Zahntechnik 24.01.2022
CMD-Therapie: schmerzbefreit dank Funktionsschiene
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CMD – ein Krankheitsbild, welches häufig übersehen wird und dennoch bei schätzungsweise sieben Millionen Menschen allein in Deutschland auftritt. Bei dem komplexen Leiden, welches sich auch durch Symptome fernab des Kiefers äußert, können speziell angefertigte funktionstherapeutische Schienen Abhilfe leisten.
Ein langwieriger Leidensweg
Wie wichtig stets die Betrachtung des jeweiligen individuellen Beschwerdebilds ist, wird an einem Fallbeispiel aus dem Dr. Amir CMD-Centrum in Hannover ersichtlich. Dort erlebt das Team jeden Tag, welche Leidenswege hinter den Patienten liegen. So auch bei einer Dame, welche auf ihrem langen Weg zur CMD-Diagnose nahezu alle denkbaren ärztlichen Stationen durchlaufen musste. Von zahlreichen MRTs über Wirbelsäulen-OPs bis hin zu alternativmedizinischen Methoden war alles dabei, bis sie endlich die Diagnose CMD erhielt und mit einer Schiene therapiert werden konnte.
Vor über 30 Jahren bekam die Patientin einhergehend mit übermäßiger körperlicher, aber auch seelischer Belastung immer stärkere Schmerzen, die sich zunächst im Bereich der Halswirbelsäule abspielten. Damit wandte sie sich zunächst an einen Orthopäden. Es folgten jahrelange Physiotherapie, Akupunktur und Reizstrombehandlung – ohne Erfolg. Der Behandler überwies sie daraufhin nach einigen MRT-Untersuchungen an einen Neurochirurgen, der aufgrund der starken Schmerzen und einem offensichtlichen Vorfall an der Halswirbelsäule eine OP in die Wege leitete. Dabei wurde ein künstliches Gelenk zwischen den Halswirbeln C6 und C7 eingesetzt, was durch die Verschiebung wiederum eine zweite OP für das Einsetzen eines Abstandhalters zwischen den Wirbeln C4 und C5 notwendig machte. Die Schmerzen besserten sich zunächst zeitweise, doch traten nach Monaten der Regeneration plötzlich Schwank-Schwindel, Sehstörungen und ein Hörsturz auf. Dass dies alles zu den Symptomen einer craniomandibulären Dysfunktion zählen kann, war der Patientin zum damaligen Zeitpunkt nicht bewusst, ebenso wenig wie ihren bisherigen Behandlern.
Eine komplexe Diagnose
Von nun an ging es für sie von Facharzt zu Facharzt. Zentrifugen-Tests bezüglich möglicher Ursachen im Ohr und Untersuchungen auf einen Hirntumor ergaben keinen Befund. Die Patientin sah sich zu diesem Zeitpunkt sogar mit der Verschreibung von Psychopharmaka konfrontiert, aber bestand trotz des ihr entgegengebrachten Unverständnisses auf die Ergründung physischer Erklärungen.
Erst viele Jahre später kam ein erlösender Hinweis einer Physiotherapeutin, die wahrnahm, dass etwas mit dem Kiefer nicht in Ordnung sei, und zu einem Besuch beim Kieferorthopäden riet. Es wurde immer deutlicher, dass die Beschwerden in Ausruhphasen, in denen der Kopf im Liegen ruhig gehalten und weder gekaut noch gesprochen wird, milder wurden. Denn beim Sprechen fühlte es sich für sie oft an, als würde der Kiefer „verspringen“. Es folgte ein weiteres MRT, diesmal aber für die Kiefergelenke, und es stellte sich eine Diskusverlagerung am linken Kiefergelenk heraus. Auch eine muskuläre Verhärtung wurde erkannt, welche Einfluss auf die Kleinstversorgung der Nerven zum Gehirn haben kann. Durch dieses Abdrücken waren damit auch der Schwindel und die Sehstörungen erklärt. Daraufhin nahm ein Zahnarzt die detaillierte Vermessung von dem zu tiefen Biss vor. Eine mögliche Ursache für diesen könnte der frühere Zahnersatz der Patientin darstellen, bei dessen fortlaufendem Austausch eventuell die unterschiedliche Höhe nicht korrekt beachtet wurde. Die bis dato getragene JIG-Schiene stellte keine langfristige Lösung dar, denn der Kiefer befand sich im Liegen in einer völlig anderen Position als im Stehen oder Sitzen.
