Recht 07.11.2011
Die Praxisabgabe erfordert strategische Planung
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Gerade kurz vor dem Ruhestand kann es deshalb noch einmal sehr turbulent zugehen. Zum einen ist die Praxis zu bewerten, um sie der Höhe nach dem Übernehmer beziffern zu können. Zum anderen soll die Praxis auch von einem kompetenten Nachfolger fortgeführt werden. Die Praxisabgabe erfordert daher eine sorgfältige und mittlerweile auch strategische Planung. Für den Praxisabgeber kommt erschwerend hinzu, dass von Jahr zu Jahr die Zahl der Praxen steigt, die geschlossen werden müssen, ohne dass ein Praxisnachfolger die Versorgung der Patienten übernommen hätte. Noch vor einigen Jahren wäre dies nicht denkbar gewesen. Damals konnten die Verkäufer sich den Vertragspartner aus einer Vielzahl an Interessenten aussuchen. Dieses Verhältnis wandelt sich nun immer mehr, mit der Folge, dass in der Zwischenzeit häufig die Käufer dominieren, da sie aus einer Vielzahl an Arbeitsmöglichkeiten auswählen können.
Ursachen für den Wandel
Junge Zahnärztinnen und Zahnärzte wünschen sich immer mehr eine Spezialisierung und die Einbindung in Teamstrukturen. Auch geht die Bereitschaft zur Übernahme eines unternehmerischen Risikos bei den jungen Zahnärzten/Zahnärztinnen zurück. Vielmehr wünschen sich die Nachwuchskräfte geregelte Arbeitszeiten, berufliche Entfaltungsmöglichkeiten und eine ansprechende soziale Umgebung. Frauen bevorzugen aufgrund des Kinderwunsches zudem die Möglichkeit einer Teilzeittätigkeit auf Angestelltenbasis. Gerade diese Faktoren reduzieren automatisch die Nachfrage an der Übernahme von freiberuflichen Praxen, wobei vor allem Praxen in ländlicheren Regionen betroffen sind. Um dennoch die Früchte der Arbeit ernten zu können, sollte das Projekt Praxisverkauf möglichst früh von dem Zahnarzt geplant werden. Nur so kann sich der Praxisabgeber verschiedene Vorgehensmöglichkeiten im Hinblick auf sein bevorstehendes Ausscheiden offenhalten. In Betracht kommen nämlich neben der klassischen Praxisabgabe die Gründung einer Gemeinschaftspraxis oder Praxisgemeinschaft auf Zeit. Auch der Verkauf der Praxisanteile in mehreren Schritten und damit den sukzessiven Ausstieg kann eine Lösung sein. Als weitere Variante möge der Verkauf der Kassenpraxis und die Weiterführung einer privatärztlichen Tätigkeit im Einzelfall sinnvoll sein. Letztlich könnte auch das Einbringen der Abgabepraxis in eine bereits existierende Praxis eines jüngeren Kollegen am Ort die richtige Entscheidung sein. Jeder dieser Varianten erfordert andere Maßnahmen und Handlungen. Es ist daher besonders wichtig, sich im Vorfeld zur Abgabe eine feste Vorstellung davon zu machen, welchen dieser Wege für Sie, den Abgeber, der richtige ist.
Vorvertrag – Muster – Vertrag: Was ist sinnvoll?
Schlägt man den klassischen Weg des Praxisverkaufs ein, stellt sich insbesondere die Frage nach dem Kaufpreises als einen wesentlichen Punkt bei den Vertragsverhandlungen mit einem potenziellen Käufer dar. Hintergrund ist häufig die Tatsache, dass der ausscheidende Zahnarzt zur Absicherung seiner Altersvorsorge auf einen hohen Praxiserlös angewiesen ist. In Anbetracht dieser Tatsache ist es auch nachvollziehbar, dass ein potenzieller Käufer möglichst schnell vertraglich gebunden werden soll. Allzu gerne greifen Praxisverkäufer auf einen sogenannten Vorvertrag zurück, was aus Sicht des wirtschaftlich denkenden Juristen in diesen Fällen wenig Sinn macht.
