Psychologie 17.09.2013
Aufklärung über Nebenwirkungen und Risiken
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An dieser Stelle können unsere Leser der langjährigen ZWP-Expertin Dr. Lea Höfel Fragen im Bereich Psychologie stellen – in Bezug auf Patienten, das Team und sich selbst. Die Fragen und Antworten finden Sie hier redaktionell aufbereitet wieder. Diesmal geht es um die Frage, wie Patienten schonend über Nebenwirkungen und Risiken aufgeklärt werden können. Psychologin Dr. Lea Höfel antwortet.
Anfrage: Die Patienten sollten vor jeder Behandlung und Medikamentengabe über Risiken und Nebenwirkungen aufgeklärt werden. Ich beobachte, dass Patienten, die bis dahin begeistert waren, auf einmal nachdenklich und ängstlich werden. Wie kann ich dieses Thema geschickt verpacken, sodass ich meiner Aufklärungspflicht nachkomme und dennoch die Vorzüge der Behandlung betone?
Das Thema Aufklärungspflicht ist immer wieder nicht nur ein kommunikatives, sondern auch ein rechtliches Thema. Auch ohne selbst Rechtsexperte zu sein, ist allen klar, dass eine Aufklärung stattfinden muss. Ganz auf Nummer sicher ginge jeder, wenn er das Gespräch in einem Extraraum durchführt, eine dokumentierende Helferin dabei hat, der Patient beide Beine auf den Boden stellt und zahlreiche handschriftliche Verweise doppelt unterschrieben protokolliert werden. Nach dem Motto „wer nicht dokumentiert, verliert“ wurden schon viele Rechtsstreite entschieden. Gut wäre wahrscheinlich auch noch, wenn Sie vorher testen lassen, ob der Patient gut hört, die Sprache einwandfrei versteht und rechtschreibsicher ist.
Nachdem ich Sie jetzt erst einmal über alle Risiken aufgeklärt habe, können wir zum aufbauenden Teil des Artikels übergehen. Denn was die Aufklärung inhaltlich genau bedeutet und welche Worte gewählt werden müssen, ist einer individuellen Bandbreite unterworfen und kann über einen positiven oder negativen Gesprächsverlauf entscheiden.
Wirkung der Worte
Wie Sie richtig beobachten, kann detaillierte Aufklärung einen sogenannten Noceboeffekt bewirken, indem das Vortragen von Risiken Befürchtungen generiert und sogar die Behandlungsaussichten drastisch verschlechtern kann (z.B. Häuser, Hansen und Enck, 2012. Nocebo phenomena in medicine. The relevance in everyday clinical practice. Deutsches Ärzteblatt International). Schon im normalen Gespräch, in dem es noch gar nicht um Risiken geht, sondern in denen der Zahnarzt meint, normal zu informieren, fallen regelmäßig Sätze, bei denen sich der Patient die schrecklichsten Szenarien ausmalt. Eine Anästhesie wird beispielsweise mit den Worten eingeleitet: „Sie werden gleich schlafen, dann ist alles vorbei.“ Der Blick in den Mund verleitete den einen oder anderen Zahnarzt zu der Aussage: „Da haben Sie noch einige Baustellen im Mund.“ Auch die Feststellung, dass jemand ein „Patient mit schlechter Wundheilung“ ist, unterstützt niemals eine Verbesserung der Situation. Wenn schon im normalen Gespräch Noceboeffekte entstehen, ist es nicht weiter verwunderlich, dass beispielsweise die Aufklärung über das Risiko, während einer OP zu sterben zu können, große Angst auslöst.
Aufklärung
Wichtig bei der Aufklärung ist der Schwerpunkt, der gelegt wird. Bei Medikamenten gerät oft im Aufklärungseifer die Wirkung des Mittels in den Hintergrund. Nicht selten gibt es beispielsweise bei Informationsveranstaltungen eine Folie zur Wirkung, eine zu den Nebenwirkungen und eine dritte dazu, wie die Nebenwirkungen vermieden werden können. In Eins-zu-eins-Gesprächen ist die Verteilung oft ähnlich. Wird allerdings in zwei Dritteln der Zeit über die Nebenwirkungen gesprochen, bleiben diese Informationen schon allein wegen ihrer Menge im Gedächtnis haften. Da diese Fakten zudem potenziell furchterregend sind, haben sie für den Überlebensinstinkt einen noch größeren Stellenwert. Gewichten Sie die Informationen weg von den Nebenwirkungen und hin zum Nutzen.
Auch beim Nutzen kann an den Worten gefeilt werden. Anstatt zu sagen, dass die Zähne mit Implantaten nicht mehr so wackeln oder dass das Zahn- fleischbluten bei regelmäßiger PZR aufhört, gefällt es dem Patienten besser, zu hören, dass die Zähne festsitzen und das Zahnfleisch gesund wird. Beschreiben Sie dem Patienten das positive Endresultat, nicht das bekämpfte Übel. Sollte sich der Patient an den Häufigkeitsangaben von möglichen Komplikationen stören, können Sie diese zum Beispiel mithilfe einer Visualisierung relativieren. Die Angabe 1:100 oder 1:1.000 klingt für manche Personen erst einmal sehr gefährlich. In einer Abbildung wird dann jedoch einfacher sichtbar, dass es sich um eine verschwindend geringe Wahrscheinlichkeit handelt (siehe Grafik). Einen grünen Punkt empfindet das wachsame Auge übrigens harmloser als einen roten Punkt. Unterstützen Sie Ihre Patienten dabei, die Relationen ins rechte Licht zu rücken.
In der Reihenfolge beachten Sie, dass die Erfolge und Vorteile sowohl am Anfang ausführlich genannt als auch am Ende noch einmal zusammengefasst werden. Die Nebenwirkungen tauchen irgendwo dazwischen auf. Das Gehirn merkt sich üblicherweise Beginn und Schluss, der Rest wird herausgefiltert. Machen Sie sich diesen Mechanismus zunutze und platzieren Sie die Höhepunkte an den richtigen Stellen. Mit diesem Vorgehen haben Sie Ihre Patienten pflichtgemäß aufgeklärt und ganz korrekt Nutzen und Vorteile hervorgehoben. Es steht nirgendwo geschrieben, dass die Patienten unnötig verschreckt werden sollen. Sie betonen das Ziel Ihrer Arbeit und helfen damit den Patienten, dieses auch optimistisch erreichen zu können.