Marketing noch sehr präsent in meinem Kopf. Ein klarer Vorteil und gleichzeitig auch schon mein erster und absolut wichtiger Tipp:

Tipp 1:

Ihre Fachkompetenz wird später sehr gefragt sein und dient Ihnen als stabiles Fundament Ihrer Selbstständigkeit. In Vorbereitung der Gründung jedoch ist das kaum von Bedeutung. In dieser Phase geht es um Ihre Laborphilosophie, ein klar definiertes Ziel, einen sauberen Businessplan, um offenes, umfassendes Denken und die Lust auf viele Kontakte.

Tipp 2:

Seien Sie immer gnadenlos ehrlich zu sich selbst! Liegen Ihnen – neben Ihrer Leidenschaft für den Beruf – diese Dinge auch wirklich? Schließlich werden Sie als Laborbesitzer immer auch Allround-Handwerker, Verkäufer, Psychologe, Finanzfachmann, Organisator und Designer in Personalunion sein.

Zurück zu meiner Laborphilosophie: Klein und fein sollte es sein, persönlich und individuell. Ein menschliches, kompetentes Miteinander zwischen mir und den Zahnärzten, gegenseitige Unterstützung, direkter Kontakt zu den Patienten – nur so entstehen aus meiner Sicht die schönsten Arbeiten. Das macht mich glücklich und gibt meinem Tun einen Sinn. Also war direkt klar: Ich brauche Zahnärzte in unmittelbarer Umgebung, mit denen ich diese enge Zusammenarbeit realisieren kann und die genauso Lust darauf haben wie ich.

In den Räumlichkeiten wollte ich mich wohlfühlen und den Patienten eine entspannte Zeit bei mir ermöglichen – ganz ohne Hektik und garantiert jenseits von Fließbandabfertigung. Zu guter Letzt war ein kurzer Arbeitsweg für mich von Bedeutung. An dieser Stelle …

Tipp 3:

Trauen Sie sich, Ihre Idealvorstellungen zu konkretisieren. Gehen Sie nur sinnvolle Kompromisse ein, denn am Ende arbeiten Sie sonst in einem Labor, das gar nichts mehr mit Ihnen persönlich zu tun hat. Wenn es auf dem Weg Hindernisse gibt – und die gibt es definitiv –, werden Sie kreativ und finden Sie individuelle Lösungen.Meine Marktanalyse ergab, dass bei uns im brandenburgischen Birkenwerder der Bedarf für ein Labor mit meiner Philosophie gegeben war. Allerdings ging das Angebot an gewerblichen Immobilien hier 2018 fast gegen null. Ich habe alle meine Kontakte genutzt und um Mithilfe bei der Suche gebeten – mit Erfolg: Einen Tag später hatte ich meinen wegweisenden Besichtigungstermin. Gute Größe, optimale Lage, aber bis auf eine neue Heizung leider im Nachkriegszustand. Ich musste schnell reagieren, und sofort ging das Rattern im Kopf los: Kann ich hier meine Vorstellungen umsetzen? Nach einer Nacht zum Überlegen sagte ich zu. Jetzt wurde es richtig ernst.

Die nächsten Wochen verbrachte ich Tag und Nacht mit der Planung und Kalkulation. Was brauchte ich an Geräten und Platz? Was brauchte ich für meinen Wohlfühlfaktor? Optik, Funktionalität, Kosten – das galt es unter einen Hut zu bringen. Diese Planung floss dann in den Businessplan ein. Das Eröffnungsdatum fixierte ich auf den 1. März 2019.

