Praxismanagement 17.04.2024

Bewerbungsgespräche als Visitenkarte einer Praxis



Bewerbungsgespräche als Visitenkarte einer Praxis

Foto: contrastwerkstatt – stock.adobe.com

Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ist die Qualität eines Bewerbungsgesprächs wichtig. Schließlich bewirbt sich ein Bewerber bei einer Praxis – oder war es umgekehrt? Es ist für beide Parteien eine wichtige Visitenkarte und hervorragende Möglichkeit zu schauen, ob man zueinanderpasst.

Das Bewerbungsgespräch beginnt mit der Vorbereitung. Idealerweise schaut man sich die Unterlagen genau an. Aus einem Lebenslauf kann man zum Beispiel erkennen, ob der Bewerber eine berufliche Weiterentwicklung erlebt hat, indem er immer mal wechselte, aber immer mehr Verantwortung oder spezielle Aufgaben übernahm. Wechsel sollten nie von vornherein ein negatives Merkmal darstellen. Hintergründe kann man im Gespräch erfragen und sich so ein Bild über Motive, Einstellungen und Reflexionsfähigkeit des Bewerbers machen. Prüfen sollte man auch, ob die Angaben aus dem Lebenslauf mit den Daten der Arbeitszeugnisse übereinstimmen. Fehlen Arbeitszeugnisse, so sollte auch dies nie per se zu Ungunsten des Bewerbers gedeutet werden. Gerade in unserer Branche trauen sich viele (gute und loyale) Mitarbeiter nach einem Streit nicht mehr, danach zu fragen. Arbeitszeugnisse sollten zudem in der Gesamtheit gelesen werden. Sticht eines besonders hervor und die anderen lassen Fragen offen, so kann das gute Zeugnis auch aus einem Rechtsstreit entstanden sein. Das Anschreiben sagt viel über Ausdrucksfähigkeit, Sorgfalt und das Bemühen um eine Stelle aus. Schreibt der Bewerber beispielsweise über seine Motivation? All diese Aspekte wertet man aus und notiert sich erste Fragen, die man stellen möchte.

Zeit nehmen, klar strukturieren, objektiv bewerten

Für das Gespräch selbst sollte man mindestens 45 Minuten Zeit einplanen, plus Zeit für einen Rundgang durch die Praxis. So hat man die Unterlagen des Bewerbers dabei, stellt Getränke bereit und schafft eine ruhige Atmosphäre. Idealerweise führt man das Gespräch zu zweit. Einer kann dabei die Fragen stellen und der andere die Antworten notieren. Sinnvoll ist es, wörtlich mitzuschreiben und eine Interpretation des Gehörten erst später und gemeinsam vorzunehmen. Jeder hört etwas anderes und nimmt dies mit. Vielleicht ist der Bewerber dem einen besonders sympathisch, dann wird er sich an kritische Antworten weniger gut erinnern. Wir machen uns immer ein Bild von dem Bewerber, wenn wir seine Unterlagen sichten oder mit ihm telefonieren. Stellen wir dann auch noch Gemeinsamkeiten fest (er hat an der gleichen Uni studiert), dann ist uns dieser Bewerber sofort sympathischer als ein anderer. So etwas ist natürlich und okay. Bei einem professionellen Bewerbungsgespräch geht es aber um die Eignung bei den sozialen und persönlichen Kompetenzen. Teamfähigkeit, Kritikfähigkeit, Loyalität, Kommunikation mit Angstpatienten – all solche Kompetenzen entscheiden über den beruflichen Handlungserfolg und damit über die Qualifikation. Hier braucht man kritische Fragen, und je sympathischer uns ein Bewerber ist, desto weniger trauen wir uns so etwas zu fragen.

Vom Smalltalk zu situativen Fragen

Das Gespräch selbst umfasst mehrere Phasen. Im ersten Teil stellt man die Beteiligten vor und führt idealerweise Smalltalk, beispielsweise über die Anfahrt. Das lockert beide Seiten auf. Gerne kann man sich beim Bewerber auch für die Bewerbung und dessen Bemühungen bedanken. Damit zeigt man, wie wichtig einem der Mensch ist, der vor einem sitzt, und dass man sich für ihn interessiert. Als nächstes bittet man den Bewerber, sich kurz vorzustellen. Dabei notiert man diese Stichworte und überlegt sich weitere Fragen. Wer hier wörtlich mitschreibt wird auch merken, wie die Ausdrucksfähigkeit und Präzision des Bewerbers ist (wenn dieser bei 1980 anfängt und nach 20 Minuten erst bei 1995 ist). Dann folgen Fragen zur Biografie des Bewerbers. Bei Berufsanfängern kann man fragen: Warum haben Sie sich für den Beruf der ZFA entschieden? Und erfährt so schon einiges über die Motivation.

