Praxismanagement 12.09.2011

Haferkamps Expertentipp (4)



Haferkamps Expertentipp (4)

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Über viele Jahre hinweg hat sich Wolfgang Haferkamp insbesondere bei kieferortho­pädischen Praxen einen Namen als aufmerksamer Beobachter, zuverlässiger Partner und wertvoller Berater gemacht. So entwickelt er nicht nur individuelle und an aktuelle Vorgaben angepasste Konzepte, sondern begleitet Praxen auch durch den Dschungel an gesetzlichen Anforderungen, Verordnungen oder Richtlinien. Im Rahmen dieser KN-Artikelserie gewährt Wolfgang Haferkamp Einblicke in verschiedenste Themen­bereiche und vermittelt das entsprechende Hintergrundwissen.

Teil 4: Mehr als Kaffee und Wasser – Der Service beginnt bereits vor dem ersten Schritt in die Praxis

Überdimensionale Trinkwasserballons laden in immer mehr Praxen zum Selbstzapfen ein, Kaffeeduft durchströmt die Räume – die wartende Mutter wird mit Espresso, Cappuccino oder anderen Kaffeeköstlichkeiten verwöhnt. Und schon ist die kieferorthopädische Praxis eine Servicepraxis, obwohl die Wartezeiten nach wie vor bei einer Kontrolluntersuchung eines herausnehmbaren Gerätes eine gute halbe Stunde dauern. Die Untersuchung selbst ist nach zwei Minuten beendet. Dabei tauschen die Helferinnen über die Köpfe der Patienten hinweg die Erlebnisse des vergangenen Wochenendes aus. Also doch keine Servicepraxis? Was bedeutet Service oder besser Servicequalität in der kieferorthopädischen Praxis? Auch wenn es bei manchen Kieferorthopäden am Selbstverständ­nis rüttelt: Der Patient ist immer auch ein Kunde – bei Kindern und Jugendlichen sind es sogar mindestens zwei pro Patient, da die, die bezahlen, auch Kunden sind. Ein Kunde setzt direkt oder indirekt (via Krankenkasse, Beihilfe etc.) Geld ein, um einen Ge­genwert zu erhalten: gesunde, gerade, funktionierende Kiefer und Zähne. Und wenn diese dann auch noch „schön“ sind, hat sich der monetäre Einsatz gelohnt.
Der Dienst am Kunden, der Service, setzt früh ein, bereits bei der Kontaktaufnahme durch diesen. Auch wenn der erste Eindruck, anders als oft behauptet wird, nicht immer der entscheidende ist, ist eine eventuell negative ers­te „Duftmarke“ nur schwer zu korrigieren. Wenn sich die Praxis so meldet, dass sie eindeutig identifizierbar ist und deutlich wird, mit wem der An­rufer spricht (Freundlichkeit und Höflichkeit inklusive), ist der ers­te Schritt getan. Nach der Termin­absprache (siehe Info-Kasten) für die Erstberatung ist ein Willkommensbrief  sinnvoll, der auf jeden Fall eine Anfahrtsskizze oder einen Findeplan enthält, eine Auflistung der Unterlagen, die mitgebracht werden sollten (z.B. bestehende Röntgenbilder) und einen Anamnesebogen. Letzteren zuzuschicken ist auch aus Datenschutzgründen angebracht, da die Ausfüllung desselben im Wartezimmer unter den Augen anderer nicht korrekt ist. Er kann dann in der Beratung ergänzt werden. Liegt der Termin länger als zwei Wochen in der Zukunft, sollte eine kurzfristige Terminerinnerung erfolgen. Gleichzeitig werden so Erstbe­ratungsterminausfälle reduziert. Zur Terminerinnerung kann ein Anruf dienen (bei Kindern auch mit den Eltern reden!), eine Postkarte, E-Mail oder auch eine SMS, wenn die Handynummer erfragt worden ist. Diese zusätzliche Kontaktaufnahme sollte im ersten Telefongespräch angekündigt werden.

