Praxismanagement 28.02.2011

Hohe Gewinne und trotzdem Pleite? Teil 2



Hohe Gewinne und trotzdem Pleite? Teil 2

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Wer hätte je gedacht, dass Arzt- und Zahnarztpraxen in eine Finanzkrise hätten geraten können. Doch es gibt sie, die anderen, vielfach unterschätzten Einflussfaktoren, die auf die Liquidität einwirken und deren man sich oft zu spät bewusst wird und die durchaus eine Krise in einer niedergelassenen Einrichtung heraufbeschwören können. Stellten die Autoren in Teil 1 der Artikelserie (ZWP 5/2010, S. 18) das Problem der Illiquidität vor, so lesen Sie jetzt in Teil 2 die Gründe der Illiquidität.

Im Falle einer Neuniederlassung (heute nur noch selten möglich) sind die Risiken, zahlungsunfähig zu werden, ungleich größer als bei der Übernahme einer bestehenden und gut eingeführten Praxis. Fast ebenso groß wird das Risiko allerdings bei einer Übernahme, wenn der auf seriöse Be­ratung vertrauende Arzt in die Hände solcher Personen oder Institutionen gerät, die ihn glauben machen, der Wert einer solchen Praxis belaufe sich beim Goodwill auf einen Jahresumsatz – oder mehr – oder die sich auf andere Weise, z.B. durch den Abschluss exorbitanter Versicherungsverträge, Maklerprovisionen oder durch falsche Finanzierungen bereichern. Es mag dahingestellt bleiben, ob diese Verfahren rechtens sind oder nicht: auf die wirtschaftlichen Auswirkungen kommt es an.

Folgende Gründe sind fast immer ausschlaggebend für die Illiquidität einer Arztpraxis, wobei es keinen Unterschied macht, ob nur ein Grund wegen seines Übergewichtes oder eine Vielzahl von Einzelgründen zur Zahlungsunfähigkeit geführt haben.

Grund 1: Die Einnahmen sind nachhaltig niedriger als die Ausgaben

Vielfach liegt eine Fehleinschätzung der möglichen Honorareinnahmen vor. Der Zuspruch, den die Praxis hat, verläuft flacher als ursprünglich angenommen (Lage der Praxis, Konkurrenzsituation, Akzeptanz usw.).

Durch gesetzlich erzwungene Restriktionen, die vor allem aus Deckelung, Budgetierung und weiteren Einschränkungen in der Honorarabrechnung resultieren, können vormals hochverdienende Praxen sehr rasch in finanzielle Engpässe geraten, wenn diesen Einflüssen nicht konsequent und un­mittelbar begegnet wird. Bedrohlich kann es beispielsweise werden, wenn der ganze Praxisbetrieb auf eine größere Dimension ausgelegt, aber wirtschaftliches Denken nach dem kaufmännischen Prinzip der Vorsicht außer acht gelassen wurde. Das ist der Fall, wenn mehr Personal eingestellt wurde, als Klientel zu betreuen war (Personalüberhang, teilfixe Kosten) oder die apparative Ausstattung der Praxis übersetzt oder sogar über das übliche Maß hinausgehende Um- und Einbaumaßnahmen getätigt wurden, die jetzt totes Kapital darstellen und nicht schnell genug amortisiert werden können.

Erstaunlich ist, mit welcher Beharrlichkeit, mitunter sogar Sturheit, nieder­gelassene Ärzte an Althergebrachtem festhalten, ohne die Möglichkeiten zu nutzen, die sich ihnen zur Verbesserung der Situation bieten. Der Frust ist zwar verständlich, darf aber nicht zur Lähmung führen. So muss zum Beispiel vorurteilsfrei geprüft werden, ob der Zusammenschluss mehrerer Praxen nicht nur die wirtschaftliche Stabilität fördert, sondern darüber hinaus auch zur Erhöhung der Lebensqualität beiträgt, ob alle Möglichkeiten genutzt werden, Leistungen außerhalb der GKV anzubieten und abzurechnen, ob innere Strukturen zur Verbesserung der Arbeitsabläufe verändert werden können et cetera.

Grund 2: Hohe Zins- und Tilgungsraten wegen zu hoher Investitionen

Die regelmäßigen Belastungen durch die Aufnahme von Fremdkapital und die dadurch bedingte Rückführung an die Kreditgeber stellen eine Herausforderung an den Praxisinhaber dar. Wenn kaufmännisch geplant wurde, hält sich das Investitionsvolumen im Rahmen der üblichen Größenordnung, d.h. mit einiger Sicherheit können die Mittel ohne bedrohliche Belastung der Praxis zurückgeführt werden.