Die passende Therapie
Die Patientin wurde deshalb an das auf die craniomandibuläre Dysfunktion spezialisierte Dr. Amir CMD-Centrum übermittelt, wo sie bereits wenige Tage nach Therapiebeginn erste positive Veränderungen verzeichnen konnte. Sie bekam unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Leidensgeschichte eine individuelle Schiene angefertigt, welche genau auf die Position und das Verhalten ihres Kiefergelenks abgestimmt war. Hier muss klar zwischen speziellen therapeutischen Funktionsschienen und den geläufigeren zahnärztlichen Schutzschienen gegen Bruxismus und Abrieb differenziert werden. Denn CMD-spezifische Funktionsschienen bringen die Kondylen in die therapeutisch gewünschte Position und halten diese dort dauerhaft. Zu ihnen zählen hart- und weichbleibende Funktionsschienen mit speziell geplanten Führungsflächen für den Ober- und Unterkiefer, Biplanen, die beides abdecken, sowie Bionatoren.
Die geeignete Schiene
Biplane
Die im Idealfall aus einem weichbleibenden thermoplastischen Material bestehende Biplane ist für die Patienten angenehm zu tragen. Ihre Okklusionsflächen zwischen den oberen und unteren Schienenteilen sollten mithilfe einer Kalotte plan gestaltet werden. Nach der Bissnahme der Patienten werden die Abdrücke mit Hartgips ausgegossen und ausgehärtet. Auf das anschließende Trimmen folgt der Einsatz eines Tiefziehgerätes, über welches flexible Tiefziehplatten mit Wärme und Vakuum gezogen werden. Das präzise Einsetzen der Gipsmodelle mithilfe des vom Behandler angelieferten Funktionsregistrats in den Artikulator ist dabei von tragender Bedeutung, denn die vertikale Dimension darf darin auf keinen Fall verändert werden. Anschließend werden mit demselben thermoplastischen Material weitere Schichten aufgetragen. Die Okklusion erreicht so mithilfe der genannten Kalotte ihre finale Position, woraufhin der funktionelle Teil der Schiene mit speziellen Schleifsteinen und Fräskörpern ausgearbeitet werden kann. Final wird die Biplane noch thermisch behandelt, um ihr den letzten Schliff und Glanz zu verleihen.
Bionator
Bei dem Bionator oder der Bionator-ähnlichen Funktionsschiene handelt es sich hingegen um eine harte Positionierungsschiene. Die oben genannten ersten Arbeitsschritte sind dabei ähnlich, doch kann anstelle des Artikulators für die Ober- und Unterkieferteile auch ein Sperrblock zum Einsatz kommen. Außerdem wird ein Labialbogen aus Draht integriert, mit dessen Hilfe der Patient die Schiene leichter in die gewünschte therapeutische Position führen kann. Die Vorbereitung der Modelle wird fortlaufend wie bei der Biplane durchgeführt und mittels Spritzpistole durch einen cremigen lichthärtenden Kunststoff ergänzt. Nach dem Aushärten kann der Bionator dann mit Fräsen bearbeitet und poliert werden. Eine alternative Herstellungsmethode wäre die aus der Kieferorthopädie bekannte Streutechnik.
Wenn für den jeweiligen Patienten nach einiger Zeit eine andere therapeutische Position erforderlich wird, kann der Bionator auf diese Änderung angepasst werden. Bei der weichbleibenden Biplane ist eine Positionsänderung hingegen nicht mehr einfach möglich.
Fazit
Die vertikal verloren gegangene Dimension bei stark von CMD betroffenen Patienten kann durch die funktionstherapeutische Schiene ersetzt werden. Bei der Positionierung können sich die Gelenkstrukturen so wieder normalisieren, bevor gegebenenfalls ein Therapieansatz mit Überkronung in Betracht gezogen und die Schienenposition endgültig auf die Okklusion übertragen wird.
weitere Autorin: Sabine Bollinger
Dr. Amir CMD-Centrum
Hannoversche Straße 94–96
30627 Hannover
Tel.: +49 511 5442444
www.cmd-hannover.de
Dieser Beitrag ist in der ZWL Zahntechnik Wirtschaft Labor erschienen.