Branchenmeldungen 02.12.2024

Azubi ade? Über die Zukunfts­fähigkeit des Berufs Zahntechniker



Azubi ade? Über die Zukunfts­fähigkeit des Berufs Zahntechniker

Foto: deagreez – stock.adobe.com

Dieser Beitrag ist unter dem Originaltitel „Azubi ade? Über die Zukunftsfähigkeit des Berufszweig Zahntechnik (Teil 2)“ in der ZT Zahntechnik Zeitung erschienen.

Der erste Beitrag der dreiteiligen Artikelserie (ZT 10/24) handelte von der Analyse des Ausbildungsmarktes Zahntechnik in Deutschland, welche politischen und persönlichen Realitäten aufeinandertreffen und warum es absolut notwendig ist, die Leitmotive und Visionen der jungen Menschen in den Fokus zu holen, um die Zukunft des Berufsstandes zu sichern. In diesem Teil widmet sich der Autor den Ergebnissen seiner Befragung1 an der Landesberufsschule für Zahntechnik in Neumünster.

Einblicke in die Erhebung

Ich hatte das Glück, als Berufsschullehrer mit einem Online-Fragebogen in den Austausch mit meinen Schülern gehen zu können, und habe kritische Fragen gestellt, welche teilweise mit einer absolut spürbaren emotionalen Ehrlichkeit beantwortet wurden. Ich bedanke mich bei 138 teilnehmenden Auszubildenden, wovon sich zum Zeitpunkt der Erhebung 38 (28 %) im ersten Lehrjahr, 44 (32 %) im zweiten, 30 (22 %) im dritten und 26 (19 %) im vierten Lehrjahr befanden. Die Einstiegsfrage entwickelte sich bereits vorab im Berufsschulunterricht und lautete: „Hast du vor, nach der Ausbildung weiter im Bereich Zahntechnik zu bleiben?“. Sie war für mich überhaupt erst der Grund, eine Befragung zu machen. Der detaillierte Blick auf die Zahlen verrät Schlimmes: 24 % aller Befragten äußerten ein klares „Nein“ und wollen sich nach der Ausbildung in einen anderen Bereich als der Zahntechnik umorientieren. Sehr prekär dabei: Im zweiten Lehrjahr liegt die Zahl der potenziellen Aussteiger bei 34 %, im dritten Lehrjahr bei 30 %! Hier stellt sich mir die Frage, warum es zum einen so viele sind und zum anderen: Warum sind diese jungen Menschen überhaupt noch im System? Im besten Fall könnten sie drei oder dreieinhalb Jahre ihres Lebens mit einer Tätigkeit verbringen, in der sie eine Zukunft sehen – oder wie dies ein Viertel eben tut: Keine Zukunft sehen. Die Berufsschulen sind froh über jeden Auszubildenden, aber es werden hier dennoch nicht zu unterschätzende zeitliche, finanzielle und personelle Ressourcen in den ausbildenden Betrieben gebunden.

Gründe fürs Ausscheiden

Die Gründe für den anvisierten Ausstieg sind vielfältig: Positiv zu nennen sind Weiterbildungsmöglichkeiten in Richtung Meisterausbildung sowie Zahnmedizinstudium. Diese beiden Optionen werte ich nicht als negativ, wenn auch eine sofortige Aufnahme der Meisterausbildung nicht unbedingt den Qualitätsstandard halten kann, wie er sich für ein Meisterniveau zeigen sollte. Aber Ausnahmen soll es ja geben! Auch sind Menschen mit einer absolvierten Zahntechnikerausbildung im zahnmedizinischen Bereich sehr gerne gesehen.

Einer der deutlichsten Aspekte für ein Verlassen des Berufes ist leider die Bezahlung. Während und nach der Ausbildung rangiert diese im Vergleich zu vielen anderen Berufen immer im unteren Bereich. Kann das genügend Wertschätzung für junge Menschen nach dreieinhalb Jahren Ausbildung sein, wenn die Bezahlung und die Arbeitsbelastung in Kombination genannt werden, warum nach der Ausbildung für viele eine berufliche Umorientierung erfolgen soll? Möglicherweise ließe sich hier noch etwas Feinjustierung aus betrieblicher Sicht anbringen, wobei aber natürlich ebenfalls die wirtschaftliche Situation der Betriebe nicht vergessen werden darf. Der Umsatz muss stimmen, denn von nichts kommt nichts. Ein möglicher Ausweg aus dem Unmut über ein überschaubares Gehalt wäre beispielsweise die offene Kommunikation über die erbrachten Zahlen und Kosten auf der Arbeitgeberseite. Dies könnte auch Arbeitnehmende motivieren, nicht nur auf den Lohnzettel, sondern auch einmal konkret auf die eigenen Leistungen zu schauen. Gemeinsam arbeitet es sich immer angenehmer – viel angenehmer als gegeneinander!