Anders ist dies, wenn ein übersetzter Kaufpreis gezahlt, unangemessen teure Geräte angeschafft oder Umbaumaßnahmen durchgeführt wurden, die von Anfang an eine volle Auslastung ver­langen, ohne dass diese dann auch eintritt. Dazu können auch Leasingverpflichtungen gehören, die nur mit steter Regelmäßigkeit dann bedient werden können, wenn die Planzahlen durch den konkreten Praxisalltag bestätigt werden. Anderenfalls werden sie zu einem „stehenden“ Problem, da die Langfristigkeit der Verträge ein rasches Umdisponieren oft gar nicht zulässt (Verkauf, Stilllegung etc.). Und Achtung: Zinsen und Leasingaufwand wirken sich zwar steuermindernd aus, Tilgungen sind aber immer aus versteuerten (!) Gewinnen zu leisten. Die Änderungen im Rahmen der Budgetierung erfordern konsequentes Handeln. Der Einsatz teurer Geräte ist dann sinnlos, wenn
mit den Honoraren noch nicht einmal mehr die Selbstkosten gedeckt werden können. Deshalb empfiehlt sich die schonungslose System- und Kosten­analyse, mit der solche Schwachstellen erfasst und die notwendigen Maßnahmen zur Veränderung eingeleitet werden können.

Grund 3: Steuernachzahlungen für zurückliegende Wirtschaftsjahre

Am Anfang der Praxistätigkeit hat jeder Praxisinhaber zunächst einmal die normalen Probleme des Alltags zu lösen. An Steuerzahlungen ist noch nicht zu denken. Sobald die erste Aufforderung des Finanzamtes für eine Einkommensteuervorauszahlung auf den Tisch flattert, weiß der Steuerberater regelmäßig zu helfen: Dem Finanzamt werden die Gründe für einen schleppenden Praxisanlauf dargelegt, sodass für die ersten Jahre zumeist nur geringe Vorauszahlungen fällig werden.

Bei einem positiven Praxisverlauf (Neuniederlassung und Übernahme mit Nachinvestitionen sind anders zu bewerten) wird der Break-even-point (Schnittpunkt Kosten-Gewinn) unterschiedlich schnell überschritten. Rücklagen für eventuelle Steuernachzahlungen konnten wegen der laufenden Kostenbelastung zumeist nicht gebildet werden.

Werden dann nach der Schein-Abstinenz die steigenden Gewinne der Praxis beim Finanzamt angemeldet, schlägt das fiskalische Schwert gleich mehrfach zu:

– Die erste Abschlusszahlung an Einkommen- und Kirchensteuer wird fällig,
– eine Anpassung für die zurückliegenden Jahre wird vorgenommen,
– und die Vorauszahlungen für die Zukunft werden neu festgesetzt.

Vielfach bedeutet das, bei der Bank eine Erhöhung der Kontokorrentlinie zu beantragen oder einen weiteren Kredit aufzunehmen. Die Folge sind erneut höhere Schulden, höhere Zinsverpflichtungen und eine weitere Tilgungslast.

Grund 4: Entnahmen für private Lebenshaltung zu hoch

Alle bisher geschilderten Gründe können als typisch für den Start in eine freiberufliche Praxistätigkeit angesehen werden, wobei zweifelsfrei die Übernahme einer bestehenden Einrichtung die geringeren Probleme beinhaltet. Sie führen erst dann zu ernsthaften Problemen, wenn den eingegangenen Verpflichtungen nicht die entsprechende Nachfrage seitens der Klientel gegenübersteht, den restriktiven Maßnahmen (Budgetierung) nicht in an­gemessener Weise begegnet werden kann oder eine von Anfang an zu sorglose Investitions- oder Ausgabepolitik die Einnahmen der Praxis kon­tinuierlich aufgezehrt hat.

So ist ein Hauptgrund für die Illiquidität einer Praxis eindeutig in einer zu aufwendigen Lebenshaltung mancher Praxisinhaber zu suchen. Wenn schon der Praxisbetrieb alle Einnahmen in den ersten Jahren wieder aufzehrt (siehe oben), dann muss in der privaten Sphäre erst recht sparsam gewirtschaftet werden. Denn: Echt verfügbar sind auf lange Sicht nur die Geldmittel, die als Gewinn in der Praxis erwirtschaftet wurden und von denen die in jedem Falle fälligen Steuern abgezogen wurden.

