Praxismanagement 01.12.2011
Quo vadis QM?
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Seit Januar dieses Jahres werden Zahnarztpraxen durch die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen überprüft, ob sie ein Qualitätsmanagementsystem eingeführt haben. Wie wird es zukünftig weitergehen mit dem Thema „Qualitätsmanagement“?
Die Überprüfung von zwei Prozent der Praxen findet nach Aussagen der KZV wie angekündigt statt, indem auf einem Formular anzukreuzen ist, inwieweit die Praxis die Vorgaben der QM-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (www.g-ba.de/downloads/62-492-17/ RL_QM-Zahn-2006-11-17.pdf) umsetzt. Die Ergebnisse dieser Erhebung werden an die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung weitergeleitet, die dem Gemeinsamen Bundesausschuss ab 2012 jährlich über den Umsetzungsstand berichtet. Welche Konsequenzen bezogen auf die Art der Überprüfung der Gemeinsame Bundesausschuss aus diesen Berichten in den nächsten Jahren ziehen wird, ist nicht absehbar. Eine Zertifizierung nach einem anerkannten QM-Modell, wie z.B. der ISO 9001, wird zurzeit und offenbar in der nächsten Zukunft nicht gefordert. Sie bringt gegenüber Patienten zudem kaum einen (Marketing-)Vorteil; so sieht es auch die überwältigende Mehrheit der Zahnarztpraxen. Es sollte jedoch weiter beobachtet werden, ob ein solch ausgewiesenes Zertifikat über ein etabliertes QM-System mittelfristig gegenüber Versicherungen und Krankenkassen an Bedeutung gewinnt. Entsprechende Anzeichen gibt es im Bereich niedergelassener Ärzte.
QM als Konzept der Unternehmensführung
Unabhängig von einer Zertifizierung und ihrer derzeitigen Bedeutung, lässt sich nach den ersten fünf Jahren Erfahrung seit 2007, in denen jede Praxis ein „einrichtungsinternes Qualitätsmanagement“ einführen sollte, konstatieren: Die QM-Richtlinie formuliert nach eigenen Aussagen lediglich die „grundlegenden Mindestanforderungen an ein Qualitätsmanagement“. Eine Praxis aber, die unternehmerisch geführt werden soll, würde die Potenziale von dem „Konzept Qualitätsmanagement“ bei Weitem nicht ausnutzen, wenn sie bei diesen Mindestanforderungen stehen bliebe. Sie wäre vergleichbar mit einem Autofahrer, der seinen 250-PS-Motor immer nur im ersten und zweiten Gang fährt. Wenn eine solche Praxis sich fragt, wie sie Organisation und Management optimieren kann, braucht sie das Rad nicht neu zu erfinden. Sie kann sich stattdessen an ausgewiesenen und verbreiteten Qualitätsmanagement-Modellen, wie z.B. der ISO 9001, orientieren und diese als Leitfaden nutzen. Denn Qualitätsmanagement ist eben im eigentlichen Sinn ein Konzept der Praxisführung. Es besteht nicht darin, auf bürokratische, sinnarme Art und Weise Checkliste nach Checkliste zu erstellen, die schlimmstenfalls nicht einmal im Team ausreichend bekannt sind, geschweige denn umgesetzt werden. Ein richtig verstandenes QM nutzt der Praxis in ihrem Alltag: es optimiert die Praxisabläufe, legt den Grundstein für die Integration von ethischem und unternehmerischem Denken und Handeln, fördert die Teamentwicklung, verringert Reibungsverluste, verbessert die teaminterne Kommunikation, orientiert das Team auf gemeinsame Ziele, erhöht die Identifikation mit und damit das Engagement für die Praxis, verbessert die Umsetzung von Absprachen und den Umgang mit Fehlern etc. Aber nur, wenn es vom gesamten Team getragen und ein alltäglich „gelebtes Qualitätsmanagement“ ist.