Gründe zum Bleiben

Gute Gründe, im Beruf zu bleiben, sind glücklicherweise ebenfalls vorhanden und sprechen in ihren Ausprägungen für sich. Hier wurde die Vielseitigkeit des Berufs mit seinen Perspektiven und verschiedenartigen Arbeitsbereichen sowie die Weiterentwicklung und Veränderung des Berufsbildes Zahntechnik genannt. Die händische Arbeit an sich und umfassende Weiterbildungsmöglichkeiten seien ebenfalls ausschlaggebend dafür, dem Beruf für die Zeit nach der Ausbildung eine Chance zu geben.

Diese Erkenntnisse decken sich mit der Frage, was denn die Arbeit als Zahntechniker spannend macht: Es sind die Vielseitigkeit und Abwechslung in Tätigkeiten, Materialien und Arbeitsprozessen (analog und digital). Ein haptisches Endprodukt, in welches die eigene Kreativität einfließen kann, und das Wissen über die eigene Verantwortung, dem Patienten ein schönes Lächeln schenken zu können und Beschwerden zu lindern, stehen neben der feinen Handarbeit und den vielseitigen Herausforderungen, die nur mit Teamwork lösbar sind, auf der Positiv-Liste.

Weiterempfehlungsrate

Die Frage, ob eine Weiterempfehlung im Freundeskreis für die Ausbildung zum Zahntechniker erfolgen würde, beantworteten 63 % mit „ja“, 37 % mit „nein“. Möglicherweise hängen diese Zahlen mit den Forderungen zusammen, welche den Start in die Ausbildung erleichtert hätten: Hier wurde der Bedarf nach mehr Hilfe, Aufklärung und Unterstützung geäußert sowie mehr Einblicke in verschiedene berufliche Tätigkeiten gefordert, um sich frühzeitig ein Bild vom gesamten Beruf machen zu können. Eine bessere Kommunikation im Betrieb und ehrlichere Formulierung der Herausforderungen im neuen Beruf sowie der Ausbildungszeit wurden zudem genannt. Junge Leute wollen einfach wissen, was sie wirklich erwartet. Mehr zeitliche Zuwendung durch Ausbildende und ein klarer Ansprechpartner stellen ebenfalls wichtige Bedürfnisse junger Auszubildender dar.

Attraktivitätszuschlag

Der nachfolgende „Werbeblock“ sollte auch als ein solcher wahrgenommen werden, um die Ausbildung zum Zahntechniker attraktiver zu machen, denn diese Frage wurde ausführlich von den Teilnehmenden beantwortet: Ganz oben rangiert wieder das Thema Vergütung, Fahrtkosten-Übernahme, flexiblere Arbeits- sowie Pausenzeiten bei gleichzeitig besserer Planbarkeit und weniger Stress – dies in und auch nach der Ausbildungszeit. Wohlgemerkt sind wir hier nicht bei Wünsch dir was, aber wenn solche Aspekte genannt werden, haben sie auch ihre Berechtigung. Ein Wunsch, der unabhängig von finanziellen Mitteln genannt wurde, ist die Wertschätzung für die eigenen Tätigkeiten auch bereits im Auszubildenden-Status. Bessere Zukunftsaussichten und einen offenen Umgang damit vor dem Hintergrund der Digitalisierung stehen im Raum, die mit dem Wunsch nach Übernahme von Fortbildungen abgerundet werden. Und auch hier taucht der zentrale Faktor wieder auf: Die Kommunikation zwischen Chef, Ausbildenden und Angestellten sollte besser funktionieren.

Die Unsicherheiten zu Beginn sind somit klar, genauso wie auch die Herausforderungen nach der Ausbildung, denen sich die Auszubildenden bereits während der Ausbildung bewusst sind. Da sind hoch motivierte junge Menschen im System, die ihre Chance, für den Beruf ins Brennen zu kommen, in ihrem persönlichen und fachlichen Wachstum sehen, endlich Verantwortung übernehmen und selbst Menschen ausbilden wollen.

Spezialisierung und die eigenen Fähigkeiten anhand komplexer Patientenversorgungen zeigen zu können, reizen zudem positiv. Ebenso lebenslanges Lernen, Entwicklung von persönlicher sowie unternehmerischer Selbstständigkeit, der Kontakt zu anderen Beteiligten der Dentalbranche sowie die Mitgestaltung und Optimierung von Arbeitsprozessen sind positive Treiber für diese jungen Menschen. Wer ein solch motiviertes Kraftpaket unter den eigenen Auszubildenden findet, muss sich um die Zukunft des eigenen Betriebes somit wohl keine Sorgen machen.

