Parodontologie 28.02.2011
Früherkennung des parodontalen Gewebeabbaus
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Ob tatsächlich destruktive Prozesse des marginalen Parodontiums im Rahmen bakterieninduzierter immuno-inflammatorischer Prozesse ablaufen, lässt sich anhand der bestehenden klinischen Entzündungszeichen nicht immer mit Sicherheit sagen. Der qualitative Nachweis kritischer körpereigener Proteinasen, wie beispielsweise der aktiven Matrix-Metalloproteinase-8 (aMMP-8), hingegen liefert diesbezüglich eindeutige Hinweise.
Medizinische Labortests – genauer gesagt, die biochemische Analyse von Körperflüssigkeiten – ermöglichen heutzutage präzise und aufschlussreiche, nicht selten sogar lebenswichtige, medizinische Informationen. In der Humanmedizin wird mittlerweile jede dritte Diagnose erst nach Auswertung von Laboruntersuchungen gestellt. In der Zahnmedizin verhält sich dies derzeit noch deutlich anders.
Umso bedeutungsvoller ist die Tatsache, dass durch den neuen PerioMarker® aMMP-8 Schnelltest von Chlorhexamed® die qualitative Bestimmung eines einflussreichen „Biomarkers“, namentlich die aktive Matrix-Metalloproteinase-8, ermöglicht wird, welcher als körpereigenes proteinolytisches Enzym im Rahmen genereller immuno-inflammatorischer Prozesse – insbesondere aus parodontologischer Sicht – dahingehend von großer Bedeutung ist, dass diese Endoproteinase für irreversible Abbauprozesse marginaler Parodontalgewebe verantwortlich ist.
Der Schnelltest ist in seiner Aussagekraft für die parodontologisch orientierte allgemeinzahnärztliche Praxis genauso interessant, wie für die auf parodontale Behandlungen spezialisierte Fachpraxis. Dazu gesellt sich die Tatsache, dass das direkt am Behandlungsstuhl stattfindende Untersuchungsverfahren des Schnelltestes vergleichbar zuverlässig ist, wie die schon seit Längerem etablierte Labormethode, was eine am Universitätsklinikum Dresden durchgeführte, klinisch kontrollierte Fallstudie unter Leitung von Prof. HOFFMANN, Poliklinik für Parodontologie, belegt.
Klinische Bedeutung
Die aktive Matrix-Metalloproteinase (aMMP-8) stellt ein körpereigenes Enzym dar, welches – im Rahmen der Immunantwort des Körpers auf schädigende mikrobielle Reize – in entsprechend beteiligten Geweben und Flüssigkeiten des Körpers ohne allzu großen Aufwand eindeutig nachgewiesen werden kann.
Basierend auf bisherigen klinischen Pilot-Studien und der zuletzt von EHLERS et al. in 2008 publizierten Untersuchung lässt sich festhalten, dass der entsprechend ein- gestellte Schwellenwert des PerioMarker® Schnelltestes mit 25ng/ml eine als kritisch einzustufende aMMP-8-Konzentration zuverlässig anzeigt. Denn vor allem die letztgenannte Studie – obwohl mittels laborgestützten Testverfahren durchgeführt, und dadurch nicht direkt mit dem Perio-Marker© Schnelltest-Verfahren deckungsgleich vergleichbar – hatte aufgedeckt, dass bei Probanden mit klinisch gesund erscheinender Gingiva im Mittel aMMP-8-Konzentrationen von 3ng/ml im gewonnenen Eluat vorherrschten, wobei die Bandbreite von 2 bis 9ng/ml reichte. Bei Patienten mit nachgewiesener chronischer Parodontitis lagen die gefundenen Werte zwischen 4 und 69ng/ml. Der Mittelwert für diese Gruppe lag bei 11,5ng/ml.
Sehr interessant – und für die zahnärztliche Prävention und Therapie von größter Bedeutung – zeigten sich die relativ hohen Befunde bei der Gruppe der Probandinnen mit vorliegender Schwangerschaftsgingivitis. Hier fanden sich Werte von 6 bis zu 200ng/ml.
In diesem Kontext muss gesehen werden, dass die große praktische Bedeutung des neuen chairside durchführbaren aMMP-8-Schnelltestes insbesondere auf der klinischen Erkenntnis fußt, dass die Befundung des Zustandes marginaler Parodontien, ebenso wie die Untersuchung der oralwärts gelegenen Implantatlager mittels Sonde und Röntgen, keine echten Frühwarnsysteme für den immuno-inflammatorischen Gewebeabbau darstellen. Vielmehr werden Destruktionen damit nur nachträglich erfasst. Hierbei ist hervorzuheben, dass gerade die anfänglichen, tatsächlich aktuell sich abspielenden zerstörerischen Entzündungsprozesse an den Hart- und Weichgeweben weder durch die Sondenuntersuchung (PSI, BOP, API, SBI usw.) noch durch die Röntgendiagnostik feststellbar sind.