Mein Mann und ich sind Vollbluthandwerker, und so kann ich voller Stolz sagen, dass wir den kompletten Umbau allein realisiert und damit natürlich viel Geld gespart haben. Knapp zwei Monate haben wir dafür gebraucht, Nächte und Wochenenden eingeschlossen. Unser zweites Zuhause war der Baumarkt, Internetrecherche für die Ausstattung meine nächtliche Beschäftigung. Meine Lieblings-UPS-Fahrerin lernte ich kennen, als ich ihr beim Verfugen der Mosaikfliesen hektisch die Tür öffnete und sofort wieder ins Bad rannte, weil meine Fugenmasse drohte, unabgewischt auszuhärten. Wir lachen heute noch darüber. Eine Sache hatte ich aber völlig unterschätzt. Daher …

Tipp 4:

Ein Labor braucht eine solide Elektrik. Zu dem Zeitpunkt, als mir klar wurde, dass der kleine Sicherungskasten in meinem Labor heillos überfordert sein würde, begann die Weihnachtszeit, und kein einziger Elektriker hatte Zeit für mein Projekt. Bis auf einen, den ich mit vielen lieben Worten und einem riesigen Schokonikolaus überreden konnte, im Januar das Labor komplett mit neuen Leitungen, einem vernünftigen Sicherungskasten, einer Alarmanlage und gefühlt einer Million Steckdosen passend zum geplanten Standpunkt der Geräte auszustatten. Was für ein Glück!

Das empfand ich auch, nachdem mir meine Bankerin sagte, dass der Businessplan und meine Erläuterungen beim Finanzierungsgespräch absolut schlüssig waren, und deshalb der Kredit kurz vor Weihnachten bewilligt wurde. Merry Christmas!

Tipp 5:

Der Businessplan ist keineswegs nur ein formales, notwendiges Schriftstück für die Finanzierung. Das Auseinandersetzen mit den Inhalten gibt Ihnen Denkanstöße beziehungsweise erfordert manchmal ein Umdenken. Also knien Sie sich richtig rein!Business ist das Stichwort: Die große Überschrift über jedem Business ist definitiv die Wirtschaftlichkeit. Immer wieder neu kalkulieren und zu jeder Zeit alle Finanzen im Blick haben, das ist mein nächster Tipp für Sie …

Tipp 6:

Von der Gründung an und über jedes weitere Geschäftsjahr hinweg stehen immer wieder neue finanzielle Situationen an. Holen Sie sich dafür einen kompetenten Steuerberater an Bord. Meine Erfahrung zeigt mir, dass es Gold wert ist, wenn jemand alles aus seiner Fachsicht im Blick hat – gepaart mit dem Wissen über Ihre konkreten Zahlen. Dann können eventuell auftretende Täler sowie tolle Hochphasen so reguliert werden, dass Sie immer ruhig schlafen und dem Finanzamt lächelnd begegnen können.

Am 1. März 2019 war es so weit: Ich feierte Eröffnung – ein unbeschreibliches Gefühl! Zu den Fakten: Mein Labor Lieblingszähne ist 68 Quadratmeter groß, die sich in Hauptarbeitsbereich, Arbeitsvorbereitung, Büro und Bad aufteilen. Ursprünglich war das alles ein großer Raum. Jetzt gibt es drei Labor-Arbeitsplätze, einen CAD/CAM-Platz, einen Patientenbereich sowie eine Fotobox. Bereits nach ein paar Monaten war ich mehr als ausgelastet. Da sich das über die Jahre noch steigerte, bemerkte ich irgendwann, dass mein Pensum zu hoch war und ich meine Gesundheit strapazierte, um meinen Ansprüchen weiterhin auf dem gewohnt hohen Niveau gerecht zu werden. Deshalb arbeite ich seit einem halben Jahr mit meinem Mann Marcel Kuhn zusammen, der ein ebenso leidenschaftlicher Zahntechniker ist wie ich. Die Kombination aus uns beiden ist für meine Philosophie perfekt und ermöglicht mir ein gesundes Privatleben.

Fazit

Jeden Tag freue ich mich aufs Neue, wenn ich den Schlüssel zu meinem Labor umdrehe. Und jedes Mal, wenn ein Patient strahlend mein Labor verlässt, spüre ich, dass ich alles richtig gemacht habe. Daher von Herzen mein …

Tipp 7:

Jeder Mensch kann seine Träume verwirklichen, denn für das, was einem selbst wichtig ist, gibt es da draußen immer Menschen, die genau darauf warten. Also trauen Sie sich!

Dieser Artikel ist in der ZWL Zahntechnik Wirtschaft Labor 05/2023 erschienen.

Mehr News aus Praxismanagement

ePaper