Praxismanagement 18.08.2015

Von Kollege zu Kollege – der Kieferorthopäde als Buddy-Coacher



Von Kollege zu Kollege – der Kieferorthopäde als Buddy-Coacher

Foto: © Dragon Images – Shutterstock.com

Mittwochabend, ein Treffen mehrerer Kieferorthopäden: Der Kollege Schmitz will seine Praxis erweitern, sie eventuell zur Gemeinschaftspraxis ausbauen. Was kommt da auf ihn zu? Hilfreiche Tipps erhält er von seiner Kollegin, der Kieferorthopädin Müller. Was geht hier vor? Ein Beitrag von Dr. Katja Kruckeberg.

Unterstützung unter Kollegen auf derselben Hierarchieebene

Wir werden Zeuge eines Buddy-Coaching: In dem idealtypischen Beispiel treffen sich die Kieferorthopäden Holger Schmitz und Kerstin Müller, um gemeinsam, partnerschaftlich und mithilfe einer kreativen Kooperation nach Weiterentwicklungsmöglichkeiten des Kollegen Schmitz zu suchen. Im Fokus steht mithin die Arbeit an der beruflichen Entwicklung einer Person, wobei die Kollegin Müller ihre Erfahrungen mit Holger Schmitz teilt und ihn unterstützt, seinen Weg angesichts der großen Herausforderung „Praxiserweiterung“ zu finden. Denn Kerstin Müller hat ihre Praxis vor einigen Jahren zur Gemeinschaftspraxis erweitert. Und jetzt ist sie bereit, diese Erfahrungen im Buddy-Coaching weiterzugeben.

Die Unterstützung zwischen „Buddys“ (= Kollegen) hat den Vorteil, dass dabei nicht nur berufliche, sondern auch private und persönliche Gesichtspunkte auf die Agenda rücken. Darum ist das Vertrauensverhältnis zwischen den Buddys eine unabdingbare Voraussetzung für das Gelingen dieser innovativen Form des Coaching.

Asynchrone Gesprächsstruktur entsteht

Eines ist wichtig: Kollegen-Coaching unterscheidet sich von dem lockeren Austausch „zwischen Tür und Angel“ oder beim gemeinsamen Essen beim Italiener. Der Buchtitel zum Thema, „Tausche Abendessen gegen Coaching“, bringt es auf den treffenden Punkt: Es geht darum, sich gezielt unter Kollegen zu unterstützen und sich hierfür bewusst Zeit zu nehmen. Dabei entsteht eine asynchrone Gesprächsstruktur, denn der Fokus richtet sich auf das Anliegen einer Person: Während der eine Kollege als beratender Coach fungiert, nimmt der andere die Rolle des zu beratenden Coachees ein. Schon ein einziges Gespräch dieser Art führt oft zu überraschenden Ergebnissen wie innerer Klarheit und Mut zum Handeln.



Das Coachinggespräch mit GROW strukturieren

Buddy-Coaching verlangt von den Teilnehmern Selbstdisziplin und kommunikatives Geschick. Aktiv zuhören und Fragen stellen – das ist zielführender als das monologisierende Erteilen vermeintlich wohlmeinender Ratschläge. Für das Beispiel der Kieferorthopäden Holger Schmitz und Kerstin Müller gilt: Es hilft, wenn die coachende Kollegin Müller die GROW-Kommunikationstechnik beherrscht, mit der sie den Buddy-Dialog strukturiert: Dabei werden zunächst in der Goal-Phase das Thema und das Wunschziel formuliert. Der Kollege Schmitz sucht nach Möglichkeiten der Praxiserweiterung. Welche Optionen gibt es, welche Vor- und Nachteile liegen vor? Dies wird im Realitäts-Check (Reality) geklärt: Ist eine Gemeinschaftspraxis eine Lösung? Welche Kieferorthopäden sollen mit ins Boot geholt werden? Wie steht es um die Gründung eines Ärztehauses? Welche weiteren Alternativen gibt es?

