Praxismanagement 14.03.2011

Patientenbeschwerden sind kostenlose Beratungen



Patientenbeschwerden sind kostenlose Beratungen

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Nicht nur in Zahnarztpraxen, sondern in Unternehmen insgesamt ist die Bedeutung des Themas Kundenzufriedenheit erkannt. Mit Beschwerden, als einem Ausdruck der Unzufriedenheit des Patienten, ist daher professionell umzugehen, um den Patienten weiterhin für die Praxis zu gewinnen. Daher spricht man seit einiger Zeit vom „Beschwerdemanagement“, das den Umgang mit Patientenkritik und deren Vorbeugung regeln soll.


Wenn sich ein Patient gegenüber einem Teammitglied über zu lange Wartezeiten oder über die Rechnung etc. beschwert, kann diese Beschwerde sehr unterschiedlich bewertet werden. Von dem einen wird dieser Patient vielleicht als ein unsympathischer Nörgler oder Querulant angesehen. Ein anderer nimmt diese Kritik zum Anlass, im Team anzuregen, über mögliche Fehler der Praxis nachzudenken, um diese zukünftig zu vermeiden. Er sieht die Patientenbeschwerde geradezu als eine kostenlose Unternehmensberatung. 


Beschwerdemanagement lohnt sich 

Wie wichtig ein konstruktiver Umgang mit Kundenbeschwerden ist, zeigt eine unternehmensinterne Untersuchung zum Thema „Die hohen Kosten des Kundenverlustes“ des Computerunternehmens Hewlett-Packard. Einige Ergebnisse besagen, dass

– wenn ein Kunde reklamiert, er für 26 weitere steht, die sich nur nicht äußern
– der unzufriedene Kunde mit 8 bis 16 anderen darüber spricht, was ihm missfällt
– 91 Prozent der unzufriedenen Kunden nicht wiederkommen …
– … aber 90 Prozent der nach ihrer Reklamation zufriedengestellten bleiben. 

Das Ergebnis besagt unter anderem, dass ein Kunde, auf dessen Beschwerde angemessen eingegangen wurde, anschließend vielleicht sogar stärker an das Unternehmen gebunden ist, weil der Grund seiner Beschwerde behoben wurde und er sich ernst genommen fühlt. 

Ein praxisinternes Beschwerdemanagement, das heißt ein Konzept, wie die Praxis auf Beschwerden des Patienten reagieren will, umfasst zwei Aspekte:

– Es werden einerseits Standards für die Gesprächsführung bei einer Beschwerde festgelegt; sie geben
   dem einzelnen Teammitglied Hilfestellung, wie mit dem sich beschwerenden Patienten konstruktiv zu
   kommunizieren ist, wie man sich in der konkreten Situation verhalten soll, um zu einer den Patienten
   zufriedenstellenden Lösung zu kommen. Selbstverständlich ist nicht zu leugnen, dass manche
   Beschwerden zwar auf eine sachliche Art, aber dennoch zurückgewiesen werden müssen.
– Darüber hinaus wird im Beschwerdemanagement festgelegt, wie auf systematische Art Beschwerden
   durch das Team erfasst, korrigiert und durch die Beseitigung der Ursachen vorgebeugt werden soll; ein
   Beschwerdemanagement umfasst somit den Prozess, in welchen Schritten das Team Beschwerden
   intern bearbeitet und ihnen zukünftig vorbeugt, indem es die Praxisorganisation optimiert. 


Gesprächsführung bei Beschwerden – Beispiel 

„Also, wissen Sie, ich warte jetzt eine geschlagene Dreiviertelstunde“, kommt der Patient Herr Rasch erregt aus dem Wartezimmer und beschwert sich bei der Mitarbeiterin Marion.
Marion: „Tut mir leid, aber dafür kann ich auch nichts.“
Herr Rasch: „Ich denke, Sie sind eine Bestellpraxis. Das ist wirklich unglaublich. Ich habe meine Zeit auch nicht gestohlen“, schimpft er.
Marion: „Wir haben heute so viel zu tun. Und einige Schmerzpatienten noch dazu, da …“
Herr Rasch: „Mag ja alles sein“, fällt er ihr ins Wort, „aber ich kann nicht der. Leidtragende sein, wenn Sie Ihre Zeit nicht richtig einteilen.“ 

So könnte es noch minutenlang weitergehen. Kennzeichnend für eine solche Situation ist, dass die Stimmung eskaliert, beide Beteiligten sich angegriffen fühlen, das Gespräch in einer Sackgasse endet und beide sich als Verlierer sehen. Abgesehen davon, dass in diesem Beispiel der Patient bereits im Vorfeld über die Verzögerung hätte informiert werden sollen, kann die Mitarbeiterin durch die Art der Gesprächsführung und eine entsprechende innere Haltung die Beschwerde aufgreifen und zu einer konstruktiven, den Patienten zufriedenstellenden Lösung führen. 

