Finanzen 12.02.2016
Neuerungen zu den Themen Mindestlohn und Zivilprozesskosten
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Der seit dem 1. Januar 2015 geltende Mindestlohn hat in der Praxis gerade in Bezug auf die geringfügig beschäftigten Arbeitnehmer zu erheblichen Mehrbelastungen durch die vorgeschriebene detaillierte und zeitnahe Aufzeichnungspflicht für die Arbeitgeber geführt. Da regelmäßig auch mitarbeitende Familienangehörige in den Praxen beschäftigt sind, stellte diese zusätzliche Aufzeichnungspflicht in einem Bereich, in dem der Mindestlohn sicherlich wirtschaftlich keine Bedeutung hat, für viele nur eine neuerliche und zusätzliche Belastung dar.
Zumindest diesbezüglich kann jetzt auf eine vernünftige Erleichterung gehofft werden, denn das Bundesarbeitsministerium hat angekündigt, im Wege einer Rechtsverordnung die Aufzeichnungspflichten nun in Teilbereichen zu lockern. Der Deutsche Steuerberaterverband e.V. hatte sich seit Jahresbeginn dafür eingesetzt, dass die Pflicht zur Aufzeichnung der Arbeitszeiten nur für solche Arbeitnehmer gelten soll, deren regelmäßiges monatliches Entgelt unter 2.000 EUR liegt, dass es für mitarbeitende Familienangehörige überhaupt keine Aufzeichnungspflichten geben soll und dass die Haftung des Auftraggebers nur auf Fälle begrenzt ist, in denen ein Unternehmer eigene vertragliche Verpflichtungen an andere Unternehmen weiterreicht. Nunmehr konnte sich der Verband offensichtlich mit diesen Forderungen durchsetzen. Nachbesserungsbedarf besteht aus Sicht des Verbandes aber weiterhin bei der Behandlung von Praktikumsverhältnissen. Außerdem fordert der Verband zweckmäßigerweise, dass für geringfügig Beschäftigte die Aufzeichnungspflichten dann generell entfallen sollten, wenn es einen schriftlichen Arbeitsvertrag gibt, aus dem sich der Stundenlohn und die Arbeitszeit bereits eindeutig ergeben. Auch hier bleibt zu hoffen, dass der Steuerberaterverband sich mit dieser sehr sachgerechten Vereinfachung baldmöglichst Gehör verschaffen kann.
Ein weiteres interessantes, wenn auch für den Steuerpflichtigen nicht positives Urteil, kommt vom Bundesfinanzhof in München. Am 18.6.2015 (veröffentlicht am 12.8.2015) hat dieser entschieden, dass die Kosten eines Zivilprozesses im Allgemeinen keine außergewöhnlichen Belastungen im Sinne des § 33 EStG sind. Etwas anderes kann ausnahmsweise gelten, wenn ein Rechtsstreit einen für den Steuerpflichtigen existenziell wichtigen Bereich oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührt (BFH, Urteil Az. VI R 17/14). Mit dieser erneuten Entscheidung hat der BFH seine erst kürzlich zugunsten der Steuerpflichtigen geänderte Rechtsprechung nun erneut geändert, und kommt damit faktisch auf den ursprünglich geltenden nachteiligen Rechtsstand zurück. Noch im Mai 2011 hatte der VI. Senat des BFH entschieden, dass von einer Unausweichlichkeit von Zivilprozesskosten unter der Voraussetzung auszugehen sei, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Denn streitige Ansprüche seien wegen des staatlichen Gewaltmonopols regelmäßig nur gerichtlich durchzusetzen oder abzuwehren. Da die Parteien zur Durchsetzung ihrer Rechtsansprüche auf den Weg vor die Gerichte verwiesen würden, entstünden Zivilprozesskosten für den Kläger wie auch für den Beklagten unabhängig vom Gegenstand des Prozesses aus rechtlichen Gründen zwangsläufig. Demgegenüber sei entgegen der bis zum Mai 2011 geltenden Rechtsprechung nicht auf die Unausweichlichkeit des der streitgegenständlichen Zahlungsverpflichtung oder dem strittigen Zahlungsanspruch zugrunde liegenden Ereignisses abzustellen, weil der Steuerpflichtige im Verfassungsstaat des Grundgesetzes den Rechtsweg beschreiten müsse, um sein Recht durchzusetzen. Damit ebnete der VI. Senat des BFH seinerzeit die Abzugsfähigkeit solcher Zivilprozesskosten im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen. Diese Entscheidung hatte, neben Zustimmung, vielfach auch Kritik erfahren.
Im Nachgang zur Entscheidung von 2011 hatte auch der Gesetzgeber bereits reagiert und mit dem „Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften“ vom 26.6.2013 das früher geltende Abzugsverbot in § 33 Abs.2 Satz 4 EStG wieder gesetzlich verankert. Der VI. Senat des BFH begründet seine erneute Kehrtwende zum ursprünglichen Status damit, dass zwar „die Stetigkeit der Rechtssprechung des BFH als des obersten Gerichtshofs des Bundes für Steuern und Zölle ein wesentliches Element der Rechtssicherheit ist“. Er ist jedoch auch der Ansicht, dass hier schwerwiegende sachliche Gründe, und zwar vor allem der Gesichtspunkt einer notwendigen Vereinheitlichung der Rechtsanwendung und der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, eine erneute Änderung der Rechtssprechung des Senats gebieten. Danach sind die Kosten eines Zivilprozesses grundsätzlich nur dann als zwangsläufig anzusehen, wenn auch das die Prozessführung mit der Folge der Zahlungsverpflichtung adäquat verursachende Ereignis für den Steuerpflichtigen zwangsläufig ist.
Hintergrund für die Kehrtwende des VI. Senats ist, dass andere Senate des BFH sich der Auffassung der Abzugsfähigkeit von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung nicht anschließen wollten, sodass die Gefahr bestand, dass der dann zuständige Große Senat sich der neuen Rechtsauffassung des VI. Senates dann ebenfalls nicht anschließen würde. Für den Steuerpflichtigen zeigt sich anhand dieses Beispiels, wie komplex und langwierig die Rechtsfindung sein kann. Leider, in diesem Fall, Dann auch noch zu Ungunsten der Betroffenen.