Praxismanagement 10.10.2011
Haferkamps Expertentipp (5)
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Über viele Jahre hinweg hat sich Wolfgang Haferkamp insbesondere bei kieferorthopädischen Praxen einen Namen als aufmerksamer Beobachter, zuverlässiger Partner und wertvoller Berater gemacht. So entwickelt er nicht nur individuelle und an aktuelle Vorgaben angepasste Konzepte, sondern begleitet Praxen auch durch den Dschungel an gesetzlichen Anforderungen, Verordnungen oder Richtlinien. Im Rahmen dieser KN-Artikelserie gewährt Wolfgang Haferkamp Einblicke in verschiedenste Themenbereiche und vermittelt das entsprechende Hintergrundwissen.
Teil 5: Für viele ein sinnloses Ärgernis – Qualitätsmanagement oder wie aus Unkenntnis ein Feindbild entsteht
„Organisierter und durchstrukturierter Service, der hilft, Patienten zu gewinnen und zu binden ist Qualitätsmanagement“?! Vielen wird die Behauptung an dieser Stelle der letzten KN-Ausgabe wie ein Scherz vorgekommen sein. Aber genau das ist gelebtes und entwickeltes Qualitätsmanagement. Warum? Ganz einfach: Die Servicequalität wird auf den Prüfstand gestellt, es werden Regeln aufgestellt und es wird dafür gesorgt, dass diese zum Wohle der kieferorthopädischen Praxis eingehalten werden – die Servicequalität wird gemanagt.
Doch warum geht bei vielen Kieferorthopädinnen und Kieferorthopäden und ihren zahnmedizinischen und humanmedizinischen Kollegen sofort die rote Lampe an, wenn von Qualitätsmanagement die Rede ist? Weil unklare Vorstellungen über Begriff und Inhalt vorherrschen, weil Qualitätsmanagement mit der Erfüllung gesetzlicher Vorgaben beispielsweise in der Hygiene gleichgesetzt wird, weil kaum einem der Unterschied zwischen Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement bekannt ist. Letzteres trat wieder zu Tage, als der Gemeinsame Bundesausschuss Jahre, nachdem es genauso im Sozialgesetzbuch V stand, die Vorgabe umsetzte, wie die Teilnahme an der Qualitätssicherung und wie die gesetzlich längst vorgeschriebenen Sanktionen auszusehen haben. Abgesehen davon, dass angefangen von der Bundeszahnärztekammer alle so taten, als sei die Stichprobenkontrolle des Behandlungsergebnisses – genau dies ist Qualitätssicherung, die Überprüfung des Ergebnisses – eine neue Erfindung, wurde nun wieder behauptet, die mangelnde Umsetzung eines Qualitätsmanagements würde sanktioniert. Dies betrifft allein die mangelnde Teilnahme an der Qualitätssicherung.
Aufbauend auf Unkenntnis hat sich eine breite Abwehrfront entwickelt, die vor allem von Berufsverbänden wie dem Freien Verband gepflegt wird. Qualitätsmanagement ist ein Organisationshilfsmittel, nicht mehr und nicht weniger und dient dazu, Abläufe, Zuständigkeiten oder ähnliches zu beschreiben und gegebenenfalls zu dokumentieren und zu kontrollieren, die sonst nicht den vorgegebenen oder selbst gestellten Regeln entsprechen würden. Qualitätsmanagement bezieht sich auf der einen Seite auf die Qualität des Managements, wie gut ich meine Praxis organisiere und durchaus, was ich dafür
tue, dass diese erfolgreich ist und bleibt.
Auf der anderen Seite managt dieses Tool die Qualität. Es ist ein Hilfsmittel, die Qualität der Arbeit einer Praxis auf allen Ebenen und in allen Schritten sicherzustellen. Nach wie vor gilt zwar der Spruch „entscheidend ist, was hinten rauskommt“. Aber wenn auf dem Weg zum Behandlungsergebnis Fehler passieren, werden oft Umwege nötig, die bei genauerer Betrachtung betriebswirtschaftlich negativ zu Buche schlagen. Manches wie mangelnder Infektionsschutz kann zu vermehrten krankheitsbedingten Ausfällen bei den Mitarbeitern führen, wie jüngst eine Studie der Universität Greifswald nachwies (Hübner et al. BMC Infectious Diseases 2010, 10:250). Rechtlich nicht Korrektes hat bei einer Überprüfung, die immer mehr zunehmen, teure Nacharbeit zur Folge und im Extremfall ein Gerichtsverfahren.