Marion: „Herr Rasch, ich kann Ihren Ärger gut verstehen. Ich mag es auch nicht, wenn ich warten muss und nicht weiß, warum; und es einfach nicht weitergeht.“
Herr Rasch: „Ach, wissen Sie, das ist es gar nicht mal. Aber ich habe in einer Dreiviertelstunde einen Termin, bei dem ich pünktlich sein muss.“ 

Die Mitarbeiterin geht auf den Patienten zu, indem sie Verständnis für seinen Ärger zeigt. Wichtige Voraussetzung dafür ist, dass sie die Beschwerde nicht als eine persönliche Kritik an sich selbst verbucht. So trägt sie zu einer Deeskalation bei, weil der Patient merkt, dass sie seine Situation versteht und er nicht durch weitere kritische Äußerungen seinen Standpunkt untermauern muss. Gleichzeitig wird durch seine Antwort klar, was Hintergrund seiner Beschwerde ist: er steht unter Zeitdruck. 

Marion: „Das ist wirklich sehr knapp für Sie. Herr Rasch, wie wollen wir es jetzt machen, was schlagen Sie vor?“
Herr Rasch: „Na, das ganze ist schon sehr ärgerlich. Ich hatte mir doch extra heute freigehalten. Und wenn ich dann an einem anderen Tag komme, muss ich ja vielleicht wieder warten.“ 

Zum einen formuliert die Mitarbeiterin erneut ihr Verständnis, was zu einer weiteren Deeskalation beiträgt. Erst wenn der Patient seinen Ärger reduziert hat, ist er offen für Lösungen. In diesem Sinn können Lösungsvorschläge auch zu früh kommen. Nun aber kann die Mitarbeiterin andererseits ansprechen, wie aus Sicht des Patienten eine Lösung aussehen kann. Sie orientiert also nach vorne und hört, in welche Richtung Lösungsideen gehen sollten. 

Marion: „Wie wär‘s, Herr Rasch, soll ich mal fragen, wie lange es noch dauert oder wollen wir lieber einen Termin morgen früh ausmachen? Dann sind Sie der erste Patient und haben keine Wartezeit.“
Herr Rasch: „Na ja, okay, das mit dem Termin morgen früh ist noch eine ganz gute Lösung.“ 

Da die Mitarbeiterin erfahren hat, was der Grund für die Beschwerde ist und in welche Richtung eine Lösung gehen sollte, kann sie nun dem Patienten zwei Alternativen vorschlagen, die für beide Seiten zufriedenstellend sind. 


Beschwerden systematisch vorbeugen 

Das gesamte Team sollte sich bei dem Thema Patientenkritik und -beschwerde von einer positiven Einstellung leiten lassen. So ist dem Verfasser in einer Praxis der Spruch aufgefallen: „Wenn Sie mit uns zufrieden sind, erzählen Sie es Ihren Freunden und Bekannten – Wenn Sie mit uns unzufrieden sind, erzählen Sie es bitte uns.“ Eine solche Haltung zu Beschwerden von Patienten ist eine wichtige Voraussetzung für ein ernst gemeintes Beschwerdemanagement. Beschwerden, Kritik und Fehler werden nicht an der Person eines einzelnen Teammitglieds festgemacht, sondern als Anlass gesehen, um sich als Praxis zu verbessern. Im Vordergrund steht nicht die Frage „Wer ist Schuld (an der Beschwerde des Patienten)?“, sondern „Was ist Schuld?“. Wenn die Praxis mit dieser Haltung ihr Beschwerdemanagement aufbaut, wird sie dafür sorgen, dass die Schritte vereinbart sind und von allen eingehalten werden, wie das Team im Umgang mit Beschwerden verfährt: 

1. Beschwerden zuverlässig, schriftlich erfassen Dies kann durch handschriftliche Notizen auf dafür erstellten Formularen erfolgen, die an einem bestimmten Ort in der Praxis oder noch einfacher in allen Behandlungszimmern und der Rezeption liegen. Auf ihnen werden Beschwerden und Kritik notiert. Eine Alternative ist die Erfassung an einer dafür vorgesehenen oder einzurichtenden Stelle in der Praxissoftware.
2. Der Beschwerde umgehend nachgehen Abhängig von der Art der Beschwerde wird sie der „Beschwerdeempfänger“ aufgreifen und versuchen, sie im Sinne des Patienten schnellstmöglich zu beheben.
3. Vorbeugemaßnahmen einleiten Das dafür zuständige Teammitglied, z.B. die QM-Beauftragte, verschafft sich regelmäßig einen Überblick über die erfassten Beschwerden, schätzt deren Dringlichkeit und Wichtigkeit ein und schlägt Chefs und Team vor, welche dieser Beschwerden durch das Team zu bearbeiten sind: „Was müssen und wollen wir verbessern, um zukünftig diesen Beschwerden vorzubeugen?“ Um eine möglichst nachhaltige Vorbeugung zu erzielen, sind die Ursachen zu erfassen, die verantwortlich sind, dass es zu Beschwerden kam; in unserem Beispiel die Ursachen für immer wieder verzögerten Behandlungsbeginn. Vor dem Hintergrund der Ursachen werden Maßnahmen festgelegt und umgesetzt, die Praxisorganisation zu optimieren und dadurch Beschwerden vorzubeugen. 


Fazit 

Ein systematisch umgesetztes Beschwerdemanagement leistet einen Beitrag zur Zufriedenheit des Patienten. Indem es die Praxisorganisation optimiert, setzt das Team Maßnahmen um, die zukünftigen Beschwerden vorbeugen sollen. Durch die Formulierung von Kommunikationsstandards wird den Teammitgliedern ein Leitfaden für eine professionelle Gesprächsführung bei Beschwerden gegeben. 

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