Recht 13.05.2013
Haftung des Zahnarztes wegen mangelnder Aufklärung
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Der Behandlungsvertrag verpflichtet den Arzt sowohl zur Untersuchung und Behandlung des Patienten als auch zur Unterrichtung über dessen Leiden und den voraussichtlichen Verlauf bei behandelter und unbehandelter Form (BVerfG, Beschluss vom 18.11.2004 – 1 BvR 2315/04).
Der Patient ist demgemäß über die mit einem medizinischen Eingriff verbundenen Risiken ordnungsgemäß aufzuklären, damit er unter Wahrung seiner Entscheidungsfreiheit über das ob und wie der Behandlung wirksam in den Eingriff einwilligen kann. Dem Patienten muss dabei aufgezeigt werden, welcher Art und Schwere der vorgesehene Eingriff ist und welche Folgen für ihn persönlich daraus resultieren können. Die ärztliche Aufklärung soll dem Patienten eine Möglichkeit bieten, Art, Bedeutung, Ablauf und Folgen des Eingriffs zwar nicht in allen Einzelheiten, aber wenigstens in den Grundzügen nachvollziehen zu können. Im Rahmen der Aufklärung müssen dem Patienten nicht alle denkbaren medizinischen Risiken in allen möglichen Erscheinungsformen dargestellt werden (BGH, Urteil vom 18.11.2008 – VI ZR 198/07). Im Allgemeinen ist es daher ausreichend, wenn der Patient über die mit der Durchführung des Eingriffs verbundenen spezifischen Risiken im Großen und Ganzen aufgeklärt wurde. Diese erforderliche Grundaufklärung muss dem Patienten einen zutreffenden allgemeinen Eindruck von der Schwere des Eingriffs und der Art der Belastungen vermitteln, die für sein körperliches Wohlbefinden und seine Lebensführung möglicherweise zu befürchten sind und ihm eine zutreffende Vorstellung darüber vermitteln, wie ihm nach medizinischer Erfahrung durch den Eingriff geholfen werden kann und welche Erfolgsaussichten damit verbunden sind. Die erforderliche Grundaufklärung ist regelmäßig nur dann erfolgt, wenn der Patient auch einen Hinweis auf das schwerste möglicherweise in Betracht kommende Risiko erhalten hat.
Risiken bei Extraktion eines Weisheitszahns
Über mögliche und typische Schadensfolgen einer Behandlung muss indes dann keine Aufklärung erfolgen, wenn sie nur in entfernt seltenen Fällen auftreten und anzunehmen ist, dass sie für den Entschluss, in die Behandlung einzuwilligen, bei einem verständigen Patienten nicht ernsthaft ins Gewicht fallen (OLG Koblenz, Urteil vom 02.03.1999 – 3 U 328/97). Abweichend hiervon kann auch bei extrem seltenen Risiken eine Aufklärungspflicht bestehen, wenn eine besonders schwere Belastung für die Lebensführung des Patienten in Betracht kommt. Den behandelnden Zahnarzt trifft damit auch eine Aufklärungspflicht über das bei einer Extraktion eines Weisheitszahns bestehende Risiko einer Kieferfraktur. Regelmäßig erachtet der Patient die Entfernung eines Zahns als bloße Routinemaßnahme ohne besondere Risiken. Tatsächlich besteht aber bei der Extraktion eines Weisheitszahns auch bei einem einwandfreien ärztlichen Vorgehen die Möglichkeit einer Wundheilungsstörung, einer Nervenverletzung oder einer Perforation der Kieferhöhle.
Derartige Folgen sind dazu geeignet, die allgemeine Lebensführung des Patienten erheblich zu beeinträchtigen. Er muss durch die vorzunehmende Aufklärung in die Lage versetzt werden, die möglichen Auswirkungen des Eingriffs im Rahmen seines präoperativen Entscheidungsprozesses zu berücksichtigen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.03.1996 – 8 U 153/95).
Wirksame Zustimmung nur nach Aufklärung
Die erforderliche Zustimmung des Patienten zu dem ärztlichen Heileingriff kann nur dann wirksam erteilt werden, wenn der Patient vor Beginn der Behandlung über den Verlauf des Eingriffs, die bestehenden Erfolgsaussichten, seine Risiken und die möglichen Behandlungsalternativen im Großen und Ganzen aufgeklärt worden ist. Nur nach der erfolgten ärztlichen Aufklärung kann der Patient das ihm zustehende Selbstbestimmungsrecht einwandfrei ausüben. Dementsprechend gehört das Risiko einer Kieferfraktur zu den Risiken, über die ein Zahnarzt den Patienten vor der Extraktion aufzuklären hat (OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.03.1996 – 8 U 153/95).