Statements 07.06.2011

(Zahn-)ärztliches Werberecht: Erlaubt? Getan?



(Zahn-)ärztliches Werberecht: Erlaubt? Getan?

Foto: © ZÄK Saarland

Statement von Dr. med. dent. Hans Joachim Lellig, Präsident der Zahnärztekammer Saarland


Das (zahn-)ärztliche Werbeverbot, das Gestaltung, Text, Anlass und Größe von Schildern, Briefköpfen und Annoncen bis ins Detail restriktiv reglementierte, hat sich heute in ein grundsätzliches Werberecht des (Zahn-)Arztes gewandelt. So sind dem Zahnarzt nach § 21 der Berufsordnung „sachliche Informationen über seine Berufstätigkeit“ ausdrücklich „gestattet“. Nur noch die „berufswidrige“ Werbung ist ihm untersagt. Das heißt im Umkehrschluss, jede nicht berufswidrige Werbung ist ihm erlaubt, er darf also in diesen Grenzen beliebig oft – grundsätzlich auch mithilfe beliebiger Medien – für seine Tätigkeit werben.

Es wäre falsch, wollte man behaupten, diese Wandlung des Werberechtes sei aus dem Berufsstand selbst entwickelt worden. Viel zu groß war über Jahrzehnte der Konsens unter den Berufsangehörigen, im Interesse des Ansehens und der Lauterkeit der Berufsausübung das generelle Werbeverbot zu beachten. Dessen Rechtmäßigkeit war über ebenso lange Zeit auch in der Rechtsprechung unstrittig. Der Weg vom „Werbeverbot“ zum „Informationsrecht“ wurde erst Mitte der 1990er-Jahre durch eine sich radikal ändernde Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes eingeleitet. Grund hierfür war insbesondere die Erkenntnis des Bundesverfassungsgerichtes, dass in der heutigen Informationsgesellschaft der Patient immer mündiger werde und das ärztliche Werbeverbot immer stärker mit dem Grundrecht des Patienten auf Informationsfreiheit im Konflikt stehe. Das Werbeverbot musste sich daher in ein Werberecht in den Grenzen einer „berufsrechtskonformen Werbung“ wandeln.

Dieses Statement will sich weniger mit den juristischen Detailfragen der Grenzen des berufskonformen (zahn-)ärztlichen Werberechtes auseinandersetzen, als vielmehr mit der Frage, ob der Berufsstand alles, was erlaubt ist, auch nutzen sollte. Gewiss gibt es ein zu befriedigendes Informationsinteresse und -bedürfnis unserer Patientinnen und Patienten und ohne Zweifel gibt es auch ein Bedürfnis des (Zahn-)Arztes, auf seine besondere Qualifikation, seine apparativ besondere Ausstattung und besondere Behandlungsangebote hinweisen zu dürfen.

Dies alles ist heute (zu Recht) gestattet. Niemand hat etwas dagegen einzuwenden, wenn eine Praxis sich nach außen hin so darstellt. Fast alle Praxen haben heute eine schön gestaltete Homepage. Einen Link zu dieser Homepage findet der interessierte Bürger unter anderem über den Zahnarzt- Such-Service der Kammern. Mehr als 90 Prozent der Praxen beschränken sich bis heute auf diese Außendarstellung. Nur ein geringer Teil der Praxen schaltet Anzeigen oder ist über bezahlte Berichte in sogenannten „Lifestyle-Magazinen“ im öffentlichen Raum präsent. Dies mag nicht nur mit den dafür entstehenden hohen Kosten zu begründen sein. Vielmehr besteht nach wie vor in der Kollegenschaft ein hoher Konsens darüber, dass Werbung in dieser Form seinem Berufsverständnis entgegensteht. Auch weiß er, dass der Empathiewert der wichtigste Werbeträger ist und dieser auch ohne umfangreiche Außendarstellung über kurz oder lang dazu führt, dass Patienten seiner Praxis nicht nur treu bleiben, sondern auch immer wieder neue Patienten hinzugewinnen. Nicht zufällig kommen viele hoch frequentierte Praxen mit einem kleineren Praxisschild aus.

Aus empirischen Untersuchungen bekannt ist auch, dass nur ganz wenige Menschen aufgrund einer Werbung eine Praxis erstmals aufsuchen. Auch muss sich der werbende Zahnarzt die Frage stellen, welche Art von Patienten er mit seiner Werbung gewinnt. In vielen Fällen werden sich von Vorbehandlern subjektiv enttäuschte Patienten von einer solchen Reklame ansprechen lassen: Ist das wirklich seine Zielgruppe? Sicher spielt auch der Ort der Reklame eine gewisse Rolle: Dem Autor dieser Zeilen kaum nachvollziehbar erscheint es, warum und wieso ein Patient sich von der Zahnarztreklame auf einem Einkaufswagen oder der Durchsage im Supermarkt zwischen Sonderangeboten für Blutwurst und Hähnchenschenkel zu dem Besuch einer Praxis anregen lassen könnte.

Eine solche Reklame ist natürlich auch geeignet, das Ansehen der Zahnärzteschaft insgesamt herabzusetzen. Das Gleiche gilt, wenn sich eine Zahnarztwerbung in Wochenend- und Anzeigenblättern zwischen den Annoncen für Haar- und Sonnenstudios oder gar Erotik-Shops wiederfindet. Wir verkaufen weder eine Ware noch haben wir es nötig, unseren auf hoher Qualifikation beruhenden und der Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit des hilfesuchenden Patienten dienenden Beruf der Öffentlichkeit zwischen Sonderangeboten zu präsentieren.

Fazit: Werbung in den berufsrechtlichen Grenzen ist grundsätzlich erlaubt, ob, wo und wie oft davon Gebrauch gemacht wird, sollte jeder im Lichte der Wirkung auf seine Praxis und das Ansehen seines Berufsstandes entscheiden: „Weniger“ ist dabei mit Sicherheit „mehr“. Nicht alles was erlaubt ist, muss/sollte auch getan werden. Die große Mehrheit der Kollegenschaft sieht dies nach wie vor so. Vor den wenigen „Ausreisern“ muss sie nicht wirklich „Angst“ haben oder gar um ihre Existenz fürchten. Vielleicht lässt sich der eine oder andere „schwierige Patient“ über die Werbung ja auch ansprechen, sodass er endlich den ihn zufriedenstellenden Zahnarzt findet. Dann war es in der Tat auch für diesen von Vorteil.

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