Insbesondere die in bestimmten Zeitabständen wiederholte Sulkus-Messung fraglich stabiler marginaler Gingivabereiche (im Rahmen der Erhebung des Parodontalbefundes) gibt unauffällig schleichend verlaufenden Gewebeverlusten (und damit bei sich messtechnisch immer gleich zeigender Zahnfleischtaschentiefe) kein vertrauenswürdiges Feedback über sich wirklich ereignende Abbauprozesse im marginalen Parodontium, was zur nicht zu unterschätzenden Gefahr der „Creeping Pocket“ führt.
Nachweis von aMMP-8
Der immense Vorteil der Bestimmung von immuno-inflammatorisch bedingten, kritischen aMMP-8-Werten besteht darin, dass anhand dieser Werte eben nicht nur eine bloße Klassifikation des Parodontitis- oder Periimplantitis-Geschehens abzulesen ist, sondern dass durch die Erkenntnis dieser Werte auch das direkte immanente Risiko einer ablaufenden Hart- und Weichgewebedestruktion abgeschätzt werden kann. Eine Tatsache, die letztendlich größte Bedeutung für die Einschätzung der Erfordernis parodontaler Thera-piemaßnahmen besitzt, aber auch sichere Aussagen darüber zulässt, inwieweit die jeweilig erfolgten Behandlungsschritte der systematischen Parodontaltherapie sich heilungsunterstützend ausgewirkt haben.
Das gesamte chairside durchführbare Test-Prozedere des PerioMarker® Schnelltestes zum Nachweis von aMMP-8 ist in seiner Einfachheit der Durchführung einem in jeder Apotheke erhältlichen „Schwangerschaftstest“ vergleichbar. Der zu testende Patient muss lediglich in die Praxis kommen, wobei er kurz vor der Testung nicht gegessen oder getrunken und auch keine Zahnpflege betrieben haben darf.
Der Testablauf an sich umfasst für den Patienten ein dreißig sekündiges vorbereitendes Ausspülen mit Leitungswasser. Dann eine Minute warten. Anschließend wieder dreißig Sekunden lang mit der im Test-Kit enthaltenen Spüllösung kräftig den Mund und die Zahnzwischenräume durchspülen. Zum Abschluss wird die gesamte im Munde bewegte Flüssigkeitsmenge – es sollten mindestens ca. 5ml sein – in den bereitgehaltenen Becher hineingespuckt.
Jetzt schließt sich das Aufsaugen dieser Probenflüssigkeit in die Test-Spritze durch das zahnmedizinische Fachpersonal oder den zahnärztlichen Praktiker an, welche anschließend auch den Mikrofilter auf die Spritze schrauben und dann durch diesen hindurch drei gleichgroße Tropfen in die Auftropföffnung in der Testkassette träufeln, ohne dabei die Auftropföffnung der Testkassette zu berühren.
Nun wird fünf Minuten gewartet, sodass die Probenflüssigkeit in der Testkassette durch das Ablesefenster hindurch diffundieren kann. Die Kontrolllinie „C“ muss auf jeden Fall blau ausschlagen, um so kenntlich zu machen, dass alle biochemischen Prozesse richtig funktioniert haben. Die Testlinie „T“ schlägt ab einer aMMP-8-Konzentration in der Probenflüssigkeit von 25ng/ml blau aus. Fertig! Somit ist in nicht einmal zehn Minuten die ganze Prüfung für Patient und Testenden abgeschlossen.
Das komplette Testverfahren ist derart unkompliziert, dass es – natürlich nach diesbe- züglich entsprechender Schulung grundlegend qualifizierter Praxismitarbeiter/-innen – ohne Weiteres vom zahnärztlichen Behandler an diese auch delegiert werden kann.
