Recht 02.12.2024
FAQ im Arbeitsrecht – Antworten für die Praxis
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Der BVZP freut sich über einen neuen Kooperationspartner: Die Kanzlei Lyck+Pätzold steht uns und unseren Mitgliedern ab sofort bei Fragen zum Arbeitsrecht mit Rat und Tat zur Seite. Nadine Ettling, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizinrecht, gibt im Interview Auskunft zu häufig auftretenden Fragen der Community.
Worauf sollten unsere Mitglieder in Arbeitsverträgen besonders achten? Vor allem, wenn sich die Ausbildung dem Ende nähert und ein neuer Vertrag erstellt wird?
Wird die Abschlussprüfung erfolgreich bestanden, ist das Ziel des Ausbildungsverhältnisses erreicht und der Ausbildungsvertrag endet. Wer übernommen wird, sollte darauf achten, nicht einfach weiterzuarbeiten, sondern rechtzeitig einen neuen Vertrag aushandeln. Der neue Arbeitsvertrag sollte unbedingt schriftlich vorliegen und alles Wesentliche regeln. Es empfiehlt sich immer, den Vertrag gründlich zu lesen und direkt nachzufragen, wenn eine Regelung nicht oder schwer verständlich ist. Dann sollte diese Regelung unbedingt klar formuliert werden, um späterem Streit vorzubeugen. Grundsätzlich gilt, dass die meisten Konditionen frei verhandelt werden können.
Zählt das Umziehen der Arbeitskleidung in der Praxis zur Arbeitszeit oder nicht?
Wie so oft ist hier die Antwort: „Es kommt darauf an.“ Nämlich darauf, ob die Kleidung fremd- oder eigennützig getragen wird. Können Mitarbeitende die Kleidung, die sie in der Praxis tragen, auch als Freizeitkleidung tragen, zum Beispiel ein schlichtes T-Shirt, eine weiße Hose, liegt Eigennützigkeit vor. Das Umziehen ist keine Arbeitszeit und muss nicht bezahlt werden. Anders kann es schon aussehen, wenn die Arbeitskleidung zwar grundsätzlich auch nach Feierabend getragen werden kann, aber so auffällig ist, dass eine eindeutige Identifikation mit dem Arbeitgebenden besteht, beispielsweise ein rosa Poloshirt mit Praxislogo, dann ist das An- und Ausziehen dieser Kleidung fremdnützig und zählt zur – bezahlten – Arbeitszeit. Sie dient dem Arbeitgeber. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn alle Praxismitarbeitenden die gleiche weiße Hose und ein grünes Poloshirt mit dem Logo der Praxis tragen. Eindeutig ist die Lage hingegen beim Anlegen von Schutzkleidung in der Praxis. Ist für bestimmte Tätigkeiten oder Bereiche eine besondere Schutzkleidung erforderlich, handelt es sich beim Anlegen um Arbeitszeit.
Ist es rechtens, wenn der Arbeitgeber nach einer Fortbildung den Mitarbeiter durch einen Vertrag binden möchte?
Ja, eine faire und verhältnismäßige Bindung nach einer gewährten Fortbildung ist zulässig. Für Arbeitgeber ist die Freistellung zu Fortbildungszwecken und auch die Übernahme von Kosten eine wirtschaftliche Investition. Diese soll dabei natürlich der eigenen Praxis und nicht dem nächsten Arbeitgeber zugutekommen. Wer sich fortbilden möchte, sollte darauf achten, dass im Vorfeld eine schriftliche Vereinbarung darüber getroffen wird, wie lange die Fortbildung dauern darf, welche Qualifikation erreicht werden soll, wer die Kosten trägt und wie lange die Bindung sein soll. Alle Faktoren müssen dabei in einem angemessenen und fairen Verhältnis stehen. Starre Fristen dazu gibt es nicht. Erscheint die Dauer allzu groß, sollte fachkundiger Rat eingeholt und eine Gesamtabwägung im Einzelfall getroffen werden.
Darf ich auf öffentlichen Kanälen wie Facebook, Instagram oder SnapChat über meine Arbeit sprechen?
Auf Social Media ist Vorsicht geboten. Grundsätzlich darf in seiner Freizeit jeder tun und lassen, was er möchte. Das geht den Arbeitgeber erst einmal nichts an. Anders sieht es schon aus, wenn die berufliche Tätigkeit betroffen ist, denn Arbeitnehmer unterliegen der sogenannten Loyalitätspflicht, sie haben sich also dem Arbeitgeber gegenüber loyal zu verhalten. Ein Lobgesang auf die Praxis dürfte also erlaubt sein. Bei Kritik sieht das meist schon anders aus.
Unbedingt vermieden werden sollte der Fall, dass Patientennamen genannt oder auch nur versehentlich gezeigt werden. Selbst die Preisgabe, dass jemand überhaupt Patient der Praxis ist, ist bereits eine schwerwiegende Verletzung der Verschwiegenheitspflicht und kann zu Strafbarkeit führen!
Die Delegation von Arbeitsaufträgen ist gerade in einer Zahnarztpraxis ein sehr heikles Thema. Was genau muss ich darüber wissen?
Eindeutige gesetzliche Regelungen zur Delegation ärztlicher Leistungen sucht man vergebens. Lediglich für als besonders gefahrenträchtig angesehene Einzelfälle ordnet der Gesetzgeber einen sogenannten Arztvorbehalt an, so beispielsweise die Behandlung bestimmter Erkrankungen nach dem Infektionsschutzgesetz oder die Verschreibung von Betäubungsmitteln. Einigkeit besteht auch darüber, dass es einen Kernbereich zahnärztlicher Tätigkeiten gibt, der nicht delegierbar ist. Hierunter fallen Anamnese, Indikationsstellung, Untersuchung des Patienten einschließlich invasiver diagnostischer Leistungen, Diagnose, Entscheidung über Therapie und Durchführung invasiver Maßnahmen. Diese Tätigkeiten müssen in jedem Fall durch die Zahnärztin oder den Zahnarzt erbracht werden.
Wie verhalte ich mich richtig, wenn ich das Gefühl habe, dass ich für die Erfüllung einer angewiesenen Aufgabe noch nicht genug ausgebildet bin?
Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Delegation bzw. an der eigenen Eignung für die übertragene Aufgabe sollten in jedem Fall klar kommuniziert sowie dokumentiert werden. Bei ehrlich begründeten Zweifeln sollte die Aufgabe abgelehnt werden. Arbeitsrechtlichen Konsequenzen kann und muss gegebenenfalls mit einer fundierten Begründung entgegengetreten werden.
Gibt es einen wichtigen Rat, den Sie unseren Mitgliedern mit auf den Weg geben können?
Eine gute und ehrliche Kommunikation beugt den meisten Streitigkeiten vor oder kann diese erfolgreich beilegen. Das gilt schon beim Abschluss des Arbeitsvertrags. Sprechen Sie unverständliche Regelungen offen an und unterschreiben Sie nichts, was Sie nicht verstanden haben. Läuft es im Alltag mal nicht so, wie es soll: Sprechen Sie es an. Und wenn alles Reden nicht hilft, holen Sie sich rechtskundigen Rat, bevor sie handeln. Es lohnt sich!
Dieser Artikel ist im PJ Prophylaxe Journal erschienen.