Der nächste Schritt in Sachen Servicequalität betrifft die Auffindbarkeit der Praxis. Ist die Wegebeschreibung korrekt und die Praxis auf dieser Grundlage leicht zu finden? Oder stehen Mutter und Kind händeringend vor einem innerstädtischen Gebäudeblock, haben extra die Schu­le ausfallen lassen und Urlaub genommen und wissen nicht, welchen der drei Eingänge sie betreten müssen. Der neue Patient muss durch Schilder zur Praxis geleitet werden und diese müssen eindeutig sein. Wenn möglich, ist ein Außenschild als „Stopper“ einzusetzen, das signalisiert: „Hier bist du richtig.“ Von dort ist jeder Punkt, an dem eine alternative Gehrichtung gewählt werden kann, zu beschildern und bei Bedarf mit zusätzlichen Hinweisen zu versehen (Pfeile oder Stockangabe). Ist es noch ein Stück, sollten Schilder wiederholt werden, damit nicht die Frage aufkommt: „Bin ich hier noch richtig?“ Und ist der Praxiseingang erreicht, sollte auch dies klar kommuniziert werden. Bewährt haben sich hier vor allem direkte Einblicke via Glas auf die Rezeption.Viele kieferorthopädische Praxen arbeiten mit automatischen Türöffnern. Auch dies sollte mittels eines kleinen Hinweises kommuniziert werden. Da diese außerhalb der eigentlichen Praxisräume angebracht sind, werden sie kaum gepflegt. Dabei sind sie, so unscheinbar sie auch wirken, Teil der Praxis und bestimmen deren Image mit – von hygienischen Aspekten ganz zu schweigen.

Haben der Patient und die ihn eventuell begleitenden Eltern endlich die Schwelle zur Praxis überschritten, wollen sie empfangen werden. Sie haben mit einer freundlichen Mitarbeiterin gesprochen, einen netten Brief erhalten und auch noch eine Erinnerung an den Termin – sonst hätten sie diesen doch tatsächlich versäumt – und haben problemlos und ohne einmal zu stocken den Weg bis hierhin gefunden. Aber die Dame, die hinter dem viel zu hohen Tresen sitzt, telefoniert in Seelenruhe und würdigt sie keines Blickes. Erst nach gefühlten fünf Minuten legt sie auf, schaut sich um und die Eingetretenen fragend an. Ein Szenario, das so mit vielen Va­riationen täglich stattfindet. Lassen wir einmal den hohen Tresen beiseite und erwarten, dass die Rezeptionskraft die Eingangstür im Blickfeld hat oder hört, dass jemand die Praxis betreten hat. Sie blickt auf und empfängt die Neuankömmlinge mit einem freundlichen Lächeln. Wenn das Telefongespräch noch etwas dauern könnte, bittet sie mithilfe der Stummtaste um Verständnis und signalisiert: „Ich bin gleich für Sie da!“ Ist ein Ende des Telefonates nicht abzusehen, vertagt sie dieses und widmet sich dem neuen Patient und dessen Mutter. Selbstverständlich freundlich, höflich und mit ständig wiederkehrendem Blickkontakt. Also nicht begrüßen, in den Computer einpflegen und sagen: „Sie können sich so lange ins Wartezimmer setzen.“ Der – mögliche – Satz „Nehmen Sie bitte einen Moment im Wartezimmer Platz“ wird im Idealfall unterstützt durch eine Geste (Hand, Kopf, Oberkörper), die in Richtung Wartezimmer weist.

Der Patient ist in der Praxis angekommen und hat bis hierhin Servicequalität erlebt. Voraussetzung dafür ist eine genaue Analyse der entsprechenden Abläu­fe, deren Beschreibung, die Schulung der Mitarbeiter, die Erstellung von Hilfsmitteln wie Anfahrtsskizzen und ein regelmäßi­ges Controlling, ob all das auch funktioniert bzw. etwas geändert werden sollte oder könnte. Eine derartige Servicequalität ist Teil eines funktionierenden Qualitätsmanagements, um dessen Grundlagen es in der nächs­ten Folge dieser Artikelserie geht.

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