Relevanz für parodontale Präventionsstrategien und Therapiekonzepte
Der hier vorgestellte aMMP-8 PerioMarker® Schnelltest von Chlorhexamed® kann in seiner Zuverlässigkeit mit der des seit einigen Jahren möglichen Laborverfahrens vergleichbar angesehen werden. Die bisher verfügbaren Studien über diesen Test sowie die durch den Autor mittlerweile in eigener Praxis gewonnenen Erfahrungen lassen den begründeten Schluss zu, dass die qualitative Bestimmung der Konzentration der aktiven Collagenase-2-(aMMP-8) im Speichel eine zielgerichtete Hilfestellung bei der Konzeptionierung der zahnmedizinischen Maßnahmen im Rahmen der Prävention und Therapie der Parodontitis darstellt.
Da die mit diesem Testverfahren ermittelten aMMP-8-Werte keine Klassifikation parodontaler oder periimplantärer bakterienbedingter Entzündungsgeschehen an sich geben wollen, sondern vielmehr eine fundierte Aussage über das immanente Risiko eines aktiven parodontalen Gewebeabbauprozesses ermöglichen, kann mithilfe dieses Testes zum einen die Früherkennung von Hart- und Weichgewebe abbauenden entzündlichen Prozesse am Parodontium sichergestellt werden. Zum anderen lassen sich klinisch relevante Rückschlüsse darüber ziehen, inwieweit die einzelnen Teilschritte der Behandlung von Parodontitiden (Systemische Phase, Hygie-nische Phase/Initialtherapie, Korrektive Phase, Erhaltungsphase/Recall) fruchten und entsprechend zeitlich festzulegen sind.
Im Vergleich dazu haben Analysen des subgingivalen Keimspektrums im Rahmen mikrobiologischer Bakterienaustestungen eine für die unter Umständen erforderliche Antibiose nützliche Aussagekraft hinsichtlich des Schweregrades der manifesten Parodontitis, wie auch der etablierten Periimplantitis, da sie die potenzielle Gefährdung des bakteriellen Angriffes beschreiben, nicht aber dessen tatsächlich bewirkte immuno-inflammatorische destruktive Auswirkung.
Von eher kritisch zu sehendem Nutzen für die jeweils erforderlichen Behandlungsschritte der systematischen Parodontaltherapie sind Interleukin-Tests. Diese lassen zwar – je nach Ergebnis des Tests – die allgemeine Reaktionslage des Patienten auf den bakteriellen Reiz des Biofilms hin vermuten, wobei die Erkenntnis einer zu erwartenden verschlechterten immunologischen Abwehr des Patienten bei bestehender Periimplantitis bzw. Parodontitis allerdings nur Aussagen über die negativierenden Hintergrundfaktoren der entzündlichen Gewebeprozesse zulässt, nichts jedoch über die zu erwartenden Hart- und Weichgewebedestruktionen aussagt.
Dies macht die Ergebnisse des PerioMarker® Schnelltestes umso bedeutungsvoller, da durch die Bestimmung des in schädigender Höhe vorherrschenden Biomarkers aMMP-8 ernsthafte Prognosen über den drohenden parodontalen Gewebeabbau getroffen werden können. So haben bereits MÄNTYLÄ et al. 2006 zeigen können, dass z.B. bei Rauchern erhöhte aMMP-8-Werte eine schlechte Prognose im Sinne einer schlechteren Antwort auf SRP gezeigt haben. Diese wird im Übrigen in der bereits genannten aktuellen Studie von Prof. Hoffmann zum PerioMarker® Schnelltest bestätigt. Diejenigen Patienten mit erhöhten aMMP-8-Werten vor der Therapie waren tendenziell diejenigen mit den schlechtesten Ergebnissen nach der Therapie. SORSA et al. konnten 2010 zudem zeigen, dass nach der Therapie an stabilen Stellen aMMP-8-Werte dauerhaft niedrig blieben, wohingegen die aMMP-8-Werte an unstabilen sehr schnell wieder anstiegen. Die aMMP-8 kann insofern dem Zahnarzt im Gesamtgefüge des klinischen Bildes helfen, den Therapieerfolg zu monitoren. Auch Reinhard et al. kommen 2010 zu diesem Ergebnis, dass der Biomarker aMMP-8 helfen kann, Patienten mit einem erhöhten Risiko für eine progressiv destruktive Erkrankung marginaler Parodontalgewebe zu identifizieren.
Vorteile für Behandler und Behandelten gleichermaßen
Richtig verstanden, was dieser Test bieten kann, lässt sich ganz klar hervorheben, dass im Rahmen einer qualitätsorientierten bzw. qualitätssichernden systematischen Parodontaltherapie das „Test-Timing“ so sein müsste, dass eine aMMP-8-Ausstestung eher früher als zu spät (Früherkennung) und besser zweimal als nur einmal (Nachsorge) während des Ablaufs der einzelnen Phasen der systematischen Parodontaltherapie stattfinden sollte.
