Praxismanagement 24.10.2014
Was Zahnärzte vom Speed-Dating lernen können
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Von früh bis spät treten wir immer und überall durch unsere Kommunikation in Beziehung – in der Praxis, mit Mitarbeitern, Kollegen, Patienten und Lieferanten, innerhalb der Familie, mit Freunden oder (Un-)Bekannten. Umso wichtiger ist es, sich mit ebenjener Alltagskommunikation intensiver zu beschäftigen, denn: Die Lösungen für Alltagsprobleme liegen im Alltag, in unseren Beziehungen und wie wir innerhalb dieser kommunizieren.
Wir sind jeden Tag „etwas gestresst“, wir führen jeden Tag unsere Mitarbeiter oder unseren Chef, überzeugen Patienten, gehen mit Kollegen in der Praxis um. Unspektakulär, aber dauerhaft und dementsprechend intensiv. Der Alltag hat einen schlechten Ruf, er sei „grau“. Das stimmt nur, wenn wir ihn mehr oder weniger gedankenlos hinnehmen und den Fokus auf die „großen Würfe“ legen. In diesem Artikel geht es um das vermeintlich Banale, denn genau da findet der nachhaltigste Erfolg statt. Doch die Alltagssprache hält so einige Stolperfallen bereit. Beim zwanglosen Geplauder kann so gut wie alles schiefgehen, aber auch ein intensiv vorbereitetes Gespräch ist noch lange kein Garant für den Erfolg.
Sechs Speed-Dating-Regeln für eine wirksame Kommunikation
Längst wird Speed-Dating nicht mehr nur bei der Partnersuche eingesetzt, sondern auch bei der Vermittlung einer Wohnung, für die Zusammenführung von Azubis und Unternehmen oder zum Kennenlernen der Teilnehmer bei Seminaren. Gleich bleibt dabei das Ziel: Innerhalb einer relativ kurzen und festgelegten Zeit möglichst viele Gesprächspartner näher kennenzulernen bzw. erste Gemeinsamkeiten festzustellen. Beim Speed-Dating wird schnell deutlich, dass jede Beziehung Kommunikation ist und jede Kommunikation Beziehung. Hier sind sechs Speed-Dating-Regeln als Basis jeder spannenden, kreativen und wertvollen Alltagskommunikation:
1. Locker bleiben
Die erste Speed-Dating-Regel besagt, dass wir „ganz locker“ sein sollen. Der Riegel im Kopf „die/den muss ich haben“ oder „heute treffe ich meinen Märchenprinzen“ ist mehr Blockade denn motivierende Zielgröße. Ziele im Leben sind gut, aber in der konkreten Situation der Kommunikation gilt es, sich darauf zu konzentrieren, was gerade jetzt geschieht! Es geht ja nicht um schwierige Verhandlungen, in denen strategisches Vorgehen sinnvoll ist. Es geht um den Alltag, um diese fast „vernachlässigbare“ Größe von circa 85 Prozent der Gespräche während des Tages. Vertrauen wir ruhig darauf, dass „es“ schon richtig funktioniert – aber nur, wenn auch die innere Haltung stimmt. Denken wir Schlechtes über eine Situation oder einen Patienten, werden wir diese Einstellung auch ausstrahlen. Umso wichtiger ist es, an der eigenen Haltung zu arbeiten: die Dinge positiv-konstruktiv sehen, um sie dann eben auch mal ganz locker angehen zu können.
2. Präsent sein
Alltägliches läuft Gefahr, „einfach so nebenbei“ erledigt zu werden. Das kurze Gespräch mit dem Chef, der Kollegin, dem Patienten wird im besten Fall inhaltsfokussiert geführt. Kurz, knapp, klar – so haben wir es gelernt. Allenfalls noch „Level 2“, nämlich „sauber positiv formuliert“. Eine Bitte statt einem Befehl, ein Wunsch statt einer Aufforderung. Aussagen wie „Hörst du mir überhaupt zu?“ oder „Ich habe den Eindruck, dass du gar nicht so richtig da bist?“ kennen wir alle. Die Präsenz gestaltet die Intensität unserer Alltagskommunikation. Ungeachtet der richtigen oder falschen Worte, ankommen werden diese nur, wenn sie in möglichst höchster Präsenz ausgesprochen werden. Genau so sollten wir auch in Dialog(e) gehen: Keine automatisierten Sätze, sondern ein Bekenntnis zur Präsenz. Das geht schneller, braucht weniger Vorbereitung, verlangt aber im Endeffekt mehr Vertrauen zu sich selbst. Dieses prägt unsere Auftritte auch im Kleinen. Dabei hat „Selbstvertrauen“ nichts mit Überheblichkeit zu tun. Es ist das Vertrauen darin, mit Talenten und Fähigkeiten so gut ausgestattet zu sein, dass das Richtige zur richtigen Zeit gesagt und getan wird.