Ist auffällig, dass der Bewerber häufig die Praxen gewechselt hat, kann man gezielt das Warum erfragen. Wenn der Bewerber hier erklärt, dass die Kollegen schuld gewesen seien und der Chef schwierig war – dann gilt es, genau zuzuhören. Erzählt er von sich aus Details, die wir nicht hören wollen? Oder ist es ihm unangenehm und er möchte „nichts Schlechtes“ sagen? Letzteres spricht dann für den Bewerber, denn er zeigt damit seine Loyalität. Eine andere Fragetechnik bringt da mehr Klarheit: Sie waren in vier Praxen in den letzten sechs Jahren. Wir sind an einer langfristigeren Zusammenarbeit interessiert. Was würden Sie bei uns anders machen? Was muss passieren, damit sie länger bei uns bleiben?

Sinnvoll sind auch Fragen nach der Teamfähigkeit: Wann fällt es Ihnen schwer, in einem Team zu arbeiten? Oder: Was verstehen Sie unter guter Teamarbeit?

Auch zu den Zeugnissen kann man etwas fragen: Ihr letzter Arbeitgeber hat sie als besonders engagiert bezeichnet. Haben Sie ein Beispiel für uns? Hier spürt man schnell, ob ein Zeugnis stimmt oder der Bewerber gut mit dem Arbeitgeber harmonierte.Welche Fortbildungen möchten Sie noch machen und warum? Mit dieser Frage schaut man in die Zukunft und kann – besonders bei Berufsanfängern – deren Zukunftswünsche erfragen. Eine der wichtigsten Fragen ist die nach dem Chef: Was erwarten Sie von Ihrem Chef? Oder zur Einstellung: Was ist Ihnen an Ihrem Arbeitsplatz wichtig?

Zum Schluss sollen situative Fragen, die zur Stelle passen, gestellt werden. Das sind Fragen, die eine besondere, wichtige und damit erfolgskritische Situation für die jeweilige Stelle abbilden: Einen Bewerber für die Rezeption kann man dann fragen: Wir stellen uns einmal vor, Sie sitzen bei uns an der Rezeption. Eine Mama mit einem quengelnden Kind kommt herein, dann klingelt das Telefon und dann kommt noch einer unserer Behandler und möchte etwas von Ihnen. Was tun Sie? Das, was der Bewerber dann sagt, ist ein hervorragender Beleg für seine künftige Handlungsfähigkeit.

Klar und offenzur erfolgreichen Zusammenarbeit

Nun hat man viel über den Bewerber gehört und stellt dann die eigene Praxis vor. Idealerweise gibt man dem Bewerber an dieser Stelle schon ein klares Feedback. Man kennt jetzt seine Motivation, was ihm wichtig am Arbeitsplatz ist und seine Einstellungen zu Teamfähigkeit. Hier kann und sollte man deutlich sagen, wo Gemeinsamkeiten sind (Ihre Vorstellung vom Umgang mit Patienten entspricht unserer Philosophie) oder wo man deutliche Unterschiede sieht (Ihnen ist Struktur und Ruhe wichtig, wie Sie uns sagten. Wir sind aber eine Praxis in der Gründungsphase. Strukturen bauen wir daher gerade auf. Wenn Sie sich am Aufbau beteiligen wollen, sind Sie gerne willkommen. Fertige Strukturen können wir Ihnen aber derzeit nicht bieten). Anschließend darf der Bewerber seine Fragen stellen. Auch hier erfährt man viel über ihn, vor allem nach dem vorangegangenen Feedback.

Als Abschluss gibt es eine konkrete Vereinbarung, die für beide Seiten verbindlich ist.

Wir sehen:

Ein professionell geführtes Bewerbungsgespräch ist die Visitenkarte einer Praxis. Erfahrungsgemäß schätzen gerade Leistungsträger solch individuelle und differenzierte Gespräche sowie freundliche und offene Worte.

Dieser Beitrag ist im PJ Prophylaxe Journal erschienen.

Mehr News aus Praxismanagement

ePaper