In der Optionsphase (Options) schließlich erarbeiten die zwei Kieferorthopäden in einem Brainstorming Lösungsalternativen und wägen das Für und Wider der verschiedenen Möglichkeiten ab. Dabei kommen auch die privaten Fragestellungen nicht zu kurz: Welche Konsequenzen haben die verschiedenen Lösungsoptionen für die Work-Life-Balance des Kollegen Schmitz? Wie steht seine Partnerin dazu? Was bedeutet diese gewaltige Veränderung für die familiäre Situation? In der vierten GROW-Phase (What?) schließlich stehen die konkreten Umsetzungsschritte und Umstände der Problemlösung im Vordergrund.

Coachingtools professionell einsetzen

Es ist zielführend, wenn sich die Teilnehmer des Kollegen-Coaching mit einigen grundlegenden Coachingtools beschäftigt haben und in der Lage sind, gemeinsam ein Stärkenprofil zu entwerfen: Um dies herauszufinden, führen sie ein Stärkeninterview, bei dem die spezifischen Kompetenzen und Fähigkeiten des Coaches herausgestellt werden, die dieser selbst nicht so klar benennen kann wie der Kollege, weil ihm die Distanz zu sich selbst fehlt.

In unserem Fall diskutieren Holger Schmitz und Kerstin Müller also darüber, welche Fähigkeiten dafür sprechen, dass der Kollege Schmitz – zum Beispiel – eine Gemeinschaftspraxis gründen sollte.

Des Weiteren nutzt Kerstin Müller ein Entscheidungstool, das beim Buddy-Coaching eine wichtige Rolle spielt: das „Drei-plus-eins-Prinzip“. Es beruht darauf, bei wichtigen Entscheidungen alle vier elementaren Lebensbereiche zu berücksichtigen. Neben dem Bereich „Arbeit/Karriere/Finanzielles Wohlergehen“ geht es um die Lebensbereiche „Familie/ Beziehungen“, „Gesundheit/Fitness“ und „Lebensmotive/Werte/Träume“.

Überdies sollten die Beteiligten vorab die Spielregeln des Buddy-Coaching akzeptieren: Sie sind angetrieben von dem Wunsch, Erfahrungen partnerschaftlich auszutauschen und sich zu unterstützen. Im Mittelpunkt steht nicht der allgemein-unverbindliche Austausch, sondern eine konkrete Aufgabenstellung. Eine Alternative besteht darin, dass sich die Kieferorthopäden – es können auch mehrere Ärzte sein, die sich zu einer „Buddy- Session“ zusammenfinden – in einem festen Rhythmus treffen und sich gegenseitig coachen, ohne die Themen vorher konkret festzulegen.

„Psychovampire“ entdecken: Unterstützung im emotionalsozialen Bereich

Es klang bereits an: Mit Buddy-Coaching kann ein Erfahrungsaustausch in Bereichen stattfinden, die über das rein Berufliche hinausgehen – konkret: Wohl jeder Mensch leidet unter einem oder gar mehreren „Psychovampiren“, also Menschen, die uns im bildlichen Sinn Blut aussaugen und Gestalterkraft rauben, die uns in anderen wichtigen Lebensbereichen fehlt.

Mögliche „Psychovampire“ halten sich oft in der Familie oder im Freundeskreis auf, häufig jedoch siedeln sie sich auch am Arbeitsplatz an. Hier setzt der Buddy-Coacher an: „Halte dich von dem Huber fern, er verstrickt dich mit seinem Gerede und seiner negativen Ausstrahlung immer wieder in Konflikte, die dir Energie rauben, die du dringend benötigst, wenn du jetzt eine Gemeinschaftspraxis gründen willst.“

Fazit

Alltagscoaching unter Kollegen, die sich gegenseitig unterstützen und partnerschaftlich unter die Arme greifen: Das ist mehr als eine sozialromantische Utopie im real existierenden Berufsleben.

Von Buddy-Coaching sprechen wir, wenn ein Kollege mit dem anderen ein Gespräch mit der Zielsetzung führt, ihn bei der Lösung eines beruflichen Problems zu unterstützen, eine Schwäche abzumildern oder ein persönliches Ziel zu erreichen.

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