Psychologie 29.01.2018

Konfliktmanagement: Differenzen austragen, um sie zu lösen



Konfliktmanagement: Differenzen austragen, um sie zu lösen

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Wenn zwei eng miteinander verbundene Parteien unterschiedliche Standpunkte haben, welche sie gleichzeitig durchsetzen wollen, handelt es sich um einen Konflikt. Der Begriff Konflikt kommt aus dem lateinischen „conflictus“ und bedeutet soviel wie „zusammenstoßen“. Ohne Konflikte könnten wir uns als Menschen nicht weiterent­wickeln. Es geht also um die Frage, wie wir damit umgehen. Im Kontext einer Zahnarztpraxis und der funktionierenden Zusammenarbeit von Mitarbeitern ist der direkte und schlussendlich erfolgreiche Umgang mit Konflikten entscheidend für Praxisklima und Mitarbeiterbindung.

Um Konflikte besser zu verstehen, ist es zunächst sinnvoll, sich einen groben Überblick über die wichtigsten Arten zu verschaffen.

Grafik © Andreas Fink

Konfliktarten

Interpersonelle, intrapersonelle und organisatorische Konflikte

Ein Konflikt kann sich auf eine ein­zelne Person beschränken (intrapersonell), aber auch mehrere Menschen/Mitarbeiter (interpersonell) oder ganze Organisationssysteme/Praxen (organisatorische Konflikte) betreffen.

Heiße und kalte Konflikte

Heiße Konflikte sind dadurch gekennzeichnet, dass sie offensichtlich und offen ausgetragen werden. Die betei­ligten Parteien sind von ihren Standpunkten in der Regel dermaßen überzeugt, oder die Sache ist ihnen so wichtig, dass sie direkt versuchen, die jeweils andere Partei zu überzeugen. Meist geht das Ganze mit einer hohen emotionalen Beteiligung einher. Heiße Konflikte haben allerdings den Vorteil, dass sie vom Umfeld erkennbar und damit auch leichter zu handhaben und zu lösen sind.

Kalte Konflikte sind durch eher sub­­tiles Vorgehen geprägt, vor allem da­­durch, dass Menschen sabotieren, blockieren, verzögern und verschleppen. Meist ist das ganze Verhalten eher destruktiv; der Gegner soll und wird mehr geschädigt als dass er über­zeugt werden könnte. Entsprechend sind die beteiligten Parteien häufig frustriert und desillusioniert. Kalte Konflikte müssen erst aufgedeckt werden. Die Umwelt nimmt davon oft erst dann Notiz, wenn die Eskalation schon weit fortgeschritten ist. Interessant ist für die Konfliktlösung auch die Vorgeschichte. Diese ist bei kalten Konflikten besonders wichtig. Kalte Konflikte sind häufig das Resultat von nicht oder unbefriedigend gelösten ehemals heißen Konflikten.

Echte und unechte Konflikte

Kriterium für den echten Konflikt ist, dass er das konkrete Ziel verfolgt, einen Widerspruch oder eine Unver­einbarkeit zu beseitigen. Er ist relativ stabil und endet normalerweise mit dem Erreichen des Ziels – was einen Kompromiss durchaus mit einschließt.

Der unechte Konflikt ist reiner Selbstzweck und dient dem Abbau von Aggression. Die Ursache ist meist eine echte oder als echt wahrgenommene Konfliktsituation. Diese wird jedoch nicht direkt ausgetragen – weil man nicht kann, nicht darf, sich nicht traut oder weil man die Ursache nicht kennt oder nicht kennen will. Deshalb sucht sich der unechte Konflikt häufig ein anderes Konfliktobjekt. Der Konflikt wird sozusagen umgelenkt. Ein Aus­räumen der Kon­fliktursache ist da­durch nicht möglich. Vielmehr können daraus immer neue unechte Konflikte entstehen. Deshalb wird der unechte Konflikt auch als Metakonflikt be­zeichnet. Es gibt also einen Konflikt wegen eines Konfliktes. Diese Kon­fliktart kommt im Job häufiger vor, als zunächst angenommen. So wird zum Beispiel ein persönlicher Konflikt mit dem Vater im Beruf auf den Vor­gesetzten projiziert und dort aus­ge­tragen. Man spricht dann in der Psy­chologie auch von der Reinsze­nie­rung eines Vaterkonflikts im beruf­lichen Kontext.

