Statements 21.02.2011

„Herausforderungen selbst gestalten“

„Herausforderungen selbst gestalten“

Foto: © ZÄK Mecklenburg-Vorpommern

Statement von Dr. Dietmar Oesterreich, Präsident der Zahnärztekammer Mecklenburg-Vorpommern und Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer

Unzweifelhaft steht das Gesundheitswesen vor zahlreichen Herausforderungen. Gesellschaftliche Wandlungsprozesse, wie die verstärkte Patientenorientierung, die zunehmende Bedeutung der Qualitätsförderung und der Wissenschaftlichkeit, beeinflussen nachhaltig die weitere Ausgestaltung von Gesundheitssystemen. Zentrale Herausforderung in allen modernen entwickelten Industrienationen ist und bleibt der demografische Wandel der Bevölkerung. Auch in der zahnärztlichen Praxis verdeutlicht sich diese Entwicklung dadurch, dass nicht nur die präventiven und therapeutischen Bedarfe der älter werdenden Bevölkerung steigen, sondern auch, dass die medizinische Kompetenz des zahnärztlichen Behandlungsteams zunehmend gefordert ist. Multimorbidität und medikamentöse Therapie systemischer Erkrankungen haben deutliche Auswirkungen auf die Mundgesundheit. Auch steht bei Senioren der Zahnverlust in einem viel stärkeren medizinischen Zusammenhang. Gleichzeitig weisen der Versorgungsalltag und die Ergebnisse der wissenschaftlichen Literatur darauf hin, dass orale Erkrankungen sehr viel stärker als bisher beachtet in einem engen Zusammenhang zu wesentlichen systemischen Erkrankungen stehen. Moderne Zahnmedizin erweist sich somit mehr denn je als integraler Bestandteil des medizinischen Fächerkanons.

Im Rahmen der Unterstützung der täglichen Praxis als auch als Ideengeber für die Fortbildung hat die Bundeszahnärztekammer einen Leitfaden zur „Präventionsorientierten ZahnMedizin unter den besonderen Aspekten des Alterns“ herausgegeben. Dieser Leitfaden versteht sich als wissenschaftlich begründeter, aber auch gleichzeitig praxisnaher Problemaufriss, der dem berufstätigen Zahnarzt eine systematische Orientierungshilfe zur ausgewählten Dienstleistung in der Zahnarztpraxis geben möchte.

Größte Probleme und zunehmend Gegenstand professionspolitischer Diskussionen und Überlegungen bereitet die Versorgung von immobilen Patienten. Gerade in Mecklenburg-Vorpommern spitzen sich die Veränderungen durch den demografischen Wandel zu. Niedrige Geburtenraten und die Abwanderung junger Menschen auf der einen Seite und die relative sowie absolute Zunahme älterer Patienten durch Zuzug verschärfen die Situation. Der Berufsstand steht somit vor der Herausforderung, entsprechende Betreuungsmodelle für die deutlich zunehmende Anzahl immobiler Patienten zu schaffen. Gesundheitspolitische Rahmenbedingungen sind im Rahmen derzeitiger Vorgaben unzureichend. Trotzdem engagieren sich zahlreiche Kolleginnen und Kollegen für diese Patientengruppe. Dies war Anlass für die Zahnärztekammer Mecklenburg-Vorpommern, mit Unterstützung des Sozialministeriums des Bundeslandes ein Pilotprojekt unter Nutzung mobiler Behandlungseinheiten in Pflegeeinrichtungen der Stadt Schwerin zur Versorgung immobiler Patienten zu initiieren. Neben der Gewinnung von sozialepidemiologischen Datenlagen ist es ein Hauptanliegen im Rahmen eines Versorgungsforschungsansatzes, den Aufwand und die notwendigen Rahmenbedingungen für das zahnärztliche Behandlungsteam bei der Versorgung dieser Patienten zu erfassen. Da die vorgezeigte Entwicklung zum demografischen Wandel zeitverzögert ganz Deutschland in ähnlicher Form erfassen wird, wollen wir hiermit einen Beitrag des Berufsstandes zur Beseitigung von Unterversorgung leisten. Die Auswertung der Ergebnisse dieser Studie soll Grundlage für die weitere Diskussion über Versorgungsmodelle und gesundheitspolitische Rahmenbedingungen sein. Gleichzeitig gilt es dabei auch, die Partner in den Gesundheits- und Pflegeberufen mit einzubeziehen. Auch hier sind zahnärztliches Wissen und Erfahrung gefordert, um sowohl die interdisziplinäre Betreuung zu verbessern als auch gleichzeitig die Pflegeberufe in Fragen der Mundhygiene dieser Patientengruppe zu schulen. Möge es uns gemeinsam gelingen, auf wissenschaftlicher Datengrundlage die Gesundheitspolitik wie die Partner in den Gesundheits- und Pflegeberufen für unser Anliegen zu gewinnen. Ich meine, es ist wichtig, Herausforderungen zu erkennen und sie zu beschreiben. Die Stärke des Berufsstandes liegt insbesondere darin, diese auch selbst zu gestalten.


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