Kinderzahnheilkunde 26.05.2025
Wenn der Zahnstatus auf Essstörungen hinweist
Die evidenzbasierte Kommunikation spielt in der Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit Essstörungen eine zentrale Rolle. Dabei erweist sich ein patientenzentriertes und validierendes Kommunikationsvorgehen als besonders wirksam. Entscheidend ist der Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung mit dieser Patientengruppe, die auf Empathie, aktivem Zuhören sowie einer klaren und wertfreien Sprache basiert. Wissenschaftlich fundierte Ansätze wie das Motivational Interviewing helfen dabei, Ambivalenzen behutsam zu adressieren und die Eigenmotivation der Betroffenen zu stärken. Gleichzeitig sind kindgerechte Visualisierungen und eine partizipative Gesprächsführung unerlässlich, um Jugendlichen auf Augenhöhe zu begegnen und, ganz wichtig, ihre Autonomie zu wahren.
Frühes Erkennen und Dokumentieren
Ein weiterer bedeutender Aspekt ist die frühzeitige Erkennung oraler Frühindikatoren wie dentaler Erosionen, die häufig im palatinalen Bereich der Oberkieferfrontzähne auftreten. Diese Befunde liefern sensible, aber entscheidende diagnostische Hinweise auf ein gestörtes Essverhalten und sollten systematisch erfasst sowie standardisiert dokumentiert werden. In Gesprächen können sie zunächst als rein klinische Beobachtungen eingebracht werden, um eine Brücke zu potenziellen Ursachen zu schlagen, ohne Scham oder Abwehr hervorzurufen. Eine Kombination aus klinischer Sorgfalt und kommunikativer Feinfühligkeit bildet hier die Grundlage für weiterführende Dialoge.
Gemeinsam zum Wohle des Kindes
Auch die Einbindung der Familie ist ein zentraler Bestandteil einer erfolgreichen Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit Essstörungen. Hier hat sich ein respektvoller und ressourcenorientierter Ansatz, der Schuldzuweisungen vermeidet und stattdessen die gemeinsame Sorge um das Wohl des Kindes in den Mittelpunkt stellt, bewährt. Gespräche mit den Eltern sollten mit konkreten klinischen Beobachtungen eingeleitet und durch evidenzbasierte Informationen zu möglichen Zusammenhängen zwischen oralen Befunden und Essverhalten ergänzt werden. Familienzentrierte Kommunikationsansätze, wie sie aus der Pädiatrie bekannt sind, bieten die Möglichkeit, Unsicherheiten frühzeitig zu adressieren und die Eltern aktiv in den Interventionsprozess einzubinden. Zu diesen Kommunikationsstrategien aus der Pädiatrie zählen gegenseitiger Respekt, eine ressourcen- und lösungsorientierte Gesprächsführung, die gezielte Einbindung von Eltern in den Entscheidungsprozess, ein klarer und damit verständlicher sowie transparenter Sprachgebrauch und die grundlegende und alles einschließende Zielsetzung, jede Entscheidung im Sinne des Kindeswohls treffen zu wollen.
Motivational Interviewing
MOTIVATIONAL INTERVIEWING (MI) ist ein wissenschaftlich fundierter, patientenzentrierter Kommunikationsansatz, der in der Kinderzahnmedizin insbesondere dann hilfreich ist, wenn sensible Themen wie mögliche Essstörungen zur Sprache kommen. Ziel ist es, durch empathische und wertschätzende Gesprächsführung ein vertrauensvolles Klima zu schaffen, in dem betroffene Kinder und ihre Bezugspersonen Offenheit entwickeln und eigene Beweggründe für eine Verhaltensänderung reflektieren können.
Interdisziplinäre Netzwerke für gezielte Betreuung
Die Überleitung in die psychologische oder psychotherapeutische Versorgung birgt häufig Herausforderungen, sei es durch lange Wartezeiten, Unsicherheiten bei der Indikationsstellung oder Vorbehalte seitens der Familien. Eine transparente und behutsame Gesprächsführung über die Notwendigkeit weiterer fachlicher Unterstützung ist hier essenziell. Dabei profitieren zahnärztliche Praxisteams von interdisziplinären Netzwerken, in denen vertraute Ansprechpartner aus der Kinder- und Jugendpsychotherapie zur Verfügung stehen. Eine enge und koordinierte Zusammenarbeit, beispielsweise in Form regionaler multiprofessioneller Versorgungsstrukturen, trägt entscheidend dazu bei, Versorgungslücken zu schließen und betroffene Kinder bestmöglich zu unterstützen.
Autor: Dr. Karolin Höfer