Teamentwicklung – wichtiger Bestandteil im zukünftigen QM
Die Chance besteht darin, das grundlegende, unternehmerische QM-Konzept nicht als eine Bürde misszuverstehen, sondern zu nutzen, um Praxiserfolg aber auch Zufriedenheit der Beteilig-ten – Patienten, Chefs, Mitarbeiter – weiterzuentwickeln. Dabei spielt das gesamte Team eine zentrale Rolle. Ohne ein gut funktionierendes Team gibt es keine gut funktionierende Praxis. Das trifft auf die alltäglichen Aufgaben ebenso zu, wie auf das gesamte Management der Praxis, sprich auf das QM-System. Nicht von ungefähr ist ein Grundsatz der ISO 9001:2008 die Beteiligung der Mitarbeiter. Chef und alle Mitarbeiterinnen müssen am QM arbeiten und damit an der Verbesserung der Praxisorganisation, es aufbauen, weiterentwickeln und dadurch lebendig machen. Entscheidungen für Verbesserungen können noch so gut sein, sie müssen aber vor allem Eingang in den Alltag finden. Das kann nicht durch den Chef oder einzelne Teammitglieder alleine erfolgen, wie z.B. durch die sogenannte QM-Beauftragte oder eine leitende Mitarbeiterin, sondern nur unter Beteiligung aller. Allerdings hat eine QM-Beauftragte eine wichtige, koordinierende Funktion bei der Weiterentwicklung des Praxis- und damit des Qualitätsmanagements. Fortbildungen von Praxismitarbeiterinnen zur qualifizierten, anerkannten Qualitätsmanagementbeauftragten haben daher bereits begonnen. Worin aber die Mitwirkung des gesamten Teams bei Problemlösungen und der Weiterentwicklung der Praxis außer durch die Teilnahme an Praxisbesprechungen bestehen kann, soll an drei Beispielen beschrieben werden.
Gemeinsame Praxisziele
Die erste Formulierung von Praxiszielen und auch die letzte Entscheidung darüber liegen in der Hand der Chefs. Dennoch können Mitarbeiterinnen ebenso Ziele vorschlagen oder anregen, sie zu modifizieren. So ist beispielsweise in einem Team die Zielformulierung „Im kommenden Jahr steigern wir die Anzahl unserer Prophylaxebehandlungen um zehn Prozent“ diskutiert worden. Sowohl seitens der Rezeptionsmitarbeiterin, die für das Recall zuständig ist, als auch durch die Prophylaxeassistentin sind Vorschläge gemacht worden, wie durch eine entsprechende Veränderung der Prophylaxeorganisation und des Recall und durch eine verstärkte Ansprache der Patienten durch Behandler und Assistenz dieses Ziel ehrgeiziger formuliert werden kann. Chefs und Teams waren nach der Besprechung überzeugt, das Ziel bei 20 Prozent mehr Prophylaxebehandlungen anzusetzen. Auch und vor allem bei der Umsetzung der definierten Ziele und der Maßnahmen, die erforderlich sind, um die Ziele zu verwirklichen, sind prinzipiell alle Mitarbeiterinnen des Teams einzubeziehen. Bei der Verein-barung über die zu ergreifenden Maßnahmen wird festgelegt, wer aus dem Team, was, bis wann zu machen hat.
Qualitätsteams
Praxen haben in unterschiedlichen Bereichen „Baustellen“, bei denen sie sich verbessern wollen. Das kann in der einen Praxis das Terminmanagement und die Materialverwaltung sein, in einer zweiten Praxis die Entwicklung eines einheitlichen Prophylaxekonzepts und die gesamte Recallorganisation oder in anderen Praxen die Aufnahme von Neupatienten, die Durchführung der Leistungseinträge und Rechnungslegung, die Patientenführung und -kommunikation, die Einarbeitung neuer Mitarbeiterinnen oder die Verbesserung der internen Kommunikation etc. Im Unterschied zu einzelnen, klar umrissenen Tätigkeiten, wie etwa der Behandlungsvorbereitung oder der Sterilgutfreigabe, sind die Arbeitsabläufe in den genannten Themenbereichen komplex. Zudem sind häufig mehrere Mitarbeiterinnen daran beteiligt und es gibt Schnittstellen zwischen den verschiedenen Praxisbereichen, der Rezeption/Verwaltung, der Behandlung, der Assistenz oder der Prophylaxe.
