Implantologie 09.05.2023
Verbundbrücke – Alternative zum implantatgetragenen Zahnersatz?
share
Heutzutage äußern Patienten vermehrt den Wunsch, festsitzend versorgt zu werden. Eine festsitzende prothetische Versorgung ist allerdings – je nach Lückensituation – nicht immer möglich. Liegen Freiendsituationen oder gekrümmte Schaltlücken vor, ist eine rein zahngetragene festsitzende Versorgung in den seltensten Fällen realisierbar. In diesen Patientenfällen ist es jedoch möglich, über Verbundbrücken eine festsitzende Rehabilitation zu gewährleisten, indem die prothetische Versorgung sowohl zahn- als auch implantatgestützt geplant wird (Abb. 1).
Grundsätzlich gelten bei zahn- und implantatgestützten Brückenversorgungen vergleichbare Indikationen und Kontraindikationen wie man sie für die konventionelle Prothetik und Implantatprothetik kennt. Tabelle 1 gibt dazu einen Überblick. Die Anforderungen an die natürlichen Pfeilerzähne sind dieselben, die bei herkömmlichen Brücken erfüllt sein müssen, und umfassen dementsprechend ein ausreichendes Angebot der Zahnhartsubstanz (u. a. die Möglichkeit des Fassreifeneffekts („ferrule effect“) sowie einen günstigen parodontalen und endodontischen Ausgangszustand.
Individuelle Begründung zur Verbundbrücke
Verbundbrücken sollten vor allem dann als Therapieoption in Betracht gezogen werden, wenn die prospektiven natürlichen Pfeilerzähne überkronungsbedürftig sind (Abb. 2).1 Der Entscheidung zur zahn-/implantatgetragenen Verbundbrücke geht das Aufklärungsgespräch mit dem Patienten mit der Diskussion der Behandlungsalternativen voraus. Grundsätzlich konkurriert die Verbundbrücke zum rein implantatgetragenen Zahnersatz oder der konventionellen Prothetik ohne Implantate. Während der rein implantatgetragene Zahnersatz auch eine Einzelzahnrekonstruktion zulässt, erfährt der Patient die Verbundbrücke bezüglich Funktion und Hygiene in der Regel wie eine konventionelle Brücke.
Ergeben sich anamnestisch Einflussfaktoren auf die Einheilung von Knochenaugmentaten oder Implantaten sollte dies aus fachlicher Sicht in der Einschätzung der Erfolgsprognose der jeweiligen Therapiealternative eine Berücksichtigung finden. Für das Beispiel eines Diabetes mellitus würde das bedeuten, dass bei einem HbA1c-Wert zwischen 6,5 und 7,5 von einem mittleren Risiko bei Augmentation und Implantation ausgegangen werden kann, während bei einem HbA1c-Wert von mehr als 7,5 ein erhöhtes Risiko einer gestörten Einheilung von Knochenaugmentaten besteht. Da bei der Verbundbrücke für einen Implantatpfeiler meist ein geringerer oder kein Bedarf der Augmentation besteht, kann diese Therapieform im Vergleich zum rein implantatgetragenen Zahnersatz an Bedeutung gewinnen.2
Vergleichbar mit der konventionellen Prothetik sollte der natürliche Pfeiler der Verbundbrücke möglichst vital, parodontologisch gesund und/oder therapiert, ohne Lockerungsgrad und im Falle einer Wurzelfüllung endodontisch suffizient versorgt sein.3
Bezogen auf die Wirtschaftlichkeit der Versorgung bestehen meist nur geringe Unterschiede zwischen der Verbundbrücke und dem rein implantatgetragenen Zahnersatz. Dem Mehrbedarf an Kosten für ein bis zwei zusätzliche Implantate und der ggf. erforderlichen Hartgewebsaugmentation steht der prothetische bzw. zahntechnische Kostenbedarf der Versorgung einer größeren Brückenspanne mit Präzisionsverbindungselementen gegenüber.
