Zahntechnik 15.11.2024

Klassische vs. digitale Totalprothetik – ein Vergleich



Klassische vs. digitale Totalprothetik – ein Vergleich

Foto: ZT Noah Ziga

Die Herstellung von Totalprothesen stellt sowohl Zahntechniker als auch Zahnärzte vor erhebliche Herausforderungen. Traditionelle Methoden, die seit Jahrzehnten in der Prothetik angewendet werden, sind zeitaufwendig und erfordern ein hohes Maß an handwerklichem Geschick. Digitale Workflows hingegen lassen deutliche Vorteile im Vergleich zu konventionellen Ansätzen erkennen.

1. Ablauf

Klassischer Workflow
Die Herstellung beginnt in der Regel mit der ­Situationsabformung, gefolgt von Funktionsabformung, Bissnahme, Registrat, Wachseinprobe und Fertigstellung. Jeder dieser Schritte birgt für sich genommen bereits potenzielle Fehlerquellen. Zum einen gibt es werkstoffbezogene Mängel wie Gips- und Wachsverzüge, unkontrollierte Bissregistrierung, fehlende Kontrolle der Dynamik und Statik aufgrund der Instabilität des Wachses, Kunststoffverzüge oder den allseits bekannten hohen Restmonomergehalt. Auf der anderen Seite sind Anwenderfehler, welche dem erforder­lichen hohen Maß an handwerklichem Geschick, fehlender Erfahrung oder mangelnder Zeit geschuldet sind, ebenfalls zu berücksichtigen. Dies kann zu Prothesen führen, die nicht optimal passen oder Defizite in der Statik und Kaufunktion aufweisen, wodurch wiederum der Tragekomfort und die Funktionalität beeinträchtigt werden.

Digitaler Workflow
In der digitalen Totalprothetik werden intraorale Abformungen der Schleimhaut oder das Einscannen der Abformungen mit dem bisherigen Zahnersatz genutzt. Die Bissregistrierung erfolgt entweder mit dem alten Zahn­ersatz oder mit der folgenden Einprobe, die auf dem Scan der Schleimhaut basiert. Die Prothesen werden für jeden Fall konstruiert und mithilfe von hinterlegten Okklusionskonzepten, Modellanalyse und einer großen Bibliothek verschiedener konfektionierter Zähne je nach Patientensituation designt. Die Try-Ins werden im DLP-Verfahren gedruckt und die Prothesen gefräst. Die konfektionierten Zähne befinden sich bereits im Blank. Nach dem Fräsvorgang werden die Prothesen lediglich poliert oder ggf. wird noch die Gingiva idealisiert.

2. Zeitaufwand und Effizienz

Klassischer Workflow
Der traditionelle Herstellungsprozess ist zeitaufwendig und umfasst zahlreiche Sitzungen beim Zahnarzt für Abdrücke, Anpassungen und Einproben. Zwischen den einzelnen Schritten liegen oft mehrere Tage oder sogar Wochen, da die handgefertigten Prothesen viel Zeit zur Fertigung benötigen. Dies bedeutet nicht nur längere Wartezeiten für die Patienten, sondern auch eine höhere Belastung für Zahntechniker und Zahnärzte aufgrund der damit einhergehenden längeren Behandlungsdauer.

Digitaler Workflow
Der digitale Workflow beschleunigt den gesamten Prozess erheblich. Die Sitzungen wie Funktionsabformung, Bissnahme, Registrat und Wachseinprobe werden zusammengefasst und erfolgen direkt nach dem Situationsscan. Wenn in der ersten Sitzung bereits eine Funktionsabformung und Bissregistrierung mit vorhandenem Zahnersatz möglich sind, kann die Sitzungsanzahl sogar noch reduziert und eine direkte Fertigstellung ermöglicht werden. Dies führt zu einer erhöhten Effizienz und gestattet es Zahnärzten, mehr Patienten in kürzerer Zeit zu behandeln.

3. Qualität

Klassischer Workflow
Im klassischen Workflow ist die Qualität abhängig von dem Geschick, der Erfahrung und der zur Verfügung gestellten Zeit seitens des Zahntechnikers. Ein Aufstellkonzept mit den dazugehörigen gnathologisch abgestimmten, konfektionierten Zähnen in Wachs zu erstellen, ist zwar zu den handwerklichen Meisterleistungen zu zählen, doch gerade in diesem Arbeitsschritt passieren sehr schnell Fehler, welche die Funktionalität und Ästhetik des Endprodukts beeinträchtigen.

Digitaler Workflow
Im digitalen Workflow sind die jahrzehntelangen Erfahrungen in Bezug auf die Aufstellkonzepte, Ästhetik, Funktionalität und Gnathologie von Zähnen bereits integriert. Neben der eigenen Expertise können Zahntechniker somit auch auf fundierte Erkenntnisse der jüngsten Vergangenheit zugreifen und diese nutzen. Daraus resultiert ein Endprodukt, welches nicht abhängig von der Tagesform eines einzelnen Zahntechnikers ist, sondern ein Gesamtprodukt jahrzehntelanger Erfahrungen und stetiger Optimierung.

4. Dokumentation und ­Reproduzierbarkeit

Klassische Totalprothetik
Konventionelle Ansätze werden in den meisten Arbeitsschritten manuell durchgeführt. Eine genaue Dokumentation und damit kontrollierbare Reproduzierbarkeit sind so kaum sicherzustellen. Identische Ergebnisse bei Nachbehandlungen können somit nur schwierig gewährleistet werden.

Digitaler Workflow
Der digitale Workflow bietet eine präzise und umfassende Dokumentation jedes Schritts des Herstellungsprozesses. Alle Daten werden digital gespeichert und können jederzeit abgerufen sowie reproduziert werden. Dies ist besonders vorteilhaft für Nachbehandlungen oder wenn eine Prothese ersetzt bzw. eine Reiseprothese hergestellt werden muss. Die Reproduzierbarkeit und Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse sind deutlich höher, was zu einer konsistenten Qualität der Prothesen führt.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die digitale Totalprothetik gegenüber der klassischen Methode zahlreiche Vorteile bietet. Sie ermöglicht eine höhere Präzision und Passgenauigkeit, verkürzt die Behandlungszeit erheblich, bietet umfangreiche individuelle Anpassungsmöglichkeiten und gewährleistet eine bessere Dokumentation sowie Reproduzierbarkeit. Außerdem bietet sie eine gleichbleibende hohe Qualität bei allen Endprodukten durch die Nutzung industriell hergestellter Werkstoffe und der Fertigung im CAD/CAM-Verfahren. Diese Aspekte machen den digitalen Workflow zu einer zukunftsorientierten, effizienten und individuellen Lösung in der Totalprothetik.

Danksagung

Diese Dokumentation sowohl im digitalen als auch im analogen Arbeitsbereich war nur durch die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Sebastian Linzen (zahnarztpraxis-linzen.de) und dem Patienten möglich.

Dieser Beitrag ist in der ZT Zahntechnik Zeitung erschienen.

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