3. Offen bleiben
Dass Vorurteile einschränken, ist hinlänglich bekannt. Das Gegenüber sollte die Chance haben, genau dem Gegenteil unserer Erwartung zu entsprechen. Achten wir also auf Unterschiede oder suchen wir Dinge, die neu, interessant, spannend sind. „Haben Sie Schulterschmerzen?“ war die Frage in einer Polizeikontrolle. Es interessierte den Polizeibeamten wahrlich nicht, mit welchen Schmerzen der Verkehrsteilnehmer fährt, sondern er wollte ihm lediglich mitteilen, dass er den Sicherheitsgurt nicht trage und das ein Bußgeld kostet. Das ist beileibe keine positive Alltagskommunikation. Wenn Sie etwas wissen möchten, dann stellen Sie eine Frage. Wenn Sie etwas sagen möchten, dann sagen Sie es. Bei dem oben genannten Beispiel liegt eine deutliche Diskrepanz vor. Gleiches in Führungsgesprächen: „Geht’s dir nicht gut, hast du private Probleme?“ Entweder interessiert es mich wirklich, oder ich deklariere es als Interpretation: „Ich habe die Vermutung, dass privat etwas nicht stimmt, liege ich da richtig oder falsch?“
4. Interessiere dich für den anderen
So banal wie einfach und doppelt schwer: Zuhören ist eine Königsdisziplin in der Kommunikation – gerade und erst recht im Alltag! Eine kleine Beobachtungsaufgabe: Stellen Sie sich nach der Urlaubsphase in Ihrer Praxis in den Pausenraum. Hören Sie einfach zu, wie oft sich Menschen nicht (zu-)hören. Da erzählt Kollegin X, sie sei heute wieder zurück aus dem Urlaub. Kollegin Y fragt nett: „Wie war’s denn und wo wart ihr?“ Spannend, einfach zuzuhören, wie oft viele sich überhaupt nicht dafür interessieren, was der andere erzählt. Bei der ersten Gesprächspause kommt die eigene Geschichte wieder aufs Tablett: „Wir hatten wirklich einen tollen Service an Bord“ – kurze Atempause ... das Gegenüber: „Ja, letztes Jahr sind wir mit der Air Singapur geflogen, war noch besser als ihr Ruf.“ Zur Erinnerung: Interessieren wir uns wirklich für unser Gegenüber, werden wir reicher! Und wenn zwei reden, heißt das noch lange nicht, dass es auch ein Dialog ist. Sehr häufig sind es sogenannte Doppelmonologe – beide erzählen abwechselnd ihre Geschichte.
5. Lächle und sei freundlich
„Setzen Sie Ihr freundliches Gesicht auf, zeigen Sie Ihre Freude, jemanden zu treffen und denken Sie ans Positive jetzt und im Leben. Sie gewinnen als authentisch positive Person mehr.“ So steht es im „Leitfaden zum Daten“. Stellen wir uns vor, das Gespräch am Dating-Tisch beginnt mit den Worten: „Hallo, ich bin Peter. Ich hatte eine schwere Jugend, im Moment habe ich kein Geld und abgesehen davon finde ich die politischen Verhältnisse in unserem Land furchtbar.“ Ehrlichkeit in allen Ehren ... aber Blumen gewinnen wir so keine! Das ist keine Aufforderung zum gequälten „Think positive“, sondern die klare Botschaft: Ohne innere, positive Haltung sind wir weder im Date noch im Praxisalltag wirklich erfolgreich. Deshalb ist es wichtig, das Positive zu suchen. „Wir sind heute in der Praxis gerne bis um 16.00 Uhr persönlich für Sie da“ ist inhaltlich gleich, aber eben doch ganz anders als „wir sind dann ab 16.00 Uhr weg“. Übrigens: Positive Verhaltensweisen eines „freundlichen“ Menschen – ob Zahnarzt oder Helferin – werden durch Lob und Zuwendung weiter verstärkt. Ehrliches Lob und echte Zuwendung freuen aber auch jeden Patienten, sodass es ihm wiederum leichter fällt, freundlich und vertrauensvoll zu sein.
6. Beginne mit einem netten Wort
„Himmel, wo warst du beim Friseur, hierzu braucht’s wohl auch keine Ausbildung.“ Das Date können wir abschreiben. Bei allem Interesse, aller Präsenz, Lockerheit usw. – irgendwann beginnen wir zu reden. Ein guter Grund, in der Praxis von Anfang an charmant, nett und unverfänglich zu sein. Es kann durchaus sein, dass es sich im Verlauf des Gesprächs zeigt, dass unser Gegenüber unseren Sinn für Humor teilt, aber diesen Sinn sollten wir zuerst kennen! Erfahrene Speed-Dater empfehlen: „Beginne mit einem Lob!“ Gehen wir davon aus, dass jeder gerne zuerst etwas Positives hört, schaffen wir doch diesen Mikrokosmos der konstruktiven Aura und beginnen im Praxisalltag mit einem positiven Wort: „Eine außergewöhnlich schöne Tasche haben Sie!“ oder „Danke, dass Sie pünktlich hier sind.“ Locker, positiv, nett, freundlich, offen, interessiert – und das mit dem Mehraufwand von ein paar wenigen, vor allem aber anderen Worten.
Erfolg im Umgang mit Patienten heißt, nicht nur dann gut zu kommunizieren, wenn etwas schiefgelaufen ist. Einen Führungsstil in der Praxis leben, der Mitarbeiter fördert, findet nicht nur beim Lohn- oder Disziplinargespräch statt. Stressabbau im Alltag bedeutet nicht, dass ich zweimal im Jahr ins Wellness-Weekend gehe. Der Erfolg kommt schleichend im Alltag. Ebenso wie auch Probleme langsam und leise um sich greifen. Wenn wir es schaffen, zentrale, oft ganz kleine Erfolgselemente in der Kommunikation und im Aufbau von Beziehungen in unseren Alltag zu integrieren, wird er strukturell, rituell oder eben ganz normal und selbstverständlich. Erfolgreiche Kommunikation als Selbstverständlichkeit – eine Ode an die 90 Prozent Normalleben.