Konfliktstufen

Konflikte verlaufen in Stufen, das heißt, sie steigern sich in ihrer Dramatik im­mer weiter, wenn sie nicht gelöst wer­den. Dabei können durchaus Stu­fen übersprungen werden. Nach Glasl werden neun Stufen unterschieden (Grafik 1).

Kritisch wird es ab der Stufe vier wenn andere, bisher Unbeteiligte, mit ins Boot geholt werden. Spätestens ab dieser Stufe sollten Sie als Füh­rungskraft eingreifen und ggf. externe Hilfe hinzuziehen. Zum besseren Verständnis finden Sie hier typische Denk- und Handlungs­weisen, welche die einzelnen Stufen charakterisieren:

Beharre auf Deinem Standpunkt, der andere wird schon nachgeben (Verhärtung).

Mache permanent und lautstark deinem Gegner klar, dass das Recht auf Deiner Seite ist und er Unrecht begeht (Debatte).

Sammle weiter Fakten, grabe alte Knochen aus. Schließlich bist Du ja im Recht (Tatsache).

Suche dir Verbündete, die auch Deiner Meinung sind, das schüchtert den anderen ein (Koalition).

Stelle den Gegner öffentlich vor vollendete Tat­sachen, das nimmt ihm den Wind aus den Segeln (Demaskierung).

Wenn der Gegner nicht einlenkt, so drohe ihm weitere Maßnahmen an, das zeigt immer Wirkung (Bedrohung).

Akzeptiere auf keinen Fall Ver­mittlungsversuche Dritter, denn diese wollen nur Deinen Gegner unterstützen. Wenn dies nicht ausreicht, so lanciere Gerüchte über geplatzte Schecks, drohende Zahlungsunfähigkeit, sexuelle Eskapaden oder Süchte Deines Gegners (Begrenzte Schläge).

Bleibe Dir treu. Trenne Dich von Deinem Gegner und lass ihn im Regen stehen (Zersplitterung).

Gemeinsam mit dem Gegner unterzugehen, ist allemal besser als Zugeständnisse zu machen, schließlich geht es ja um den Sieg der Wahrheit. Rache muss sein (gemeinsamer Untergang).

Konflikttypen

Jeder Mensch geht anders mit Kon­flikten um. Je nach familiärer Prägung, Herkunft, psychischer Si­tuation, aktueller Lebenslage und Rollenverteilung im Unternehmen. Folgende Typen können unterschieden werden:

Der Vermeider

Er trägt den Konflikt nicht aus und geht ihm aus dem Weg. Die Situation bleibt dabei unverändert erhalten. Nichts bessert sich. Bei dieser Hal­tung ist es sehr wahrscheinlich, dass beide Konfliktparteien verlieren. Das Ergebnis: Lose-Lose.

Der zwanghafte Durchsetzer

Er ist bestrebt, seine Position gegen den Widerstand anderer durchzusetzen. Es wird eine Win-Lose-Strategie verfolgt. Frei nach dem Motto „Es kann nur einen geben!“ Das Ergebnis – Sie haben einen Gewinner und einen Verlierer.

Der Nachgeber

Er repräsentiert eine Position, in der der Konflikt zwar aufgelöst wird, aber die menschliche Position (das eigene Ego) verloren wird. Der Nachgeber leidet meistens psychisch darunter. Während die andere Partei sich als Gewinner sieht. Das Ergebnis: Lose-Win.

Der Kompromisssucher

Dies ist vermeintlich die beste Stra­tegie. Sie wurde lange Zeit als die höchste Fähigkeit im Konfliktbereich angesehen. Je nach Wahrnehmung werden Kompromisse jedoch meist unterschiedlich beurteilt; oft mit dem Gefühl verbunden, nicht das best­mögliche Ergebnis für sich erzielt zu haben. Es ist so etwas von allem. Die­ses Ergebnis haben Sie zum Beispiel am Ende eines gerichtlichen Prozes­ses oder eines Schiedsspruches.