Zwar erwerben die Vertragspartner durch den Abschluss eines Vorvertrags einen wirksamen Rechtsanspruch auf Abschluss des Hauptpraxiskaufvertrags, doch müssen sich die Vertragspartner dann bereits über alle wesentlichen Punkte geeinigt haben und der Inhalt des abzuschließenden Hauptvertrags muss zumindest bestimmbar sein. Dies bedeutet, dass sowohl der Kaufgegenstand als auch der Kaufpreis aus dem Vorvertrag hervorgehen müssen. Weiterhin sind Vereinbarungen über wesentliche Nebenpunkte wie z.B. die Praxisausstattung, die Patientenkartei und die Bemessungsgrundlagen des ideellen Praxiswertes in den Vorvertrag aufzunehmen. In der Rechtsprechung bestehen wegen der notwendigen Konkretisierung des Vorvertrags einige Unsicherheiten. Insbesondere dann, wenn der Vorvertrag zu knapp ausfällt, besteht die Gefahr, dass das Gericht im Streitfall zur Unwirksamkeit des Vorvertrags gelangt. Verwendet man allerdings im „Vorfeld“ viel Aufwand und Zeit in die Verhandlung und Gestaltung des Vorvertrags, so verfehlt der Vorvertrag schnell seinen Zweck. Dann kann nämlich im Anschluss häufig auch der Praxiskaufvertrag sofort abgeschlossen werden, da im Rahmen des Vorvertrags der Hauptteil der Arbeit schon erledigt wurde. Zur Vermeidung von Kosten kann es daher lohnend sein, nur einen Vertrag erstellen zu lassen.
Wenn nun die Vertragsparteien an dieser Stelle auf Musterverträge zurückgreifen, dann ist ebenfalls in aller Regel mit der Unwirksamkeit des Vertrages zu rechnen, da Muster gerade nicht dazu geeignet sind, die Besonderheiten dieser Praxisabgabe zu regeln. Dennoch sind Musterverträge sehr beliebt. Nicht nur beim juristischen Laien. Die Muster können dem Praxisveräußerer allenfalls den Einstieg in eine ihm nicht so geläufige Materie oder aber eine Grundidee bieten. Muster können behilflich sein, aber nur, wenn sich deren Regelungsgegenstände mit dem zu regelnden Sachverhalt und den Interessen der Vertragsbeteiligten decken. Bei der Vielschichtigkeit der zu regelnden Sachverhalte, der konkreten Interessen und Bedürfnisse der Vertragsparteien ist klar, dass Muster dies an sich nicht leisten können. Auch bei der Praxisveräußerung beziehungsweise dem Erwerb ist das eventuell vorliegende Muster deshalb in jedem Anwendungsfall zu prüfen und erforderlichenfalls zu präzisieren. Sofern der Praxisabgeber das Muster nutzen möchte, stößt er schnell an Grenzen, denn schließlich sind in diesem käuferfreundlichen Markt auch die Interessen seines Erwerbers im Vertrag zu berücksichtigen. Diese sind in den meisten älteren Vorlagen nicht vorhanden. Um nun die Besonderheiten rechtssicher aufzunehmen, bedarf es dann doch der fachlichen Unterstützung durch einen versierten Medizinrechtler.
Zum guten Schluss
Die Praxisabgabe bedeutet für den niedergelassenen Zahnarzt nicht nur die Aufgabe seines Lebenswerkes, sondern der Erlös aus dem Praxisverkauf wird häufig auch als wichtige Säule der Altersversorgung des Zahnarztes benötigt. Daher ist es für den Verkäufer wichtig, frühzeitig mit der Planung dieses Vorhabens zu beginnen und sich qualifizierte Beratung einzuholen, um alle Alternativen zu besprechen und möglicherweise strategisch umzusetzen. Von einem Vorvertrag mit dem möglichen Praxiserwerber ist in den meisten Fällen abzuraten. Sinnvoller ist es vielmehr, den Hauptvertrag von Beginn an konsequent zu verhandeln. Überdies können eventuell noch bestehende Ungewissheiten auch in dem endgültigen Praxiskaufvertrag durch die Vereinbarung von Rücktrittsrechten abgesichert werden. Weiterhin besteht die Möglichkeit, den Praxiskaufvertrag von dem Eintritt bestimmter Bedingungen abhängig zu machen. So sind die Vertragsparteien besser abgesichert, denn was für den einen die Altersvorsorge, ist für den anderen möglicherweise der Beginn eines eignen Lebenswerkes.