Während bei rein implantatgetragenem Zahnersatz, insbesondere in Fällen mit Implantaten in beiden Kiefern, mit bis zu zehnfach höheren Kaukräften gerechnet werden muss, ist durch Einbeziehung des Zahns in der Verbundbrücke beim teilbezahnten Lückengebiss von einer guten Adaptation der taktilen Sensitivität auszugehen (Tab. 2).4
Planung, Konstruktion der Verbundbrücke und biologische Hintergründe
Entscheidend bei der Planung einer Verbundkonstruktion ist die Erkenntnis, dass sich Zahn und Implantat beim Kauzyklus hinsichtlich der Einsenkbarkeit bzw. Resilienz nahezu vergleichbar verhalten. Bei der Mastikation kommt es zu einer impulsartigen Belastung von Zähnen, die in etwa eine viertel Sekunde in Anspruch nimmt. Hierbei können die Interzellularflüssigkeit, Blut und Lymphe aus dem Parodontalspalt nicht schnell genug in die umliegenden Gewebe verdrängt werden, sodass sich in der Folge eine viskoelastische Eigenschaft des Zahnhalteapparates ergibt, die eine vergleichbar niedrige Resilienz, wie es das Implantat aufweist, zur Folge hat. Aufgrund der Elastizität des Knochens weist auch das Implantat eine Geweberesilienz von bis zu 20 µm auf, sodass bei Kaubelastung nahezu vergleichbare Werte (gesunder Zahn bis 40 µm) vorliegen.3–5
Aus diesen Gründen ergibt sich, dass die Verbindung zwischen Zahn und Implantat rigide, also starr, gestaltet sein sollte. Bei nicht rigiden Verbindungen treten nachweislich vermehrt Komplikationen auf.3, 6 Als Hauptkomplikation ist die Intrusion des Pfeilerzahns zu nennen.6 Die Konstruktion des Brückengerüstes kann mittels eines durchgängigen, definitiv befestigten (adhäsiv befestigten oder zementierten) Brückengerüstes oder durch geteilte Brückenkonstruktion mit am Pfeilerzahn verschraubtem extrakoronalem Präzisionsgeschiebe erfolgen. Bei der geteilten Brückenkonstruktion sollte die Krone am Pfeilerzahn grundsätzlich definitiv befestigt werden, während im Bereich des Implantats eine semipermanente Befestigung oder okklusale Verschraubung erfolgen kann. Im Idealfall ist eine Verbundbrücke dreigliedrig und umfasst ein Implantat, das Brückenzwischenglied und einen Pfeilerzahn. Unter Einbeziehung von zwei Pfeilerzähnen und einem Implantat oder bei zwei zu ersetzenden Zähnen können in geeigneter Indikation auch viergliedrige Restaurationen gestaltet werden (Abb. 3a–c).1
Die Verbundbrücke kann zudem auch als metallbasierte Einstück-Brückenkonstruktionen gefertigt werden. Bei geeigneter Indikation zeigen auch diese Konstruktionen vergleichbar günstige Überlebensraten wie der rein implantatgetragene Zahnersatz. Drei-Jahres-Überlebensraten von definitiv mittels Glasionomerzement befestigten dreigliedrigen Einstück-Zirkonoxid-Verbundbrücken weisen ebenso vielversprechende Ergebnisse auf.7
Befestigung
Die Art der Befestigung richtet sich nach der Gestaltung der Verbundbrücke: Die Einstück-Verbundkonstruktionen mit Metall- oder Keramikbasis werden immer definitiv befestigt. Man kann bei der defintiven Befestigung zwischen der traditionellen Zementierung (z. B. Glasionomerzement) oder der adhäsiven Befestigung mittels selbstadhäsiven oder konventionellen Befestigungskompositen unterscheiden. Die Wahl muss dabei patientenindividuell erfolgen, und eine ausreichende Reinigung nach der Eingliederung sollte unbedingt berücksichtigt werden. Die Lage des Befestigungsspalts zwischen Restauration und Implantat ist entscheidend. Bei getrennter Verbundkonstruktion wird der mit einem verschraubbaren Geschiebeanteil versehene Brückenanker auf dem natürlichen Pfeiler definitiv befestigt, das Geschiebe im Brückengliedanteil verschraubt und der Implantat-Brückenteil je nach Ausführung okklusal verschraubt oder semipermanent/provisorisch auf einem (individuellen) Aufbauteil befestigt. Bei getrennter Verbundkonstruktion bleibt der Implantatpfeiler, im Falle einer Reparatur oder bei Bedarf einer Periimplantitistherapie, somit weiterhin zugängig.8
Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, den natürlichen Pfeilerzahn mittels Primärkäppchen/-krone zu versorgen, wobei stets definitiv auf dem Pfeilerzahn befestigt werden sollte. Die Verbundbrücke kann in diesen Fällen semipermanent eingesetzt werden, wobei in Einzelfällen eine Intrusion des natürlichen Pfeilers beobachtet wurde.1
Risiken und Komplikationen
Die im Vergleich zur rein implantatgetragenen Versorgung bzw. zum konventionellen Zahnersatz häufiger genannten Risiken der Verbundbrücken sind die Intrusion und die Sekundärkaries.9 Bei der Intrusion handelt es sich im Grunde um ein Komplikationsereignis, welches durch die nicht starre Verbindung von Zähnen und Implantaten verursacht wird. Bei starrer Verbindung ist dies ein sehr seltenes Ereignis. Bei Einhaltung geeigneter Befestigungsarten (s. o.) ist das Vorkommen von Sekundärkaries auf vergleichbarem Niveau wie bei konventioneller Kronen- bzw. Brückentechnik.
Grenzen, Überlebensraten
Die Überlebenszeiten von kombiniert zahn- und implantatgetragenen Brücken variieren in der Literatur je nach Metaanalyse und Untersuchungszeitraum. Wird ein Zeitinterwall von fünf Jahren betrachtet, so liegt die Überlebensrate zwischen 91,3 und 94,1 Prozent, nach zehn Jahren respektive zwischen 77,8 und 82,5 Prozent.10–14
Fazit
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass zwischen rein implantatgetragenen Brücken und Verbundbrücken hinsichtlich der Erfolgsprognose kein signifikanter Unterschied vorliegt.15 Bei Herstellung einer Verbundbrücke sollte auf die starre Verbindung zwischen Zahn und Implantat geachtet werden. Der natürliche Pfeilerzahn sollte die Anforderungen, wie sie beim festsitzenden Zahnersatz erforderlich sind, erfüllen.1 Die Befestigungsart richtet sich nach der Ausführungsart der Verbundbrücke, beim natürlichen Pfeilerzahn besteht grundsätzlich der Bedarf der patientenindividuellen definitiven Befestigung.
Eine Literaturliste steht hier zum Download für Sie bereit.
Dieser Beitrag ist unter dem Originaltitel „Die Verbundbrücke – Alternative zum rein implantatgetragenen Zahnersatz?“ im IJ Implantologie Journal erschienen.