Nach der Ausbildung ist vor der Karriere

Beruhigende Zahlen folgen: Nach der Ausbildung sehen sich die Befragten überwiegend im gemischt digitalen und analogen Arbeitsbereich. Dies lässt sich auch daran erkennen, dass die Wichtigkeit des Wissens über konventionelle und digitale Technik für den beruflichen Werdegang nach der Ausbildung beinahe gleich bewertet wird. Der Nachwuchs hat also erkannt, dass er sich breit aufstellen muss, um den Wandel der Branche selbst aktiv mitgestalten zu können.

Eine Herausforderung beim Aufeinandertreffen verschiedener Generationen ist immer wieder das Annehmen und Verstehen von Ängsten und Befürchtungen anderer Menschen, da diese oft auch sehr direkt an eigene Bedürfnisse und Gefühle geknüpft sind. Denn die Auseinandersetzung damit verursacht oftmals Unbehagen. Die Herausforderungen, vor denen zukünftige Gesellen großen Respekt oder gar Angst haben, sind nicht wenige: die eigene Persönlichkeitsentwicklung, der Umgang mit dem Setzen von Grenzen gegenüber Vorgesetzten, Gehaltsverhandlungen, Herausforderungen bei Jobsuche und -wechsel, Verantwortung und Übernahme von Führungspositionen sowie Erwartungshaltungen von außen. Neue Arbeitsbereiche und die Angst vor einer zunehmend digitaler werdenden Zukunft und ebenfalls der Chairside-Thematik sind bereits jetzt in den Köpfen als Herausforderungen angekommen. Gesundheitliche Themen (vor allem Allergien sowie psychische Belastungen), Motivationsverlust und Perspektivlosigkeit sowie eine Veränderung der eigenen Leistungsfähigkeit und damit verbunden auch finanzielle Schwierigkeiten zeigten sich durch die Befragung ebenfalls.

Kommunikation als Gamechanger

Das Thema Kommunikation wird auch mit deutlichem Verbesserungspotenzial in den Betrieben wahrgenommen. So wird die Angst vor Fehlern mit der Angst vor der Führungsetage oder der ausbildenden Person verknüpft, was beispielsweise durch wenig Interesse oder selten auftretendes Lob von den Auszubildenden wahrgenommen wird. Es wird wahrgenommen, dass den Auszubildenden nicht vertraut oder gar zugetraut wird, ihren eigenen Weg zu machen.

Dennoch gibt es auch überaus Positives zu berichten, denn Kommunikation kann in vielen Fällen ebenfalls respektvoll trotz einer flachen Hierarchie, angenehm, nett, harmonisch, kollegial und auf Augenhöhe erfolgen. Diese Spielregeln stellen ebenfalls Wünsche der Auszubildenden dar, die sich über häufigeren und regelmäßigeren Austausch mit den Ausbildenden über ihren aktuellen Stand, motivierende Worte, offene Ohren, Verständnis, Respekt, mehr Wertschätzung und Transparenz freuen würden.

Für ein besseres Klima zwischen den Beteiligten wären auch bessere Absprachen und klare Ansagen sowie strukturiertes Feedback hilfreich, was insgesamt zu einem professionelleren Umgang führen würde, den sich die Auszubildenden ja genauso wünschen wie die interpersonellen Aspekte. Bei diesen teilweise komplexen Themen ist eine offene Kommunikation zwischen den Akteuren in den Betrieben sowie in Ausbildung und Politik also unabdingbar. Wir müssen die Themen der jungen Menschen wahrnehmen und ihnen vertrauen, dass sie selbst wissen, was für ihre eigene Zukunft wichtig ist. Ansonsten verlieren wir sie einfach – das sollte klar sein.

Ausblick

In der nächsten Ausgabe der ZT Zahntechnik Zeitung (12/24) werde ich darstellen, wie Sie mit den Bedürfnissen der jungen Auszubildenden umgehen oder diese in Ihrem eigenen Betrieb überhaupt erst aufdecken können. Zudem zeige ich die zentralen Themenbereiche auf, die wir in der Ausbildung sowie für den Verbleib der Menschen nach der Ausbildung im Beruf angehen sollten und welche Aufgaben sich daraus auch auf persönlicher, gesellschaftlicher und berufspolitischer Ebene ergeben.

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