Da die Resultate des als „Ja/Nein-Test“ konzeptionierten Analyseverfahrens für den Patienten ohne Probleme faktisch nachvollziehbarer sind, kann ein positives Testergebnis – also das Bestehen eines entzündlich bedingten Gewebeabbaus im marginalen Parodontium – eindeutig in jedem Schritt der ablaufenden Behandlung verdeutlicht werden, und somit zur Dokumentation des Gewebedestruktionsrisikos und zur eindringlichen Motivation des Patienten genutzt werden.
Darüber hinaus kann aus Sicht der bisherigen Erfahrungen des Autors bei der Einbeziehung des aMMP-8 PerioMarker® Schnelltest in die präventiven und kurativen Phasen der systematischen Parodontaltherapie gesagt werden, dass dieser einfach und direkt am Behandlungsstuhl machbare Test mit einem Einkaufspreis für die Praxis von knapp 25 Euro durchaus einen beachtenswerten „Kosten-Nutzen-Effekt“ aufweist.
Je nach Ansatz verschieden möglicher GOZ-Positionen kann für die gesamte Testerhebung, welche gleichermaßen für gesetzlich Krankenversicherte und Privatpatienten auf der Basis einer privaten Behandlungsvereinbarung bzw. einer Vereinbarung einer Verlangensleistung berechnet werden muss, bei Ansatz des 2,3-fachen Steigerungssatzes, ein Betrag von bis zu ca. 75 Euro in Rechnung gestellt werden.
Da die Durchführung des Testes an sich nicht einmal 10 Minuten erfordert und auch durch geschultes und qualifiziertes zahnmedizinisches Fachpersonal bewerkstelligt werden kann, hält sich die Zeitbeanspruchung für die gezielte Beratung des Patienten, Testeinweisung und anschließende Testauswertung mit zweckorientierter Erläuterung des Ergebnisses für den zahnärztlichen Praktiker in Grenzen, sodass das gesamte Testverfahren nicht als defizitäre zahnmedizinische Dienstleistung einzustufen ist.
Ebenso hat sich nach Ansicht des Autors das Vorgehen bewährt, bei der professionellen hygienischen Nachsorge von Implantaten in besonders „kritischen Einzelfällen“ den Test sogar kulanter Weise ohne direkte Berechnung für den Patienten durchzuführen, um so nicht nur nachweisen zu können, sondern auch faktisch begründet dokumentieren zu können, dass die häusliche Mundhygiene des Patienten – trotz (mehrfacher) Instruktion und Motivation nicht gut genug ist, einen z. B. durch drohende Entzündungen sich abzeichnenden Implantatverlust abzuwenden bzw. auszuschließen. Hier lässt sich nach Auffassung des Autors die Maxime postulieren, dass es besser ist, bei einer mehrere tausend Euro teuren Implantatversorgung, die durch hartnäckig mangelhafte häusliche Mundhygiene droht verloren zu gehen, einmal behandlerseits 25 Euro zu investieren, umso dem Patienten mittels unmissverständlicher Tatsachen klar zu machen, dass der die Implantate haltende Knochen durch aktive, bakterieninduzierte Entzündungsprozesse fortschreitend geschwächt wird, was allerdings bekanntlich durch entsprechend angebrachte eigene häusliche sowie professionelle Mundhygienemaßnahmen vermieden werden kann, als folglich wegen „frühzeitigem“ und vermeintlich vom Behandler nicht entsprechend diagnostisch vorausgesehenem Implantatverlust seitens des Patienten in Regress genommen zu werden. (Siehe hierzu auch die Abrechnungsempfehlungen von Chlorhexamed in Zusammenarbeit mit der ZA-Zahnärztliche Abrechnungsgenossenschaft eG, Düsseldorf. Abrufbar unter Fax 0 76 63/60 43 oder 0 76 63/94 51 44.)
Fazit
Da sich die Früherkennung des entzündungsbedingten Gewebeabbaus im marginalen Parodontium mithilfe des hier vorgestellten Perio-Marker® aMMP-8 Schnelltests von Chlorhexamed® nunmehr so einfach, so verlässlich und so kostengünstig für alle Beteiligten durchführen lässt, sollte nach Ansicht des Autors diese zielgerichtete Befundung ein fester Bestandteil präventiver sowie kurativer Behandlungsschritte im Rahmen einer systematischen Parodontaltherapie sein.
Eine ausführliche Literaturliste finden Sie hier.