Wissenschaft und Forschung 12.06.2013
Basler Forscher entdecken wichtigen Schaltkreis bei Krebsmetastasen
Bei der Verteilung von Krebszellen im Körper und der Metastasenbildung spielt ein bestimmter Gen-Hauptschalter eine zentrale Rolle: Ein Transkriptionsfaktor namens Sox4 aktiviert eine Reihe von Genen und löst dabei die gefürchteten Vorgänge aus. Dies berichten Forscher der Universität Basel und des Friedrich-Miescher-Instituts Basel in der renommierten Fachzeitschrift «Cancer Cell». Die Hemmung von Sox4 und darauf folgender Prozesse könnte somit die Bildung von Metastasen bei Krebspatienten verhindern.
Die vorwiegende Todesursache bei Krebspatienten ist die Bildung von
Metastasen, also Tochtergeschwulsten in entfernten Organen wie Leber,
Lunge oder Gehirn. Dabei lösen sich Krebszellen vom ursprünglichen
Primärtumor und gelangen als einzelne Zellen oder Zellgruppe in andere
Organe. Normalerweise bleiben Zellen im Körper an ihrem Platz, da sie
sich mithilfe von Haftmolekülen aneinander und an der extrazellulären
Substanz festhalten. Krebszellen lernen jedoch, wie sie sich aus diesen
Bindungen lösen und in das umliegende Gewebe sowie in Blut- oder
Lymphgefässe einwandern können.
Dieser Übergang von sesshaften, hoch ausgebildeten Zellen in wandernde,
invasive und wenig strukturierte Zellen wird auch
Epitheliale-Mesenchymale Transition (EMT) genannt. Dieser Vorgang spielt
in der Verteilung von Krebszellen im Körper und im Entstehen von
Metastasen eine wichtige Rolle. EMT ist ein vielstufiger Prozess, der
mit einer fundamentalen Änderung der Zellmorphologie und zahlreichen
genetischen Programmen einhergeht. Die molekularen Regelkreise, die
diesen Vorgang steuern, werden derzeit noch wenig verstanden.
Hauptschalter gefunden
Nun haben die Forschungsgruppen von Prof. Gerhard Christofori am
Departement Biomedizin, Prof. Erik van Nimwegen vom Biozentrum der
Universität Basel sowie Prof. Dirk Schübeler vom
Friedrich-Miescher-Institut Basel einen Hauptschalter für die Regulation
von EMT und der Metastasenbildung entdeckt: Der Transkriptionsfaktor
Sox4 wird dabei in seiner Expression und Aktivität hochreguliert und
löst darauf die Expression einer Reihe von Genen aus, die während einer
EMT und der Metastasenbildung eine wichtige Rolle spielen.
Im Speziellen fördert Sox4 die Expression des Enzyms Ezh2, einer
Methyltransferase, die durch Methylierung von bestimmten Proteinen
(Histonen) die Verpackung des Erbmaterials und damit dessen Lesbarkeit
sowie die Genexpression generell beeinflusst; man spricht dabei von
einer epigenetischen Regulation. Durch diese Veränderung der Nutzung der
Erbinformation werden Zellen in ihrem Verhalten und ihrer Funktion
umprogrammiert – ein Prozess, der gerade während der Metastasenbildung
zu beobachten ist. Eine solche Änderung der Genexpression wird auch bei
Patienten mit bösartigem Krebs und Metastasenbildung gefunden und
korreliert auch mit einer schlechten Prognose.
Die Ergebnisse zeigen die Möglichkeit auf, dass eine Hemmung des
Transkriptionsfaktors Sox4 und besonders der Methyltransferase Ezh2 die
Bildung von Metastasen bei Krebspatienten verhindern könnte.
Entsprechende Medikamente werden derzeit schon entwickelt, müssen aber
noch in vorklinischen Studien getestet werden, bevor sie bei Patienten
eingesetzt werden können. Die Arbeiten der Basler Forscher wurden
innerhalb des SystemsX.ch-RTD-Projekts «Cellplasticity» realisiert.
Originalbeitrag
Neha Tiwari, Vijay K. Tiwari, Lorenz Waldmeier, Piotr J. Balwierz, Phil
Arnold, Mikhail Pachkov, Nathalie Meyer-Schaller, Dirk Schübeler, Erik
van Nimwegen, and Gerhard Christofori (2013)
Sox4 Is a Master Regulator of Epithelial-Mesenchymal Transition by Controlling Ezh2 Expression and Epigenetic Reprogramming
Cancer Cell, Volume 23, Issue 6, 768-783, 10 June 2013 | doi: 10.1016/j.ccr.2013.04.020
Quelle: Universität Basel