Praxismanagement 09.05.2011
Haferkamps Expertentipp (2)
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Über viele Jahre hinweg hat sich Wolfgang Haferkamp insbesondere bei kieferorthopädischen Praxen einen Namen als aufmerksamer Beobachter, zuverlässiger Partner und wertvoller Berater gemacht. So entwickelt er nicht nur individuelle und an aktuelle Vorgaben angepasste Konzepte, sondern begleitet Praxen auch durch den Dschungel an gesetzlichen Anforderungen, Verordnungen oder Richtlinien. Im Rahmen dieser KN-Artikelserie gewährt Wolfgang Haferkamp Einblicke in verschiedenste Themenbereiche und vermittelt das entsprechende Hintergrundwissen.
Teil 2: Wenn der Platz nicht zum Schreiben reicht – Platz und Raumaufteilung in der KFO-Praxis
Stellen Sie sich vor: ein schö-nes, großes Büro mit Blick über die Dächer der Stadt sowie viel Platz und Ablagefläche, jedoch wenig Papier und kaum Modellen darauf. In der Besprechungsecke werden bei einer Tasse Espresso effektive und zielführende Gespräche geführt …
Leider sieht die Realität in vielen kieferorthopädischen Praxen anders aus: In der Nische hinter der Rezeption schreiben Sie Ihre Behandlungspläne. Um in Ruhe telefonieren zu können, gehen Sie nach draußen – sofern das Wetter mitspielt. Denn viele Praxisinhaber haben kein eigenes Büro. Oder ihr Büro ist so klein, dass es eher einer Abstellkammer gleicht. Und wenn mal ein großzügiges Arbeitszimmer in der Praxis vorhanden ist, dient es gleichzeitig als Besprechungsraum für Patienten und Eltern und sollte dementsprechend ständig aufgeräumt sein. Ein konzentriertes, systematisches Arbeiten ist so also kaum möglich. Da nehmen viele die Schreibtischarbeit lieber gleich mit nach Hause.
Zugegeben, wer weiß schon bei der Praxisgründung, wie viel Platz er in drei, fünf oder zehn Jahren benötigt. Auch bei einer Praxisübernahme wird nicht immer genau auf den eigenen Platzbedarf geschaut oder eventuelle zukünftige Erweiterungsmöglichkeiten bedacht. Doch das eigene Büro ist es nicht allein, das häufig stiefmütterlich behandelt wird. Auch fehlt genügend Platz für Verwaltungstätigkeiten (z.B. Leistungserfassung, Abrechung etc.), die in Ruhe konzentriert erledigt werden müssen. Ein Labor fällt eventuell der anfänglichen Risikominimierung zum Opfer. Doch schnell merken frisch gebackene Praxisinhaber, dass ein externer Techniker schwer zu führen ist und ständig zeitrauben-de Korrekturen durchgeführt werden müssen. Noch schwerer wiegt, dass auf eine wichtige und sichere Einnahmequelle verzichtet wird. In einem Fall wurde daraufhin wie in alten Zeiten ein Teil des Sozialraumes zum Labor umfunktioniert – ohne vollständige Trennung durch Wand und Tür. Jedoch sind Gipsbelag oder andere Schleifstäube auf dem Butterbrot bekanntlich weder gesund noch zulässig.
Wartezimmer werden schnell zu klein, wenn die „Busse“ mit nachmittäglichen Kontrollpatienten erst einmal anrollen. Der Streit um den vorgeschriebenen Aufbereitungsraum schwelt bereits länger, trotzdem planen viele Praxiseinrichter häufig noch ohne diesen Raum. Wer eine alte Praxis übernimmt, die vor dem 1.5.1976 oder dem 26.12.1996 (je nach Stand der Vorschriften) ihre Türen öffnete, kann laut Arbeitsstättenverordnung (§8, siehe auch Projektgruppe „RKI-BfArM-Empfehlung“, Empfehlung für die Überwachung der Aufbereitung von Medizinprodukten, 2010, S. 9/10) hier auf Besitzstandswahrung verweisen. Doch sind die dann zu erfüllenden Vorgaben für eine Praxis im laufenden Betrieb kaum zu realisieren.
Eine voll funktionsfähige kieferorthopädische Praxis benötigt heute mindestens folgende Räume:
• Drei Behandlungsräume bzw. -stühle (am besten Einzelräume je Stuhl, da die Patienten immer mehr allein behandelt
werden wollen, bei einem Gemeinschaftsraum mit mehreren Stühlen ist auf den Datenschutz und die Erfüllung der Hygienevorschriften zu achten)
• Rezeption mit Verwaltung (groß genug, am besten eigener Verwaltungsraum)
• Besprechungsraum (für Patienten-/Elterngespräche)
• Büro
• Wartezimmer
• Aufbereitungsraum
• Patiententoilette
• Sozialraum
• Umkleideraum
• Mitarbeitertoilette
• Geräteraum
• Lager (für Medizinprodukte)
• Lager (für Gefahrstoffe, Desinfektionsmittel, sonstige Verbrauchsmaterialien etc.)
• Modellraum
• Röntgenraum inkl. Fotoecke
• Abfallraum
• Labor
Inwieweit manche Funktionen, die nach dieser Liste einem eigenständigen Raum zugeordnet sind, zusammengelegt werden können, muss im Einzelfall beurteilt werden. Teilweise ist dies ausgeschlossen. Neben ergonomischen Aspekten ist auch eine Vielzahl von rechtlichen Vorschriften zu beachten. Und nicht immer sind Experten, die seit Jahrzehnten Praxen planen, mit den aktuellen Gegebenheiten vertraut. Die Anordnung der Räume hängt zum einen von Arbeitswegen aller in der Praxis Arbeitenden ab, zum anderen von vorgegebenen Grundrissen. Es sei denn, Sie beabsichtigen einen kompletten Neubau zu erstellen und können frei planen.
Gehen Sie einfach einmal mit der Liste durch Ihre Praxis und notieren Sie, welche Räumlichkeiten Sie zur Verfügung haben und ob darin effektiv gearbeitet werden kann bzw. diese ihre Funktionen erfüllen. Ist dies nicht der Fall, überlegen Sie, ob Sie insgesamt genug Raum haben, um diesen entsprechend zu verändern. Manchmal reicht einfach ein Raumtausch. Im Extremfall kann eine Ortsveränderung angebracht sein.
Wenn Sie eine neue Praxis planen oder eine bestehende Praxis kaufen, sollten Sie auf Erweiterungsmöglichkeiten achten. Schnell kann ein weiterer Stuhl benötigt werden oder ein zweiter Technikerplatz. Übernehmen Sie eine Praxis, verlassen Sie sich nicht auf die Besitzstandswahrung. Beurteilen Sie genau, wie Sie Ihre eigenen Vorstellungen und die gesetzlichen Vorgaben erfüllen können, seien Sie realistisch. In jedem Fall denken Sie daran, ob Sie Ihr Arbeitsleben lang Pläne am Klapptisch schreiben möchten.