Wenn die Praxis hier Verbesserungen durchführen will, hat sich die Bildung von themenbezogenen, zeitlich befristeten Qualitätsteams bewährt. Ein solches Team besteht aus etwa drei Teammitgliedern, die verschiedene Bereiche der Praxis personell vertreten und in unterschiedlichen Positionen an diesem Thema beteiligt sind: Um beispielsweise das Terminmanagement zu optimieren, müssen aus dem Team Re-zeptionsmitarbeiterin, Behandler und Behandlungsassistenz aufgrund ihrer unterschiedlichen, sich ergänzenden Erfahrungen und Blickwinkel zusammenwirken, damit eine für alle Seiten tragbare, realistische Lösung gefunden werden kann. Das Qualitätsteam erhält von der Praxisleitung einen klar definierten Auftrag: „Vorschläge für ein optimiertes Terminmanagement erarbeiten.“ Dabei werden die bisherigen Schwachstellen analysiert und Verbesserungsvorschläge erarbeitet, die dann später im Team diskutiert und von den Praxisinhabern als verbindlich erklärt werden. Je nach Umfang des Auftrags sind in der Regel ein bis drei Sitzungen erforderlich. Was auf den ersten Blick als zeitaufwendiges Verfahren aussehen mag, ist tatsächlich zeitsparend und zudem motivierend: eine kleinere Gruppe arbeitet effizienter; diejenigen, die tagtäglich von dem Thema betroffen sind, können ihre konstruktiven Ideen beisteuern; durch die Mitwirkung von Mitarbeiterinnen aller beteiligten Bereiche von Beginn an, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Lösungen im Alltag auch engagiert umgesetzt werden; und dieses Vorgehen hat direkte ökonomische Vorteile: Wenn drei Teammitglieder innerhalb von zwei Stunden Vorschläge erarbeiten, sind das insgesamt sechs Stunden, bei einem Team von beispielsweise zehn Teammitgliedern insgesamt 20 Stunden.
Ein Qualitätsteam ist …
– ein Teilteam, bestehend aus zwei bis vier Teammitgliedern,
– das für einen definierten Auftrag
– mit dem Ziel der Qualitätsverbesserung
– innerhalb von etwa ein bis drei Sitzungen
– Lösungsvorschläge erarbeitet.
Fehlermanagement
Ein wichtiger Grundsatz des QM ist die kontinuierliche Verbesserung. Eng damit verknüpft ist die Frage, wie ein Team mit Fehlern umgeht, ihnen vorbeugt und sie korrigiert. Auch das wird zu einer Aufgabe des gesamten Teams. Voraussetzung ist, dass eine konstruktive Fehler- und Kritikkultur in der Praxis vorherrscht und ein entsprechender Umgang mit dem Reizthema „Fehler“ gepflegt wird. Dazu gehört, Fehler in erster Linie als Anstoß für Verbesserungen ansehen zu können, nicht als Grund für Verurteilungen. Der Grundgedanke des QM-Konzepts bei dem Umgang mit Fehlern ist, nicht in erster Linie die Frage zu stellen „Wer ist schuld?“, sondern „Was ist schuld?“. Diese Einstellung zu entwickeln, ist ein wichtiger Aspekt der Teambildung und wird nicht von heute auf morgen gelingen. Ebenso muss konstruktive Kritik in alle Richtungen möglich sein, auch von Mitarbeitern gegenüber Chefs. Die Mitwirkung des gesamten Teams beginnt bei dem systematischen Registrieren von Fehlern, etwa mit einem Erfassungsbogen. Auf Praxisbesprechungen wird die Mitwirkung des Teams fortgesetzt, indem dort die Fehler aufgegriffen, gemeinsam Vorbeugemaßnahmen besprochen und umgesetzt werden.
Fazit
Wie sich die äußeren Anforderungen an das QM-System der einzelnen Praxis weiterentwickeln, ist aktuell nicht absehbar. Die Anforderungen, die die Praxis selbst an die Effizienz ihrer Praxisorganisation und ihres Managements, sprich an ihr QM-System, stellt, sollte davon unabhängig und einer unternehmerischen Praxisführung angemessen sein. In einem in diesem Sinne verstandenes Qualitätsmanagement, wie es beispielsweise die ISO 9001 zur Grundlage hat, spielt die Teamentwicklung zukünftig eine noch wichtiger werdende Rolle.
Informationen über QM-Lehrgänge können vom Verfasser zur Verfügung gestellt werden.