Ein Qualitätsmanagement hilft nur, dies alles zu organisieren, es ist nicht die Erfüllung gesetzlicher Vorgaben. Das Qualitätssiegel der KZV und der Zahnärztekammer Westfalen-Lippe aus dem Jahr 2010 bestätigt nur die Einhaltung grundlegender und berufsrechtlicher Vorgaben „sowie die menschliche Anerkennung der Leistung seiner Mitarbeiter“ – eine Selbstständigkeit – und wird ohne jegliche Überprüfung verliehen. Hier hat zuletzt das Landgericht Berlin (AZ 15 O 249/09 vom 02.02.2010) die gängige Rechtsprechung bestätigt, die die Verleihung von Zertifikaten für die Realisierung grundsätzlicher rechtlicher Anforderungen als nicht rechtens bewertet. Das zentrale Element eines Qualitätsmanagements – auch nach der oft gescholtenen DIN EN ISO 9001:2008 – verwirklichen in der Regel alle Praxen: Die Dokumentation des Behandlungsverlaufs. Hierfür müssen auch keine neuen Formulare oder EDV-Programme bei Einführung eines Qualitätsmanagementsystems erstellt werden. Für viele Elemente eines QMs ist es sinnvoll, eine einheitliche Form zu finden, es erleichtert die Zuordnung und ist übersichtlich. Mit Versionsständen zu arbeiten und hierzu ein Verzeichnis zu führen verringert die Gefahr, alte Formulare von beispielsweise Patientenverträgen zu verwenden, die in irgendeiner Ecke einer jeden kieferorthopädischen Praxis schlummern. Die Frage, was ein QM-System maximal kosten darf, ist meiner Meinung nach zweitrangig, da die betriebswirtschaftlichen Kosten der Durchführung (Zeit!) wesentlich höher sind. Hier kann ein billiges System schnell sehr teuer werden. Ein Qualitätsmanagementsystem will auch gepflegt sein. Viel entscheidender ist die Praktikabilität (die meisten Systeme sind und werden aufgebläht) und die Sinnhaftigkeit. Wenn ein Qualitätsmanagementsystem keinen Nutzen bringt – hierzu zählt auch die Hilfe bei der Erfüllung gesetzlicher Vorgaben! – macht es auch keinen Sinn.
Um die Servicequalität auf Dauer zu pflegen, sind nachvollziehbare Regeln wichtig und sinnvoll – der eigentliche Inhalt eines Qualitätsmanagements. Denn zur Servicequalität gehört auch das Miteinander des Teams in der Praxis, das von den Patien-ten und den Eltern als wichtigstes Qualitätskriterium während der Behandlung gilt. Auf das Ergebnis muss ja einige Jahre gewartet werden. Nach den Vorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses müssen inzwischen ja alle zahnärztlichen und damit auch alle kieferorthopädischen Praxen ein internes Qualitätsmanagement eingeführt haben. Die Forderungen sind dort verständlicherwei-se ziemlich pauschal und beinhalten als „Muss“ Grundelemente wie die Definition von Zielen. Die Instrumente wie beispielsweise ein Praxishandbuch oder Checklisten sind laut den „Tragenden Gründe zum Beschluss über eine Qualitätsmanagement-Richtlinie vertragszahnärztliche Versorgung vom 17. November 2006“, die als Erläuterung gemeinsam mit der GBA-Richtlinie erlassen wurden, nur „exemplarisch“. Wer diese begründet anders umsetzt, erfüllt die Richtlinie genauso.
Wer gar keinen Sinn im Qualitätsmanagement sieht, der kann die Vorgabe ja auch getrost ignorieren. Die Überprüfung durch die KZVen ist eine Selbstauskunft auf minimalem Ankreuzniveau. Selbst wenn – ehrlicherweise – bei Nichtumsetzung dies angegeben wird, könnte höchstens irgendwann eine Beratung stattfinden. Konsequenzen haben Sie nach momentanem rechtlichen Stand in keiner Weise zu befürchten. Dies ist auch so gewollt, wie den „Tragenden Gründen“ entnommen werden kann.