Eher wagemutig – denn mutig – ist der Arzt, der in der Gründungsphase seiner Praxis aus vermeintlich zustehendem Nimbus noch ein eigenes Haus baut, einen überdimensionierten Pkw meint besitzen zu müssen oder aufwendige Hobbys betreibt. Er wird schon bald merken, wie rasch ihn die nackte Wirklichkeit einholt. Wenn auch nur eine der fest eingeplanten Prämissen nicht eintritt, kann das zu einem ruinösen Wettlauf gegen sich und die Zeit führen. Dazu sollte es kein Arzt kommen lassen und immer daran denken, dass alle Mittel, die für den privaten Bedarf in Form von Entnahmen der Praxis entzogen werden, maximal die Hälfte des jeweiligen Jahresgewinnes ausmachen dürfen. Es müssen auch noch Steuern bezahlt werden! Und, bevor weiterreichende Entnahmen getätigt werden, müssen die Tilgungsraten für aufgenommene Kredite abgezogen werden, denn diese sind – wie schon beschrieben – stets aus den versteuerten Gewinnen zu entrichten.

Grund 5: Zu hohe Vorsorgeaufwendungen

Vorsorgen für das Alter und gegen Krankheit sind unentbehrlich. Zunächst ist jeder Arzt über die Versorgungskasse versichert. Das reicht im konkreten Fall vielfach nicht aus, um sich und die Familie auf einem befriedigenden Niveau abzusichern. Aus diesem Grund wird dem Arzt oft durch
unseriöse Makler und Anlageberater (se­riöse Berater denken langfristig und im Interesse des Arztes) die „missliche“ Situation permanent klargemacht und diesem empfohlen, entsprechend hohe Versicherungen abzuschließen. Gemeint sind hier nicht jene Lebensver­sicherungen, die zum Zwecke der Praxisfinanzierung abgeschlossen werden. Dabei muss aber immer klar sein, dass man für den Fall des Todes oder der Invalidität damit nur das Risiko der Rückzahlung von Fremdverpflichtungen absichert, mit derartigen Versicherungen aber keine Mittel für das Alter verfügbar sind. Nach einer zumeist zwölfjährigen Laufzeit werden die Ansparguthaben zur Umfinanzierung verwendet, der bestehende Kredit damit gelöscht.

Wenn über solche Versicherungen hinaus weitere Kapitallebensversicherungen abgeschlossen werden, kann dies, zumindest in der Anfangsphase der Praxis, die beschriebene Illiquidität mit verursachen. Will der Arzt nämlich den Versicherungsschutz nicht verlieren, muss er regelmäßig die vereinbarten Prämien leisten. Ein seriöser Berater wird den Arzt zunächst über kostengünstige Risikoversicherungen langsam und den finanziellen Möglichkeiten entsprechend, zu der notwendigen Absicherung führen. Solche im wahrsten Sinne seri­ösen Berater begleiten den Praxisinhaber dann oft ein Leben lang, weil sie auch im langfristigen Interesse ihrer Klientel handeln.

Grund 6: Ehescheidung mit Zugewinn- und Unterhaltsverpflichtungen

Eine Ehescheidung stellt eine doppelte Katastrophe für den Praxisinhaber dar: Neben der menschlichen Tragik kann sich die nun folgende wirtschaftliche Auseinandersetzung krisenhaft auch auf die Praxis, dort vor allem auf die Liquidität, auswirken. Solche Ereignisse sind naturgemäß außerplanmäßig, sodass sie alle vorherigen Planungen ad absurdum führen können. Umso mehr gilt es, in guten Zeiten die Praxis aus Fremdverpflichtungen heraus zu lotsen und ein einigermaßen verläss­liches finanzielles Fundament aufzubauen.

Bezüglich des Zugewinnanteils ist Folgendes zu beachten: In der Aufbauphase einer Praxis liegt der Praxiswert sehr oft noch relativ niedrig, weil auch die eingegangenen Verpflichtungen zu berücksichtigen sind. Trifft das Ereignis den Praxisinhaber in der schon gefes­tigten Praxis, müssen häufig für die Zahlung des Zugewinnanteils neue Kredite aufgenommen werden.

Für den Fall, dass Unterhaltszahlungen für die Ehefrau und Kinder zu leisten sind, sollte jeder Praxisinhaber darauf bestehen, dass sein tatsächliches unterhaltsre­levantes Einkommen exakt berechnet wird, wobei echte Zahlungsabflüsse aus Praxisverpflichtungen stets einzubeziehen sind. Auf die Berechnungen, die in solchen Fällen durch vereidigte Sachverständige vorzunehmen sind, wird später eingegangen.

Lesen Sie in der nächsten ZWP-Ausgabe, welche Schritte aus der Krise helfen.

Autoren: Günther Frielingsdorf, Oliver Frielingsdorf


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