Der Wegdelegierer

Der Konflikt wird an andere Personen wegdelegiert – nach dem Motto: „Das geht mich nix an …“. Sehr beliebt bei Führungskräften, die keine Verant­wortung für ihren Job übernehmen wollen oder sich einfach überfordert fühlen. Das Ergebnis – nichts än­dert sich. Doch irgendwann kommt alles als Bumerang mit voller Wucht zurück.

Der Konsenstyp

Dies ist die beste Möglichkeit für Win-win-Ergeb­nisse, weil hier beide Seiten ihre Position voll einbrin­gen und ein Ergebnis erarbeiten können. Alle Parteien gehen mit einem unein­geschränkt positiven Gefühl aus der Konfliktlösung.

Hilfe Akzeptanz

Die Fähigkeit, zu erkennen, dass die Lösung nicht mehr selbst herbeigeführt werden kann und die damit ver­bundene Bereitschaft, externe Hilfe durch einen Mediator in Anspruch zu nehmen. Als Mitarbeiter in einer Praxis sollten Sie immer den Konsens anstreben. Als Führungskraft oder Chef soll­ten Sie jedoch unbedingt auch die Position der Durchsetzung und die Hilfeakzeptanz beherrschen, je nach Situation. Wenn Sie nur eingleisig fahren können, soll­ten Sie unbedingt daran arbeiten.

Grafik © Andreas Fink

Konfliktfolgen

Andauernde Konflikte können eine Vielzahl an nega­tiven Erscheinungen be­dingen.

Sie können:
• gesundheitlich belastend wirken
• als Störung des normalen (Berufs-)Lebens empfun­den werden
• rationales Denken verhindern
• die Leistungsfähigkeit des Einzelnen und des Teams verringern
• dem Image der Praxis und dem Arbeitgeberimage schaden
• Mitarbeiter- und Patientenverlust nach sich ziehen
• Geld kosten

Besonders der letzte Punkt wird in der Praxis oft übersehen. Hier lohnt es sich, einmal auf der Website www.konfliktkostenrechner.de ein Beispiel (kostenfrei, Stand 9/2017) durchzurechnen. Auch die ge­sundheitlichen Folgen sind nicht zu unterschätzen.

Konflikte können im Burn-out enden oder zu einem ernsthaften Mobbingfall werden (Grafik 2).

Konflikte managen

Konflikte lassen sich nicht einfach „managen“. Aller­dings können Vorgesetzte und Führungskräfte einiges tun, um die Eskalation von Konflikten zu vermeiden. Hierzu zählen u.a. die folgenden Maßnahmen:

• machen Sie sich klar, dass Sie in allem Vorbildfunktion haben
• stellen Sie sich immer die Frage: „Worum geht es bei diesem Konflikt eigentlich wirklich?“
• akzeptieren Sie, das jeder Mitarbeiter die Welt mit seinen eigenen Augen sieht
• seien Sie als Führungskraft jeder­zeitoffen für Kritik und Veränderungs­wünsche
• versuchen Sie, Konflikte so früh wie möglich zu lösen
• schaffen Sie eine Vertrauenskultur, in der alle Teammitglieder Probleme äußern können, ohne dass sie von anderen angegriffen werden
• schaffen Sie eine Plattform, in der regel­mäßig kommunikativer Austausch stattfindet – z.B. Team­meetings

Fazit

Um Konflikte zu lösen, müssen Kon­flikte erkannt werden. Dass dies ein durchaus komplexes Unterfangen ist, sollte nicht davon abhalten, sich Konflikten direkt zu stellen und best­mög­lich und lösungsorientiert darauf zu reagieren. Denn ein erfolgreiches Konfliktmanagement ist eine nicht zu unterschätzende Stärke, die sich auch auf andere zwischenmenschliche Be­reiche positiv auswirken kann. Gerade im Kontext einer Zahnarztpraxis trägt ein vom Praxisinhaber erfolgreich prak­tiziertes Konfliktmanagement Beispielcharakter und wirkt sich zudem positiv auf die Mitarbeiterbindung aus.

Welche Konfliktverhaltensanteile finden Sie vorrangig bei sich wieder? Wenn Sie es nicht wis­sen, kann ein kleiner Test weiterhelfen, den Sie auf An­frage vom Autor dieses Artikels erhalten.

Der Beitrag ist in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis 12/2017 erschienen.

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